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Short: „Mrs Peppercorn’s Magical Reading Room“

Ein bisschen Disney-Feeling bleibt bei diesem Kurzfilm nicht aus: Mrs Peppercorn’s Magical Reading Room nimmt die Zuschauer und die neunjährige Eloise mit in einer Reise in ein kleines und unheimliches Dörfchen in Cornwall. Die Zuflucht besteht für Eloise in Büchern. Doch als sie plötzlich die Wahrheit hinter einem seltsamen Buchladen und seiner verschrobenenen Inhaberin entdeckt, verwischen die Grenzen zwischen Realität und Traum. Regisseur Mike le Han ist damit ein wunderbarer kleiner Fantasyfilm gelungen, dessen Produktionsdesign sich nicht vor Spielfilm-Produktionen zu scheuen braucht.

Update: Der Film wurde wieder depubliziert.

 

Veronica, der Film ist da

© Robert Voets / Warner Bros. Entertainment
© Robert Voets / Warner Bros. Entertainment

„Ein Liebesbrief an die Fans“ sei dieser Film, sagt der Drehbuchautor Rob Thomas über das am Wochenende erschienene Veronica Mars: The Movie. Die Spielfilm-Adaption der gleichnamigen TV-Serie hat tatsächlich noch einmal alle zusammengebracht: die Protagonistin, die ihre Zeit als jugendliche Hobby-Detektivin hinter sich gelassen hat und nun in New York lebt. Der Ex-Freund, der unter Mordverdacht steht und Veronica um Hilfe bittet, was zu einem warmen Wiedersehen mit alten Freunden und Feinden in der kalifornischen Kleinstadt führt. Dazu etwas Mystery und Noir, flotte Dialoge und ein bisschen Teenage Drama. Wer die Serie mochte, wird von dem Film nicht enttäuscht sein.

Doch die Geschichte von Veronica Mars ist nicht bloß die eines ungewohnten Comebacks. Die Entstehung des Films ist dem Internet und den Fans der Serie zu verdanken. Und sie stellt die Frage, ob Veronica Mars eine neue Ära der Filmwirtschaft einleiten könnte oder ein kurioser Einzelfall bleibt.

Wo Fans sind, ist auch ein Markt

Dass Veronica Mars überhaupt noch einmal auf den Bildschirmen auftaucht, ist jedenfalls bemerkenswert. Die Serie lief ursprünglich in drei Staffeln zwischen 2004 und 2007. Obwohl von den Kritikern gelobt und den Fans geliebt, schaffte es die Serie nie aus der Nische im umkämpften US-Primetime-Geschäft. Zum Ende hatte Veronica Mars mit die schlechtesten Einschaltquoten aller Serien und wurde schließlich abgesetzt.

Rob Thomas präsentierte dem Rechteinhaber Warner Brothers schon früh ein Drehbuch für eine mögliche Filmfortsetzung. Offenbar verschreckt von Experimenten wie Serenity, der gelobten, aber finanziell enttäuschenden Spielfilm-Adaption von Josh Whedons Sci-Fi-Serie Firefly, lehnten die Verantwortlichen ab. Zudem untersagten sie Thomas, den Film unabhängig zu produzieren.

Für Thomas und die Hauptdarstellerin Kristen Bell war die Sache damit erledigt. Nicht aber für die Fans. Wie auch Arrested Development, das inzwischen von Netflix wiederbelebt wurde, florierte Veronica Mars abseits des Fernsehens. Der Kultstatus der Serie sprach sich herum und so blieben die DVD-Verkäufe über Jahre hinweg beständig. Dazu kamen die neuen Medien: Über Streamingportale erreichte die Serie die Wohnzimmer neuer Fans, die sich zunehmend auch über die sozialen Medien austauschten.

Thomas und Bell, beides aktive Twitter-Nutzer, merkten, dass auch Jahre nach dem Ende der Serie viele Menschen an einer Fortsetzung interessiert waren. Es gab offenbar einen Markt – aber wie konnten sie ihn erschließen und gleichermaßen die Verantwortlichen von Warner überzeugen?

