Lesezeichen
 

Von Hunden und Helden: Der Webvideopreis 2013

Die Gewinner des Webvideopreis 2013 (Bild:  Christof Wolff / CC BY 2.0)
Die Gewinner des Webvideopreis 2013 (Bild: Christof Wolff / CC BY 2.0)

Der Teppich vor der Tür war nicht rot, sondern blau. Die Stars des Abends störte das nicht. Sie standen auch so im Mittelpunkt des Geschehens. Dafür sorgten allein die zahlreichen Kameras um sie herum. Zum dritten Mal wurde am Samstagabend der Deutsche Webvideopreis für die besten Onlineclips des vergangenen Jahres verliehen. Die Gala aus dem Düsseldorfer Capitol zeigte: Auf YouTube wächst keine neue Generation an Comedians und Filmemachern, an Popstars und Persönlichkeiten mehr heran. Sie ist längst unter uns.

Nirgends zeigte sich das deutlicher als in den Stunden vor der Verleihung. Schon ab 14 Uhr, rund vier Stunden vor Beginn, luden die Veranstalter und die prominenten YouTuber ihre Fans ein. Die kamen zahlreich. Bis zur Verleihung verwandelten sich der Hof und das Foyer des Capitols zur Fanmeile, die ausgelassene Stimmung erinnerte an eine Klassenfahrt. Jugendliche und Junggebliebene ließen sich mit ihren Lieblingsfilmern fotografieren, holten sich Autogramme und plauderten.

Für einige war das eine ungewohnte Situation. „Das hätte ich nicht erwartet, ich war noch nie bei so etwas“, sagt der als Dner bekannte Gamer. Dabei gehört er mit knapp 100.000 Abonnenten nicht zu den Unbekannten der Szene. Er war mit einem Video in der Kategorie Let’s Play nominiert, in der YouTuber sich selbst beim Zocken kommentieren. Dass ihn so viele junge Menschen erkennen, ansprechen und um Autogramme bitten würden, überraschte den Nominierten.

Die Szene kennt und schätzt sich

Rund 1.000 Gäste waren an diesem Abend geladen, deutlich mehr als noch im vergangenen Jahr. Viele von ihnen gehörten zu den Machern und nutzen die Gelegenheit, um neue Videos zu drehen. Etwa thePort. Der Wiesbadener hat sich auf YouTube auf Reviews und Interviews spezialisiert. Den Webvideopreis hält er für eine gute Gelegenheit um Kontakte zu knüpfen und neue Episoden zu drehen. In drei Jahren auf YouTube hat er es auf 3.500 Abonnenten und eine knappe halbe Million Abrufe gebracht. Das ist ausbaufähig, aber „einige schaffen es eben schneller, einige langsamer“, sagt der 25-Jährige, reicht flink seine Visitenkarte und huscht mit seiner Kamera weiter.

Definitiv geschafft haben es Persönlichkeiten wie der Kölner Let’s Player Sarazar oder die Jungs von Y-Titty, die zu den bekanntesten deutschen Webvideomachern gehören. Als sie das Capitol betreten, werden sie von Menschen umringt, Kameras und Smartphones blitzen. Geduldig kritzeln sie Autogramme in mitgebrachte Poesiealben, auf Mützen und aufblasbare Bälle. Einige Meter weiter sitzen die Gebrüder Lochmann, bekannt als Die Lochis und Preisträger des vergangenen Jahres, bei einer Live-Aufzeichnung der Sendung YouTalk am runden Tisch und diskutieren mit Gleichgesinnten.

4.000 Einsendungen in 13 Kategorien

Preise gab es an diesem Abend in 13 Kategorien. Die hießen wie schon im vergangenen Jahr LOL und FYI, Cute, Epic oder OMG. Videos einreichen durfte jeder. Über 4.000 waren es am Ende. Anhand ihrer Verbreitung in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook wurden schließlich sechs Nominierte in jeder Kategorie ermittelt. Anschließend ging es erneut im Netz um die finale Abstimmung. Gab es im vergangenen Jahr noch getrennte Jury- und Publikumspreise, hatten die beiden Parteien in diesem Jahr gleiches Stimmrecht. Durch die Gala führte die TV-Moderatorin Miriam Pielhau.

