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Franz Kafka (1883–1924): Ein Rätsel, das immer modern bleibt

 

Kafka Interpretation
Interpretation einer Szene aus Kafkas Der Prozess. © ZEIT ONLINE/Jonathan Sterz

Kafkas Werk steht für sich: Es ragt aus dem Fundus moderner Literatur heraus wie kein anderes. Was macht gerade die Texte Franz Kafkas so unverwechselbar?

 

Kafkas Protagonisten haben es schwer. Sie erwachen aus unruhigen Träumen und finden sich im Bett zu einem Ungeziefer verwandelt. Sie werden angeklagt und aufs Schaffott geführt, ohne dass sie wüssten warum. Ein Mann verendet nach lebenslangem Warten auf Einlass am Tor. Ein anderer ertränkt sich im Fluss, weil sein Vater es ihm befiehlt.

Alptraumhafte Szenarien kennzeichnen Kafkas Werk. Er beschreibt sie mit derselben kühlen Distanz eines Bürokraten, die oft auch seine Figuren beseelt. Gerade dieser Stil, das Zurückgenommene gegenüber dem Unerhörten, macht Kafkas Erzählungen auf eine einzigartige Weise unergründlich. So unergründlich sogar, dass es dafür ein eigenes Adjektiv gibt.

Sehr wohl können wir aber ergründen, was das Kafkaeske ausmacht. Wie kann man Kafka interpretieren? Was sind seine wichtigsten Werke? Und woher kommt Kafka überhaupt? Was ist er für ein Mensch? Mit diesen und weiteren Fragen, die für die Unterrichtsvorbereitung oder das Lernen vor den Klausuren relevant sein können, beschäftigen wir uns in diesem Text.

Zur Einordnung: Was kennzeichnet die Moderne?

Kafkas Literatur zählt zur Epoche der literarischen Moderne. Die bricht zur Schaffenszeit Kafkas gerade erst an. Die Moderne als Literaturepoche zeichnet sich durch eine fragmentierte Weltsicht, Subjektivität und ihre Offenheit für Experimente aus, sie schließt verschiedenste Schreibstile ein. Dass Kafkas ganz eigene Sicht auf die Welt in seinem eigenwilligen Stil so deutlich zutage tritt, kann man daher als ein typisches Epochenmerkmal betrachten.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entsteht ein neues Lebensgefühl. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse lassen die Welt zunehmend komplexer erscheinen. Albert Einsteins Relativitätstheorie stürzt die Physik in eine Sinnkrise. Sigmund Freud begründet die Psychoanalyse als eigene Wissenschaft. Das Ich, das Seelenleben, rückt in den Fokus der Anschauung. Freud zeigt, dass der Mensch sein Denken und Handeln nicht uneingeschränkt kontrolliert. Seine Arbeiten üben auf viele Schriftsteller großen Einfluss aus.

Während der Mensch auf geistiger Ebene verunsichert ist, findet er sich auf gesellschaftlicher Ebene von einem makellos funktionierenden Staat regiert. Nie zuvor war die Arbeitsteilung effizienter als jetzt. Das zieht jedoch gleichsam eine überdimensionierte Bürokratie nach sich. Der Einzelne steht dem bürokratischen System oftmals entfremdet gegenüber. Es entsteht ein neues Bewusstsein: Die Welt ist so unüberschaubar, dass der Mensch sie nur noch bruchstückweise versteht.

Zusammen mit dem Lebensgefühl verändert sich auch die Literatur. Sie richtet ihr Augenmerk nun oftmals auf einen einzelnen Menschen und beschränkt sich auf dessen ganz bestimmte Sicht auf die Welt. Viele Geschichten werden aus der Perspektive ihrer Hauptfiguren erzählt. Deren innere Monologe und Bewusstseinsströme sind typische Erkennungszeichen für Texte der literarischen Moderne. Außerdem entsteht die erlebte Rede, bei der oft nicht klar wird, wer gerade spricht: die Figur oder der Erzähler. Der allwissende Erzähler hingegen, der schon im Naturalismus nur noch selten erscheint, verschwindet zunehnemd.

Anders als andere Literaturepochen ist die Moderne weder stilistisch noch zeitlich klar abgrenzbar. Sie beginnt um die Jahrhundertwende, um 1900, und wird erst durch die Postmoderne ab den 1950er Jahren abgelöst. Obwohl die Epoche der literarischen Moderne als abgeschlossen gilt, gibt es moderne Schreibweisen noch heute.