Crowdfunding erobert Hollywood

Die Antwort kam Thomas erstmals im Jahr 2011, als er Kickstarter entdeckte. Zwei Jahre später startete er die Kampagne für Veronica Mars: Zwei Millionen US-Dollar peilten er und Bell an. 5,7 Millionen kamen am Ende dabei zusammen. Es ist die höchste Summe, die ein Filmprojekt jemals erreichte. 91.585 Unterstützern bedeuten zudem einen neuen Rekord auf der Plattform Kickstarter.

Dennoch war die Kampagne umstritten. Kritiker warfen den Initiatoren vor, nicht nur sich, sondern auch Warner von den Fans bezahlen zu lassen. Sollte der Film tatsächlich ein Erfolg werden, würde davon schließlich vor allem die Filmfirma profitieren. Und das, ohne dafür viel getan zu haben. Ähnliches musste sich auch Zach Braff anhören, als er seinen kommenden Film auf Kickstarter vorstellte.

Eines zeigt die Kampagne in jedem Fall: Crowdfunding ist nicht mehr nur für die vermeintlich kleinen Hobbyfilmer. In Zeiten, in denen die Budgets für kleinere Titel und unbekannte Filmemacher auch in Hollywood sinken, kann die Unterstützung der Masse über ein Projekt entscheiden. Junge Filmemacher wie Freddy Wong drängen mit diesem Modell von YouTube aus in das traditionelle Filmgeschäft. Die Voraussetzung ist, dass die Zuschauer und Fans sich nicht als Geldgeber sehen, sondern für ihre Unterstützung einen fairen Gegenwert bekommen.

© Robert Voets / Warner Bros. Entertainment
© Robert Voets / Warner Bros. Entertainment

Ein Experiment mit wenig Risiko

Bei Warner war man dennoch skeptisch, als Thomas die Idee des Crowdfundings vorstellte. Dass die Aktion dennoch zustande kam, ist vor allem einer Person im Warner-Management zu verdanken: Thomas Gewecke, der Leiter des digitalen Verleihgeschäfts.

Was Rob Thomas präsentierte, war für Gewecke nicht bloß die Fortsetzung einer mäßig erfolgreichen TV-Serie und Gratis-Film für sein Studio. Es war eine Form des viralen Marketings: Statt Millionen in ein Werbebudget zu stecken, sorgen die Fans im Netz für Aufmerksamkeit. Warner lenkte schließlich ein und übernahm außerdem die Versandkosten der Kickstarter-Geschenke sowie der fertigen DVDs für die Unterstützer.

Auch wenn Warner das finanzielle Risiko durch das Geld der Fans minimierte, ist die Entscheidung für die Crowdfunding-Kampagne eine Besonderheit im Filmgeschäft. Erstmals öffnet sich damit ein großes Studio einer alternativen Finanzierungsmöglichkeit.

Die Implikationen könnten weitreichend sein – theoretisch: Filmemacher und Fans bekommen mehr Entscheidungskraft, längst abgesetzte Serien könnten wiederbelebt werden. Vor allem bringt es die Zuschauer und die Filmwirtschaft näher zusammen. Entscheidend ist, ob sich die ganze Sache lohnt oder lediglich einen nostalgischen Wert für die Fans der Serie bereithält.

© Robert Voets / Warner Bros. Entertainment
© Robert Voets / Warner Bros. Entertainment

Aber lohnt das?

Obwohl Veronica Mars am Ende mehr als drei Millionen US-Dollar mehr einnahm als geplant, ist das Budget für einen zweistündigen Film im Vergleich zur klassischen Finanzierung verschwindend gering. Wie Thomas betont, war die Realisierung nur möglich, weil sich die Darsteller und Crew mit einer geringen Gage zufrieden gaben. Nur 23 Drehtage standen dem Team zur Verfügung. Dem Film sieht man das nicht an, aber es stellt sich die Frage, ob dieses Low-Budget-Modell nicht doch eine Ausnahme bleibt.

In etwa 290 US-Kinos lief Veronica Mars am vergangenen Wochenende an. Es ist kein gewöhnlicher Kinostart, denn Warner mietete diese Kinos vorab an. Im Gegenzug bekommt das Studio die kompletten Ticketeinnahmen anstelle der üblichen 50 Prozent. Knapp 242.000 Zuschauer sahen den Film am ersten Wochenende, was in etwa einem Erlös von zwei Millionen US-Dollar entspricht. Das sei nicht schlecht, aber zu wenig, um tatsächlich von einem Erfolg zu sprechen, schreibt Adam B. Vary auf Buzzfeed. Schließlich fehlten noch 3,7 Millionen US-Dollar, um die Produktionskosten wieder reinzuholen. Und wer, wenn nicht die Fans der Serie sollten ins Kino gehen?