Ganz dem Medium Internet entsprechend, ging es in der Kategorie Cute zu. Die Gewinnerin lief auf vier Beinen auf die Bühne: Die Weimeranerin Maya setzte sich mit ihrem Versuch, eine Frisbee aus dem Pool zu holen durch und verlieh dem Webvideopreis die fast schon obligatorische tierische Note.

Besonders viele Lacher ernteten auch die Filme der Kategorie Fail. Darunter fallen die schlimmsten Imagefilme und gut gemeinte, aber schlecht gemachte Tutorials des Jahres. Während die Sparda Bank eine Ausstrahlung ihres Werbevideos untersagte, konnten andere mit ihrem Fremdschämfaktor glänzen. Am Ende gewann der schon mehrfach nominierte Wolfgang Rademacher. Er kam leider nicht, um den Preis anzunehmen, obwohl er sich bestimmt einige Tipps hätte abholen können.

Natürlich aber ging es an diesem Abend nicht nur um die witzigsten Videos. Es gab auch ernste und aktuelle Themen, etwa aus dem Bereich der Medien- und Gesellschaftskritik. Die Satireseite Der Postillon konnte sich in der Kategorie LOL mit ihrer Nachrichtensendung Postillon24 durchsetzen. In der allein von der Jury bestimmten Kategorie Academy Approved Art gewann Ken Ottman mit Paper Age, einer Animation zum Thema Leistungsschutzrecht.

Nicht nur Favoritensiege

Die größte Überraschung des Abends aber war, dass nicht in allen Kategorien die vermeintlichen Favoriten gewannen. So gingen etwa die bekannten YouTuber iBlali, die Space Frogs und Doktor Allwissend trotz großem Beifall im Saal leer aus. Stattdessen gewannen Clips, die durchaus professionell daherkamen. So die Internationale Filmschule Köln in der Kategorie Win oder die Hochschule Ostwestfalen-Lippe mit einem 15-minütigen Film über Kindesmissbrauch in der Kategorie OMG, einem unbequemen, aufrüttelnden Beitrag.

Auch in anderen Kategorien gab es Überraschungen. Der Preis in der Kategorie Epic für das beste Webvideo des Jahres ging an den Schweizer Opernsänger August Schram, dessen bizarre Adaption von Habanera aus der Oper Carmen offenbar den (Hör-)Nerv der Zuschauer traf, im Saal aber für zweifelnde Blicke sorgte. Und auch der Sieg von Stefans Musikworkshop in der Kategorie FYI, der den Erfolg von Adeles Skyfall-Soundtrack erklärte, erntete einige spöttische Kommentare im Publikum.

Großen Applaus gab es dagegen für die Sieger in den Kategorien VIP. Der Berliner LeFloid überzeugte mit seinem Appell an die Zivilcourage im Alltag. Mit 660.000 Abonnenten gehört er dank seiner wöchentlichen Nachrichten LeNews zu den größten Namen der Szene. Wie auch Y-Titty: Die Vorjahresgewinner erhielten zum Abschluss der Gala von Cherno Jobatey den Ehrenpreis für besondere Leistungen in der Webvideoszene. Um die Reichweite von Y-Titty zu bekommen, müsste „Markus Lanz noch neun Jahre senden“, sagte Jobatey. Das Publikum johlte. Sticheleien gegen das lineare Fernsehen sind bei YouTubern beliebt.

Der Webvideopreis ist erwachsen

So bunt das Rahmenprogramm und die nominierten Videos waren, so klassisch präsentierte sich die tatsächliche Gala. Anders als im vergangenen Jahr, in dem sich die Sieger und Jury gemütlich auf einer Couch auf der Bühne fläzten und alberten, wirkte die Veranstaltung in diesem Jahr geradezu bieder. Moderatorin Pielhau bemühte sich zwar redlich, schien sich auf der großen Bühne aber oft verloren zu fühlen.

