Stell‘ Dir vor, es ist Europawahl, und auf dem Wahlzettel stehen statt CDU oder SPD die Namen europäischer Parteien.
Wie sich das anfühlen könnte, dies vermag ein Tool näher zu bringen, das ähnlich dem in diesem Blog bereits angesprochenen Wahl-O-Mat funktioniert (siehe die Beiträge von Henrik Schober und mir): der Votematch Europe (www.votematch.net). Das Amsterdamer Instituut voor Publiek en Politiek (IPP), die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und das Web-Portal EUdebate2009 haben dieses Angebot zusammen mit einem europäischen Netzwerk von politischen Bildungseinrichtungen entwickelt.
Zunächst einmal funktioniert Votematch ähnlich wie der Wahl-O-Mat. Dem User werden 25 Thesen aus dem Europawahlkampf gezeigt, zum Beispiel „Die EU sollte eine gemeinsame Armee haben“ oder „Die EU sollte eine gemeinsame Datenschutz-Richtlinie entwerfen“. Der Nutzer kann pro These eine von drei Antwortmöglichkeiten anklicken: „einverstanden“, „nicht einverstanden“ oder „weder noch“. Der Votematch kalkuliert, welche Partei dem jeweiligen User mit Blick auf die 25 Thesen am nächsten steht.
Aber gerade hier liegt die Pointe: Der Votematch zeigt nicht nationale Parteien an, die die Wähler auf ihren Wahlzetteln finden werden. Sondern dem User wird die jeweilige Nähe zu den Parteiformationen des Europäischen Parlaments angezeigt. So sind die 25 Thesen im Vorfeld nicht von der CDU, der SPD oder einer sonstigen nationalen Partei beantwortet worden, sondern von den paneuropäischen Parlamentsgruppen wie der EVP- oder der SPE-Fraktion.
Auf den ersten Blick ist es bemerkenswert, dass es gelungen ist, wirkliche „europäische“ Thesen zu finden, zu denen die Fraktionen des Europäischen Parlaments in den meisten Fällen klare Positionen bezogen haben – aber nur in den „meisten“. So hat sich die „Independence/Democracy Group“ bei zehn Fragen enthalten, was nur bedingt überraschen kann. Diese Fraktion setzt sich aus sehr unterschiedlichen nationalen Parteien zusammen, die sich eigentlich nur in ihrer Skepsis gegenüber der europäischen Integration einig sind.
Es bleibt dann noch die Frage, was der User mit dem angezeigten Ergebnis anfangen soll. Eine Wahlhilfe kann (und soll es) es nicht sein, denn der Wähler wird wie gesagt vergeblich die angezeigte Parteigruppe auf dem Zettel suchen. Und ob wirklich jeder weiß, welche deutsche Partei Mitglied der „EVP“ oder der „ELDR“ ist? Schließlich: Wird die Fraktion „Independence/Democracy“ angezeigt, stehen die deutschen User vor dem Problem, dass in dieser Gruppe bislang überhaupt keine Partei aus Deutschland vertreten ist.
Der Votematch wirft also Fragen auf, er informiert und kann auf das neugierig machen, was es an Parteienzusammenarbeit auf europäischer Ebene schon gibt. Er ist ein wirklich „europäisches“ Tool. Zugleich aber macht dieses Online-Angebot klar, was noch an politischer Bildungsarbeit geleistet werden muss, bis auf dem Wahlzettel die Namen europäischer Parteien stehen werden.