Streaming ist keine Resteverwertung

Die Details stecken im Online-Verleih. Dass Warner die Kinos angemietet hat, ist nämlich dem Umstand geschuldet, dass Veronica Mars zeitgleich zum Kinostart auch online erscheint – jedenfalls in den USA. In Deutschland müssen die Fans noch auf einen VoD-Termin warten. In der Regel lassen sich die Kinobetreiber in den USA ein Exklusivfenster von 90 Tagen zusichern. Dass Warner mit Veronica Mars das umgeht, ist ein weiterer mutiger Schritt und gleichzeitig ein Eingeständnis an die Online-Community: Nur so ist garantiert, dass alle Unterstützer den Film auch zum Start sehen konnten.

Ganz ideal lief der Start nicht. Warner hatte den Kickstarter-Unterstützern zum Start lediglich einen Code für das eigene Streamingportal Flixster geschickt, was bei vielen nicht lief. Sie hatten gehofft, den Film auf Plattformen wie iTunes oder Amazon gratis sehen zu können. Inzwischen hat Warner reagiert und allen Spendern eine Erstattung angeboten, um den Film auch auf anderen Portalen kaufen zu können.

Den Startproblemen zum Trotz könnte das von den Studios oft als Resteverwertung geschasste VoD-Geschäft entscheidend sein. Nicht nur löst Veronica Mars das traditionelle Modell mit Vertriebsfenstern auf. Am Wochenende war der Film auf Platz drei der Filmcharts und die erste Staffel der Serie auf Platz eins der TV-Charts in iTunes. Die Mundpropaganda in den sozialen Netzwerken scheint also zu funktionieren und den Film auf diesem Weg zum Erfolg zu machen.

Und auch wenn Veronica Mars am Ende bloß ein Einzelphänomen ist, dass von einer Gruppe leidenschaftlicher Fans finanziert wurde: Eines hat der Film schon jetzt erreicht. Die großen Studios sind einmal mehr aufmerksam geworden auf die Möglichkeiten, die aus dem Netz kommen. Und auch für die pfiffige Detektivin muss es nicht der letzte Auftritt sein. Man habe sich mit Warner auf eine Zahl geeinigt, sagt Rob Thomas, bei der über einen weiteren Film nachgedacht wird.

 

Musik am Montag: Placebo

Lange gab es keinen Beitrag mehr in dieser Kategorie. Aber die beiden neuen Musikvideos von Placebo (erste Reaktion: „die gibt’s noch?“) sind doch sehr sehenswert. Lediglich drei Sekunden zeigen sie nämlich, bevor es mit Sherlock-Holmes-esker Kombinierfreude darum geht, die Bilder und die Geschichte dahinter aufzuschlüsseln. Als Erzähler konnte der Autor Bret Easton Ellis (American Psycho) gewonnen werden, was dann auch wieder zu den Bildern passt: Es geht nämlich um Mulholland Drive, um Drogen, Sex und einen Mord. Aber wir möchten nicht zuviel verraten.

Das zweite Video zu Loud Like Love gibt es hier.

(via)

 

Netzfilm der Woche: „SLR“

Grenzen sind nicht immer leicht zu definieren. Das stellt Elliott, der Protagonist aus Stephen Fingletons Kurzfilm-Thriller SLR eines Tages fest. Er überschreitet sie nämlich selbst: Er sammelt Bilder von leicht bekleideten Frauen im Park, Aufnahmen von versteckten Kameras in Umkleidekabinen, von sogenannter Voyeur-Pornografie. Doch als in seinem Stammforum plötzlich Bilder seiner eigenen 17-jährigen Tochter auftauchen, steht Elliott plötzlich auf der anderen Seite. Er macht sich auf die Suche nach dem Fotografen – und hinterfragt dabei seine eigenen Triebe.

Die Idee für SLR kam Fingleton, nachdem er einen Artikel gelesen hatte, in dem eine Journalistin herausfand, dass sie heimlich fotografiert wurde. Der Tipp kam ausgerechnet von einem Kollegen – der auf der gleichen Website, auf der die Bilder gepostet wurden, unterwegs war.