Mit lediglich zwei Punkten im Rahmenprogramm, einem Eröffnungssong der YouTube-Kombo Die Außenseiter und einem Nachruf auf den Filmkritiker Franc Tausch, wirkte die Veranstaltung in ihren 90 Minuten unnötig gedrängt. Auflockernde Momente, kreative Einspieler, Interaktion mit den Gästen im Saal und den Zuschauern im Stream gab es bestenfalls im Ansatz, etwa als Pielhau einige Tweets vorlas.

Am Ende bleibt der Eindruck, dass der Deutsche Webvideopreis gemeinsam mit der Szene gewachsen ist und sich in Sachen Gästezahl, Umsetzung und Anspruch mit den anderen großen deutschen Medienpreisen messen kann. Das ist erfreulich für die deutschen Webvideo-Macher, die nun eine Veranstaltung haben, die sie angemessen ehrt. Aber auch irritierend: etablierte Filmemacher mit einer gewöhnlichen Preisverleihung wollten diese eigentlich nie werden. Etwas mehr des Esprits, den die jungen Macher vor Beginn der Gala an den Tag legten, hätte auch der eigentlichen Verleihung gut getan.

(Auf der Seite des Webvideopreis finden Sie die Übersicht mit allen Gewinnern.)

 

Von Alaska nach Argentinien in 500 Tagen

© Alex Chacon
© Alex Chacon

Im Jahr 2004 fuhren die Schauspieler Ewan McGregor und Charly Boorman in Long Way Round zunächst mit dem Motorrad von London über Asien nach New York, und in Long Way Down (2007) noch einmal von Schottland nach Südafrika. Dabei mussten sie so manche brenzlige Situationen meistern. Nicht selten schienen sie ganz glücklich, dass sie mit der BBC einen großzügigen Sponsor mit dabei hatten, der für die Papiere und Planung zuständig war.

Sponsoren hatte der Texaner Alex Chacon zwar auch, bei seinem Trip von Alaska bis nach Feuerland war er aber größtenteils auf sich alleine gestellt. Bevor der 25-jährige nach dem Studium seinen Doktor in Biomedizin machte wollte, sehnte er sich nach einem richtigen Abenteuer. Inspiriert von Che Guevaras Motorcycle Diaries (der damals ebenfalls Medizinstudent war), verkaufte er seinen kompletten Hausstand und schwang sich auf das Motorrad.

500 Tage war er anschließend in Nord- und Südamerika unterwegs, 23 Länder erkundete er dabei. Zunächst schlief er vor allem in Zelten und aß aus der Dose. Doch je länger er unterwegs war, desto mehr Menschen wollten ihn unterstützen. Über die Website Couchsurfing fand er Unterkünfte, die Menschen unterwegs versorgten ihn mit Essen und Benzin.

Seine Erlebnisse nahm er mit einer Helmkamera auf und veröffentlichte sie in kurzen Episoden auf YouTube. Nun, zum Abschluss der Reise, hat Chacon die gesamte Reise und 600 Stunden Material in ein einzelnes Video gepackt. Und das sieht aus, als hätte das trotz der Strapazen eine Menge Spaß gemacht.

Das mit der Doktorarbeit hat er übrigens inzwischen aufgegeben. Chacon arbeitet nun als Reiseberater – für Abenteurer, versteht sich.

 

Kurzfilm: „HIV: The Musical“

2009, bevor Martin Freeman als Dr. Watson in der TV-Serie Sherlock und als Bilbo Baggins in Der Hobbit international durchstartete, spielte er in einem kleinen Low-Budget-Kurzfilm namens HIV: The Musical mit. Freeman spielt die Rolle eines eher mäßig erfolgreichen Drehbuchautors, der ein Theaterstück zur Aufklärung über HIV in Afrika geschrieben hat. In Gesprächen mit dem Produzenten (gespielt von Julian Barrat) aber entwickelt sich das ernsthafte Projekt zunehmend zur Farce. Wunderbare, typisch britische Parodie auf die Theaterindustrie.