Kafka 1906
Franz Kafka (Fotografie aus dem Atelier Jacobi, 1906). Quelle: Wikimedia

Zur Person Franz Kafka

Gerade die Bürokratie bereitet Kafka viel Sorge: Ein lähmender Bürokratieapparat begleitet viele der Figuren aus seinen Geschichten. Oft kreisen Kafkas Erzählungen um das Thema Justiz. Ein Blick auf Kafkas Biografie erklärt, warum das Thema ihn so sehr beschäftigt.

1883 wird Kafka in eine jüdische Kaufmannsfamilie in Prag geboren. Kafka wächst in einer großen deutschsprachigen Enklave mitten in Prag auf, seine Familie spricht Deutsch. Deutsche Schulen, Universitäten, Theater und Zeitungen prägen seine kulturelle Umgebung. Die Kulturstadt Prag wird zeitlebens Kafkas Lebensmittelpunkt darstellen.

Schon zu Schulzeiten interessiert sich Kafka für Literatur. Trotzdem kann er sich nicht dazu durchringen, ein literaturwissenschaftliches Studium aufzunehmen. Sein autoritärer und geschäftstüchtiger Vater, Hermann Kafka, drängt ihn dazu, Jura zu studieren. Unterschiedlicher könnten Vater und Sohn kaum sein: Hermann Kafka hat sich aus armen Verhältnissen hochgearbeitet und es zu beruflichem Erfolg gebracht. Er führt ein bürgerliches Leben. Franz interessieren solch lebensweltliche Dinge nur wenig. Verständnis dafür sucht er bei seinem Vater vergeblich.

Franz Kafkas Sensibilität und Feingeist legt ihm der Vater als Schwäche aus. Gegenüber dem Sohn verhält sich Hermann Kafka despotisch, grob und selbstgerecht. Der Vater-Sohn-Konflikt wird Franz Kafka zeitlebens verfolgen und zieht sich leitmotivisch durch sein gesamtes literarisches Werk. Dem Wunsch nach Anerkennung vom jähzornigen Vater folgend, schließt Franz Kafka das Jurastudium ab und promoviert. Anschließend arbeitet er erfolgreich als Jurist in einem Versicherungsunternehmen.

Seiner Leidenschaft – der Literatur – geht er im Privaten aber weiterhin nach. Er schließt sich Autorenzirkeln in Kaffeehäusern an, bei denen sich Prager Literaten treffen und über ihre Texte diskutieren. Hier macht Kafka Bekanntschaft mit dem Schriftsteller Max Brod, der sein engster Freund und Vertrauter wird. Die beiden unterscheiden sich stark. Doch Brod wird Kafka sein Leben lang unterstützen und beraten.

Brod ist es auch, der Kafka zum weiteren Schreiben und zur Veröffentlichung seiner Texte drängt. Damit ist der von Selbstzweifeln geplagte Kafka jedoch sehr vorsichtig. Nur ein Bruchteil seiner Texte erscheint zu seinen Lebzeiten. Nach Kafkas Tod an Tuberkulose 1924 trifft Brod eine schwerwiegende Entscheidung: Kafka wollte all seine unveröffentlichten Manuskripte verbrannt wissen. Doch entgegen seiner an Max Brod adressierten Verfügung entschließt sich sein bester Freund dazu, Kafkas Texte posthum zu veröffentlichen. Keine leichte Entscheidung. Aber hätte Max Brod Kafkas Willen befolgt, gäbe es heute einige Meisterwerke der Weltliteratur weniger.

Kafkas Schreiben: Präzise Sprache, verwirrte Handlung, angepasste Charaktere

Um Kafkas ganz spezifischen Stil zu verstehen, sollte man einige seiner wichtigsten Werke genauer betrachten. In den Jahren 1912 und 1913 hat Kafka eine äußerst produktive Schaffensphase. Mit seiner Novelle Das Urteil erreicht der Schriftsteller einen Durchbruch. Sie gehört zu den wenigen Texten, die Kafka zu Lebzeiten veröffentlicht. Mit ihr beginnt außerdem die Herausbildung von Kafkas ganz persönlichem Stil.

Das Urteil

Die Erzählung entsteht in nur einer einzigen Nacht – Kafka schreibt bis tief in den Morgen. Diese für ihn ideale Schreibbedingung strebt er auch später an. Zwangsläufig zieht ihm das Berufsleben dabei immer wieder einen Strich durch die Rechnung.