Sechs Jahre lang dauerte die Produktion von SLR von der ersten Idee bis hin zum fertigen Film, sagte Fingleton dem Blog One Small Window. So lange habe er benötigt, um die Finanzierung sicherzustellen, und ihn gleichzeitig nach seinen Wünschen drehen zu können. Zunächst sollte der Film nur 10 Minuten lang sein. Erst mithilfe einer Filmförderung des Britischen Filminstituts und zusammen mit einem erfahrenen Produzenten konnte Fingleton das Script schließlich auf 20 Minuten ausweiten.

Dass SLR auch in dieser Länge funktioniert, ist nicht nur den überzeugenden Schauspielern zu verdanken. Der Kurzfilm nimmt sich wie ein guter Thriller die Zeit, die innere Zerrissenheit seines Protagonisten herauszuarbeiten. Er erzählt dabei aber nicht die klassische Geschichte einer Läuterung: Fingleton weiß, dass sich sexuelle Vorlieben nicht einfach abstellen und unterdrücken lassen. In einer bemerkenswerten Szene zum Schluss blicken die Zuschauer – in dieser Situation gewisser Weise selbst Voyeure – dem Protagonisten ins Gesicht. Und fragen sich, ob er die Grenzen wirklich neu gezogen hat.

 

Kurzfilm: „The Ballad of a WiFi Hero“

Wir Älteren™, die Eltern über 50 haben, kennen das natürlich: Kaum kommt man zu Weihnachten, zu Geburtstagen oder anderen festlichen Anlässen zurück in die Heimat, ist der erste Aufgabe den Computer zu reparieren. Denn wenn GMX oder der Internet Explorer nicht funktionieren, die Maus beim Putzen aus dem USB-Port gerutscht ist oder der Virenscanner ein Update braucht, helfen nur noch die Sprösslinge, Schwiegersöhne oder Nachbarskinder als Retter. Der animierte Kurzfilm The Ballad of a WiFi Hero erzählt diese Geschichte in Pixeloptik und mit Retro-Humor. „Still, the Google did not load!“

(via)

 

„20 Jahre Kompakt“

Das WWW wird 25, das Kölner Plattenlabel Kompakt wurde kürzlich immerhin 20 Jahre alt. Zwei Jahrzehnte Musik an der Schnittstelle von Techno, Pop und Ambient. Aus dem Plattenladen in der Werderstraße wurde erst ein Label und später eine Künstleragentur. Minimal und Micro-House, Pop Ambient und Elektroschlager, Kompakt hat überall mitgerührt und Köln nachhaltig auf der deutschen Elektronik-Landkarte etabliert.

Aus Aufnahmen der vergangenen 20 Jahre hat Kompakt diese kleine Doku produziert. Es ist weniger eine zusammenhängende Erzählung, dafür gibt es viele Menschen beim Tanzen zu sehen und natürlich gute Musik – und darum ging es den Label-Gründern um Wolfgang Voigt, Michael Mayer und Jürgen Paape schließlich von Anfang an. Ich geh dann mal die alten Platten suchen…

 

Virale Videos: Gut gefälscht ist halb erfolgreich

                    fake

Es sind vier Buchstaben, die früher oder später unter Videos, Bildern oder Texten im Internet auftauchen: F-A-K-E. Fake! Eine Fälschung also, ein Trick, ein Schwindel, alles rein erfunden, heiße Luft, ein Satz mit X. Was bei einigen Kommentatoren scheinbar von reflexartiger Paranoia herrührt, hat gute Gründe. Denn je mehr Begeisterungspotenzial Inhalte im Netz bergen, desto kritischer wird in Zeiten von Photoshop und Spezialeffekten die Masse.

Auf YouTube lässt sich dieses Phänomen zurzeit gut beobachten. Einige der größten viralen Hits der letzten Wochen sind nämlich nichts weiter als gestellt, geflunkert und getrickst. Was in der Werbebranche schon lange eine bekannte Technik ist, scheint immer häufiger auch auf YouTube überzugreifen. In den meisten Fällen ist das harmlos. Ärgerlich aber ist es, wenn die Inhalte nicht eindeutig als Werbung oder erfunden erkennbar sind. Stattdessen werden die Zuschauer zum Klickvieh gemacht. Müssen wir deshalb jedes erfolgreiche Video künftig noch genauer hinterfragen?