(via)

 

„The Secret of Lucas Arts“

Im April erreichte die älteren nicht mehr ganz jungen Videospieler eine Hiobsbotschaft. Disney legt endgültig den Deckel auf Lucas Arts, die legendäre Spieleschmiede, die in den späten Achtziger und frühen Neunziger Jahren mit ihren Point-and-Click-Adventures Monkey Island, Indiana Jones und Day of the Tentacle eine ganze Spieler-Generation prägte.

Der Brasilianer Felipe Machado zollt dem scheidenden Studio auf seine Weise Tribut. The Secret of Lucas Arts ist ein Crossover Adventure in Form eines kurzen Films, in dem einige der bekanntesten Figuren der Lucas Arts Geschichte sich plötzlich im gleichen Universum wiederfinden. Eine witzige Idee, die trotz der Kürze eine ganze Menge Erinnerungen hervorruft.

 

Ready to LOL: Die YouTube Comedy Week beginnt

YouTube ohne Comedy? Unvorstellbar. Die erfolgreichsten Kanäle, ob in den USA oder Deutschland, sind vor allem für die Lachmuskeln ausgelegt und längst hat sich ein eigenes, sehr junges und sehr netzaffines Comedy-Genre etabliert, das man problemlos als „YouTube-Comedy“ bezeichnen kann. Mit Protagonisten, die immer häufiger auch jenseits der Internets für Lacher sorgen, und die selbst gestandenen TV-Comedians mittlerweile im Netz den nötigen Schub geben.

In der kommenden Woche feiert YouTube sich und seine Comedy-Macher. Vom 19. bis zum 25. Mai findet die YouTube Comedy Week statt. Los geht es heute Nacht um 3 Uhr mitteleuropäischer Zeit mit einer zweistündigen Liveshow. Zu den Gästen zählen unter anderem Vince Vaughn, Ricky Gervais, Conan O’Brian, Ben Stiller und Sarah Silverman. Bis zum nächsten Samstag gibt es jeden Abend eine Show: Geplant sind unter anderem Shows mit dem Fokus auf Musik, Improvisationscomedy und Stand-Up. Alle Inhalte sind natürlich nach der Ausstrahlung auf dem Spotlight-Kanal archiviert.

Die Comedy Week ist der erste Versuch der Plattform, über mehrere Tage hinweg ein Sendeschema zu liefern – und damit der nächste Angriff auf das klassische Fernsehen. Ist es bei YouTube in der Regel immer noch so, dass die Nutzer sich die Inhalte durch Empfehlungen oder selbst zusammensuchen müssen, bekommen sie in dieser Woche jeden Abend ein vorgegebenes Programm. Anklicken und laufen lassen, das ist der Plan. Dass YouTube längst auch Live-Streaming kann, haben sie spätestens mit dem Sprung Felix Baumgartners bewiesen, den acht Millionen Menschen gleichzeitig auf YouTube alleine verfolgten.

Synergie-Effekte gewünscht

Gleichzeitig geht es natürlich um das Vorstellen der zahlreichen Talente, die inzwischen ihr Geld auf der Plattform verdienen. Die beiden Jungs von Smosh etwa, die mit fast 10 Millionen Abonnenten zurzeit den erfolgreichsten Kanal der Welt betreiben. Oder die Macher von Epic Rap Battles of History, die inzwischen selbst Rapper wie Snoop Dogg Lion als Gäste begrüßen konnten. Und auch die Satire-Seite The Onion hat sich in den vergangenen Jahren immer stärker auf Videoformate konzentriert.

Die Comedy Week soll Synergien zwischen neuen, talentierten Künstlern und gestandenen Comedians schaffen. Das klingt logisch, denn zwischen den beiden Gruppen besteht noch immer ein Graben: YouTube-Künstler haben es schwer, in traditionellen Medien Fuß zu fassen. Für TV-Künstler ist dagegen der Weg ins Netz nicht immer leicht, oft mangelt es an dem direkten Austausch mit der Community. Originalkanäle wie der von Sarah Silverman, Michael Cera und Reggie Watts gegründete Jash suchen deshalb bewusst den Kontakt zu bekannten YouTubern – und genießen die Freiheit im Netz: „Niemand muss ein Scripts absegnen, niemand braucht überhaupt ein Script“, sagte Silverman auf dem diesjährigen SXSW-Festival.

Neben den genannten Künstlern treten im Verlauf der Woche noch Ryan HigaThe Fine BrosThe Gregory BrothersCollegeHumorDaily GraceEpic Meal Time und Tobuscus auf. Tubefilter hat eine ausführliche Liste.

Zusätzlich dürfen die Zuschauer aber auch zahlreiche Videos von Machern erreichen, die nicht offiziell an dem Programm teilnehmen. Und wer weiß: Vielleicht sind ja auch deutsche YouTube-Comedians dabei.

 

Netzfilm der Woche: „Crowded Healing“

Die philippinische Hauptstadt Manila und ihre Metropolregion zählen zu den am dichtesten besiedelten Orten der Erde. Bis zu 43.000 Menschen teilen sich hier einen Quadratkilometer Stadtgebiet. Das führt dazu, dass selbst auf Friedhöfen neue Armensiedlungen entstehen. Nun haben die Behörden darauf reagiert: Nach dem jüngsten Anstieg der Kriminalität wurden viele Familien von den Friedhöfen vertrieben.

Der Fotograf Manuel Domes, der zurzeit für eine NGO auf den Philippinen arbeitet, hat Menschen besucht, die ihr „Zuhause“ auf dem Friedhof verloren haben. Sie schlagen sich in Aushilfsjobs oder auf Müllhalden durch, wo der stechende Geruch und Rauch die Lungen schädigt. Da sie sich keine medizinische Hilfe leisten können, legen sie ihr Schicksal in die Hände sogenannter Geisterheiler.

An drei verschiedenen Schauplätzen in der Stadt, die doch alle miteinander verbunden sind, blickt Domes auf die enge Verbindung von Armut und Spiritualität. Crowded Healing ist das Abschlussprojekt seines Fotojournalismus-Studiums an der Ateneo de Manila University.

ZEIT ONLINE: Wie sind Sie mit den Personen im Film in Kontakt getreten?

Manuel Domes: Mehrere NGOs vor Ort haben mir bei der Recherche und Vermittlung sehr geholfen. Auf die Familie in Makati bin ich zufällig gestoßen, als ich dort in der Nähe des Friedhofs unterwegs war und mit einigen Leuten auf der Straße gesprochen habe.

ZEIT ONLINE: Sie ließen sich einfach filmen?

Domes: Generell haben die Leute hier wenige Berührungsängste gegenüber Fremden mit Kameras. Allerdings ist es in einigen Gegenden aus Sicherheitsgründen wichtig, vorher vertrauenswürdige Kontakte herzustellen.

ZEIT ONLINE: Im Film heißt es, dass die Familien auf dem Friedhof im Vergleich zum Leben „draußen“ relativ glücklich waren. Was hat sich für sie geändert nach der Räumung?

Domes: Auf dem Friedhof konnten die Familien recht einfach kostenlos Wasser und Strom beziehen, was „draußen“ schwierig oder zu teuer ist. Auch die Übernachtungsmöglichkeiten sind auf den Gräbern des Friedhofs besser und sicherer als auf der Straße. Die meisten Familien hatten ihre Einkommensmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe des Friedhofs, sodass sie nach der Räumung nun für den Weg zu ihrer Arbeit bezahlen müssen. Dies können sich die meisten kaum leisten und schlafen deshalb häufig in der Nähe des Friedhofs auf der Straße.