Der Ping-Pong-Roboter

Wie irreführende Videos das Publikum im Netz verstimmen, erfährt gerade der Augsburger Roboter- und Anlagenbauer Kuka. Anfang Februar veröffentlichte das Unternehmen ein YouTube-Video. Der Tischtennis-Star Timo Boll forderte darin einen Roboter der Firma zu einem Duell heraus. Sofort kamen die Erinnerungen an die Duelle zwischen Garri Kasparow und dem Schachcomputer Deep Blue in den Neunzigern auf; der Kampf Mensch gegen Maschine und die Frage, ob ein Roboter tatsächlich mit der menschlichen Athletik mithalten kann.

Tatsächlich hat Kuka einen Roboter gebaut, der Tischtennis spielen kann. Etwas, das aber auch schon andere mit bescheideneren Mitteln hinbekommen haben (Update: Auch dieser Roboter ist fake). Was es allerdings nicht gab, ist ein richtiges Match. Es handelte sich um eine Werbeaktion. Am 11. März, dem Zeitpunkt des mutmaßlichen Duells, eröffnete Kuka nämlich eine neue Fabrik in China. Timo Boll war dabei, allerdings nicht zum Tischtennis spielen, sondern vor allem zum Händeschütteln. Denn schon einen Tag vorher veröffentlichte die Firma das Video des Aufeinandertreffens mit dem Roboter.

In dem vierminütigen Clip stolpert Boll zunächst dilettantisch vor den Schlägen des scheinbar übermächtigen Roboters. Nach und nach kämpft er sich zurück ins Spiel und gewinnt schließlich 11:9. Das Video trieft vor orchestraler Bombast-Musik, wilden Kamerafahrten und Zeitlupe. Es endet mit einer augenzwinkernden Botschaft: „Kuka – nicht die Besten im Tischtennis. Aber die besten Roboter.“

Über zwei Millionen Menschen sahen das Video bereits. Die Hälfte der Bewertungen und Kommentare sind negativ. Die Zuschauer fühlen sich zu Recht veräppelt. Das Unternehmen versprach etwas, dass es nicht gab: Ein ernst gemeintes Match zwischen Boll und dem Roboter.

Der fremde Kuss

Auch ein zweites virales Video hat Probleme mit der Authentizität. 37 Millionen Mal wurde First Kiss in nur vier Tagen bereits auf YouTube gesehen – es ist das erfolgreichste Video der Woche. Die Künstlerin Tatia Pilieva hat darin 20 fremde Menschen zusammengebracht und sich gegenseitig küssen lassen. Der Untertitel: „Und du glaubst Speed Dating ist peinlich?“

Abgesehen davon, dass die Aktion bloß ein Abklatsch der Videoserie Basorexia ist, hat First Kiss natürlich die Zutaten für einen viralen Hit: Es weckt Emotionen, erinnert an den eigenen ersten Kuss, ist gleichzeitig etwas peinlich und doch irgendwie leidenschaftlich. Da kann mal schon mal darüber hinwegsehen, dass es sich um Branded Content handelt, also von einem Unternehmen in Auftrag gegeben wurde.

Das Modelabel dahinter macht daraus auch gar keinen Hehl. Gleich zu Beginn des Videos erscheint der Markenname. Die meisten Zuschauer und Medien scheint das nicht weiter zu stören. Das muss es auch nicht unbedingt: Schließlich kann die Aktion ja dennoch authentisch sein.

Sie ist es nicht. Für das Video der gut angezogenen Menschen wurden nämlich keine 20 Männer und Frauen auf der Straße eingesammelt. Es handelt sich um Models und Schauspieler. Die hätten sich, so eine Sprecherin der Modemarke, vorher allerdings weder gekannt noch gewusst, um was es bei dem Dreh geht. Entsprechend „echt“ seien die Reaktionen im Video.