ZEIT ONLINE: Sie lassen die Beteiligten im Film ohne Autor-Kommentar und Einschätzung erzählen, selbst bei Themen, die uns Europäern wohl als „spirituell“ vorkommen. Wieso haben Sie sich für diesen Ansatz entschieden?

Domes: Die Idee des Films war, eine Art Panorama verschiedener Gesichter und Geschichten von Überbevölkerung, öffentlicher Gesundheit und Spiritualität zu entwerfen. Ich wollte eher Fragen aufwerfen und Diskussionen anregen, statt zu versuchen, Antworten und Definitionen zu liefern. Deshalb habe ich mich dafür entschieden auf eine Kommentierung der Geschichten zu verzichten. Die Personengruppen, die ich im Film zeige, kommen im öffentlichen Diskurs in den Philippinen kaum zur Sprache. Oder sie werden von Interessengruppen und Politikern vereinnahmt, die behaupten, in ihrem Namen zu sprechen. Hierzu wollte ich einen Kontrapunkt setzen.

ZEIT ONLINE: Haben Sie weiterhin Kontakt zu den Personen und verfolgen ihren Weg?

Domes: Ich stehe weiterhin in Kontakt zu den vermittelnden NGOs und zu einigen der Personen im Film. Im Laufe der kommenden Wochen möchte ich allen Beteiligten eine Kopie des Films zeigen oder zukommen lassen. Ich habe auch noch mehrere Stunden ungenutzter Interviewmaterialien, die ich langfristig gerne als Basis für einen längeren Film verwenden möchte.

 

„Tatort+“ aus Stuttgart: Ermittlungen im Netz

Die "Tatort"-Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller, r) und Sebastian Bootz (Felix Klare) (© ARD/SWR
Die „Tatort“-Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller, l) und Sebastian Bootz (Felix Klare) (© ARD/SWR)

Das Crossmedia-Fieber geht um und hat nun auch den Tatort erwischt: Während die Stuttgarter Kommissare Lannert und Bootz erst am 26. Mai in der Folge Spiel auf Zeit auf Fahndung gehen, können die Fans schon eine Woche vorher nach dem Täter suchen. Am Samstagabend können sich die Spieler beim Tatort+ registrieren und bis zur Ausstrahlung am kommenden Sonntag das Verbrechen aufklären.

Spiel auf Zeit ist der zweite Online-Tatort des SWR. Das erste Mal hatte der Sender das Format im vergangenen Mai beim Ludwigshafener Tatort getestet. Mit mäßigem Erfolg. Statt mit Rätseln hatten die Zuschauer in den ersten Tagen vor allem mit Fehlermeldungen zu kämpfen. Die Macher hatten den Besucheransturm falsch eingeschätzt. Auch gab es Kritik, dass der Mörder in der Folge nicht enttarnt wurde. Die Zuschauer waren stattdessen dazu aufgerufen, im Internet das Fernsehverbrechen aufzuklären. Pech für alle, die dazu keine Lust oder Mittel hatten.

Das Problem soll es in diesem Jahr nicht geben. Der Film ist in sich abgeschlossen, die Ermittlungen im Netz arbeiten lediglich auf den Fall im Film hin und ergänzen die Geschichte um weitere Details. Knapp sechs Monate habe man die Aktion geplant, sagte der Social-Media-Manager des SWR, Guido Bülow, ZEIT ONLINE.

Zeugenbefragung per Google Hangout

Tatsächlich ist der Tatort+ etwas komplexer. Gab es im Vorjahr nur Audiomaterial, hat der Sender nun mit den Darstellern zusätzliche Szenen gedreht, die bei der Ermittlung vorkommen. Das Spiel selbst etwa beginnt mit einem Video, das im Internet auftaucht und ein mögliches Verbrechen zeigt. Im Browser können die Hobby-Kommissare es mit einem Tool analysieren und anschließend auf Spurensuche gehen.