Andere, wie Amanda Hess von Slate, bezweifeln das. Sie glaubt, dass der Clip niemals so viral erfolgreich gewesen wäre, wenn er durchschnittlich aussehende Menschen zeigen würde. Das Video hätte einen anderen Dreh bekommen, hin zu einer unfreiwilligen Komik und weg von der mutmaßlichen Romantik der semiprofessionellen Küssenden. Vor allem aber widerspräche die Entstehung der Grundthese des Videos, sagt Hess: Es suggeriere die Schönheit zweier sich küssender Menschen. Tatsächlich zeige es aber die Schönheit von Models, die das spielen.

Der Wolf im Hausflur

Nicht jedes Fake-Video muss für ein Produkt stehen. Der US-Talkshowhost Jimmy Kimmel etwa hat die Videos inzwischen für sich entdeckt und sorgt auf YouTube immer wieder für virale Hits.

Vergangenes Jahr ließ er eine junge Frau beim Twerken über eine Kerze fallen und Feuer fangen. 15 Millionen Mal wurde das Video angeklickt. Doch es war gestellt. Ebenso wie die Handyaufnahme der Rodlerin Kate Hansen. Sie hatte bei den Olympischen Spielen in Sotschi mutmaßlich einen Wolf in ihrem Flur gefilmt. Es war aber nur ein wolfsartiger Hund, wie Kimmel einige Tage später in seiner Show zugab.

Für Kimmel sind die Videos gleichermaßen Comedy-Futter wie Medienkritik. Nur allzu willig gingen die großen Websites und Blogs auf die Videos ein und übernahmen sie ungeprüft. Verpackt als harmloses Homevideo scheinen sie schließlich keinen Absender mit versteckten Motiven zu haben. Das Beispiel zeigt, wie schwer es geworden ist, „echte“ Videos von gestellten zu unterscheiden.

Der Trip zurück in die Zukunft

Ein klarer Fall ist dagegen das Produktvideo des Hoverboards, das inzwischen 12 Millionen Klicks hat. Die Fans von Zurück in die Zukunft wissen natürlich sofort, worum es geht: Die Hoverboards sind Skateboards ohne Räder, die über dem Boden schweben. Seit Jahren sind sie Kult im Netz, tauchen doch regelmäßig Berichte über die bevorstehende Veröffentlichung auf.

Die Macher der fiktiven Firma HUVr zeigen in dem Clip den neuesten Prototypen des Hoverboards. Der Schauspieler Christopher Lloyd, der in Zurück in die Zukunft den Professor Doc Brown spielt, fährt stilecht mit einem DeLorean vor und lüftet das Produkt. Die Skateboard-Legende Tony Hawk und der Musiker Moby testen ihn gleich aus und schweben etwas ungelenk über der Straße. Ihr Fazit: eine echt coole Sache. Und so intuitiv.

Kaum etwas vermittelt den Eindruck, dass es sich bei dem Video tatsächlich um ein echtes Produkt handelt. Der Ton ist zu ironisch, die Aufnahmen zu schräg. Es ist ein Jux, für den sich das Comedy-Portal Funny or Die einige Tage später verantwortlich zeigte. Die Kommentatoren auf YouTube nahmen es größtenteils sportlich. Dennoch entschuldigte sich Tony Hawk inzwischen bei den Zuschauern: Einige hatten das Video tatsächlich ernst genommen.

Hätten sie doch bloß auf die „Fake!“-Rufer gehört. Die sind zwar ebenso nervig wie die gefälschten Werbeclips im Netz, liegen immer häufiger aber richtig.

 

Tempelhof, die „Mutter aller Flughäfen“

Die Sache mit der Tempelhofer Freiheit ist für Nichtberliner nicht leicht zu verstehen. Man muss es wohl gesehen haben, diese riesige Freifläche inmitten der Stadt, größer als der Hyde Park und der Central Park. Seit der Stilllegung des ehemaligen Flughafens wird über eine Nutzung des Tempelhofer Feldes diskutiert.

Ziemlich kuriose Vorschläge gab es, realistischer ist der Bau einer neuen Zentral- und Landesbibliothek. Und vielleicht auch neuen Wohnraums? Sicher ist, dass eine Mitte zwischen städtischem Entfaltungsraum und Investorenwünschen gefunden werden muss, damit dieser Ort auch in Zukunft so besonders bleibt. PBS Digital Studios haben das Tempelhofer Feld besucht und mit Martin Pallgen vom Tempelhof Projekt über die Geschichte und Zukunft der Fläche gesprochen.