Auch weitere Kanäle sollen genutzt werden: In den kommenden Tagen hat der Sender ein Zeugenverhör via Google Hangout geplant. Bis zu acht Zuschauer können dabei gemeinsam mit einem Moderator die Personen aus dem Video befragen. Die Aufzeichnung des Verhörs landet anschließend für alle anderen Spieler sichtbar auf YouTube. Die Erzählgeschwindigkeit sei insgesamt bewusst langsam gehalten, sagt Bülow: „Pro Tag kommt man ein Stückchen weiter, wie bei einer Echtzeitermittlung.“

Ermittlungen im Browser (© ARD/SWR)
Ermittlungen im Browser (© ARD/SWR)

Die Ermittlungen finden aber nicht nur im Netz statt, jedenfalls nicht für Zuschauer aus Stuttgart. Im Laufe der Woche gibt es an einem Tag ein Ereignis in der Stadt, dessen Zeitpunkt und Ort zunächst im Laufe des Spiels ermittelt werden muss, und an dem es noch weitere Indizien für die Aufklärung des Falls gibt. Hinweise dazu gibt es sowohl online als auch auf eigens verteilten Bierdeckeln in ausgewählten Tatort-Kneipen.

Auch mit der TV-Ausstrahlung am kommenden Sonntag ist die Aktion noch nicht vorbei. In einem zweiten Erzählstrang können die Zuschauer einen zweiten Mord aufklären. Selbst wenn sie den ersten Teil der Ermittlung nicht verfolgt haben. Die nötigen Hinweise soll es während der Ausstrahlung über den Second Screen, also im Internet und sozialen Netzwerken geben.

Bindung an die Marke

Überhaupt geht es dem SWR mit der Aktion vor allem um eines: Die Bindung der jüngeren Zuschauerschichten an die Marke Tatort. Schon jetzt schafft es #tatort regelmäßig in die Trending Topics der deutschen Twitter-Szene, die Zuschauer der Reihe werden insgesamt jünger – und damit netzaffiner. „Wir sehen Woche für Woche, wie viele Fans im Netz in Foren und Kommentaren über den Tatort sprechen. Ihnen wollen wir ein Stück zurückgeben, indem wir das Tatort-Erlebnis erweitern“, sagt Bülow.

Der SWR ist deshalb überzeugt, dass viele Tatort-Zuschauer den Weg ins Netz finden werden, die 100.000 Spieler aus dem vergangenen Jahr gelten als Minimalziel. Die gehen nicht leer aus: Eine/r von ihnen soll im nächsten Stuttgart-Tatort Happy Birthday, Sarah auf einem Foto auftauchen.

(mit dpa)

 

Kurzfilm über Afrikas verlassene Filmsets

Vergangene Woche tauchten wieder einmal die Aufnahmen der New Yorker Fotografin Rä di Martino im Netz auf, die 2010 die ehemaligen Filmsets von Star Wars in Tunesien besuchte. Viele der Requisiten und Kulissen sind nämlich noch in der Wüste zu finden und rotten gemächlich vor sich hin. Grund genug für einige Fans, die Restaurierung selbst in die Hand zu nehmen.

Das Set von Star Wars war aber nicht das einzige verlassene und fast-vergessene Filmset, das di Martino in den vergangenen Jahren besuchte. So war sie auch im marokkanischen Ouarzazate, wo unter anderem Lawrence von Arabien und Babel gefilmt wurden. Auch hier sind noch Überreste zu finden. Die Überbleibsel hat di Martino nicht nur in Bildern festgehalten, sondern auch in einem Kurzfilm. Gemeinsam mit zwei Jugendlichen, die in der Nähe der Filmstudios aufgewachsen sind, spielt sie einige der Szenen aus den Filme nach. Von denen ich, zugegeben, nicht allzu viele kenne.

(via)