Das Urteil handelt von einem Vater-Sohn-Konflikt, der lange schwelt, bis er endlich eskaliert, weil der Sohn heiraten will. Als der Protagonist Georg Bendemann erfährt, dass sein Vater dem gemeinsamen Brieffreund Details über den beruflichen und privaten Erfolg Georgs verrät, ist er zutiefst gekränkt. Weder beachtet sein Vater Georgs Privatsphäre, noch berücksichtigt er, dass die Schilderungen den weniger erfolgreichen Brieffreund verletzen könnten. An diesen zwei eklatant unterschiedlichen Charakteren entzündet sich ein Konflikt. Im Streit wirft der Vater dem Sohn vor, das Familiengeschäft an sich gerissen und eine für ihn unwürdige Verlobte ausgewählt zu haben. Schließlich verurteilt der Vater den Sohn zum Ertrinken. Daraufhin stürzt Georg Bendemann zum Fluss und vollstreckt in vorauseilendem Gehorsam das grausame Urteil des Vaters selbst – mit den Worten: „Liebe Eltern, ich habe euch doch immer geliebt.“

Franz Kafka: Das Urteil, gelesen von Hans-Jörg Große

Autobiografische Bezüge sind hier schwer zu verleugnen. Kafkas Vater hat sich tatsächlich gegen dessen Heiratswünsche gestellt. Abgesehen von den Parallelen auf handlungs- und figurenpsychologischer Ebene ist auch der präzise Stil der Erzählung interessant: Die Sprache Kafkas ist schlicht und knapp, schnörkelfrei. Adjektive sind rar. Alle Details beziehen sich aufeinander. Außerdem zeigt sich in Das Urteil Kafkas charakteristische Erzählstrategie: Der Text zieht den Leser in seinen Bann, indem er die Perspektive des Protagonisten wählt. Dessen Selbsttäuschungen erlebt der Leser aus erster Hand. 1912 bedeutet diese Erzählform, die den Leser verstört, einen radikalen Bruch mit der Konvention. Der Erzähler als allwissende Instanz existiert hier nicht, und plötzlich geschehen groteske, unerklärliche Dinge, die der Leser alleine deuten muss.

Die Verwandlung

Noch potenziert tritt das Groteske in Kafkas Erzählung Die Verwandlung zutage, seiner womöglich bekanntesten. Die Verwandlung, entstanden 1912, veröffentlicht 1916, handelt von einem Mann, der über Nacht zu einem mannsgroßen Käfer mutiert ist. Die Novelle beginnt mit einem der bekanntesten ersten Sätze der Weltliteratur: „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.“ Seiner Verwandlung messen weder der Protagonist noch dessen Familie große Bedeutung bei. Gregor glaubt zunächst an eine vorübergehende Situation. Die Sorgen der Samsas kreisen darum, wie sich ihre Probleme verheimlichen und Einschnitte vermeiden lassen. Doch lange ist dieser Zustand nicht haltbar. Vor seiner Verwandlung hat Gregor den Lebensunterhalt der Familie alleine verdient. Nun, da er nicht mehr arbeiten kann, müssen Eltern und Schwester arbeiten gehen. Dem in seinem Zimmer fortan eingesperrten Gregor Samsa wird nach und nach bewusst, dass er in dieser Form seiner Familie nur mehr eine Last ist. Man demütigt ihn. Kommunikation ist unmöglich, da er nicht sprechen kann. Mutter und Schwester meiden ihn, sein Zimmer wird zur Abstellkammer. Als der autoritäre Vater ihn in einem Wutanfall mit Äpfeln bewirft, erleidet Gregor eine schwere Verletzung. Geschwächt, schuldbewusst und bereitwillig erwartet er seinen Tod. Die Familienmitglieder atmen auf und blicken einem Neuanfang entgegen.

Wem oder wozu dient Gregors Verwandlung? Steht sie zu Beginn für eine Revolte gegen den Vater und den Beruf? Am Ende jedenfalls scheint Gregor selbst der Verlierer zu sein. Sein ekelerregendes Äußeres wird zum Spiegel seiner innerlichen Befindlichkeit.

Wie schon in Das Urteil verwendet auch Die Verwandlung Erzählstimme und -perspektive so, dass das Geschehen skurril wirken muss: Beinahe durchgängig erzählt Kafka in der dritten Person, dabei aber stets aus der Perspektive Gregor Samsas. Lediglich nach Gregors Tod muss die Erzählperspektive notgedrungen in eine übergeordnete übergehen. Die ungeheuerliche Handlung und der unaufgeregte, fast teilnahmslose Erzählton entfremden den Leser vom Geschehen. Darum gelingt ihm, was dem Protagonisten misslingt: Er wird in kritische Distanz zum Geschehen gerückt. Kafka lässt den Leser allein. Weder liefert er Erklärungen noch empört er sich – in Gestalt seiner Protagonisten – über unrealistische Begebenheiten. Trotz der geschaffenen Distanz wird das Leidensgefühl des Protagonisten greifbar.

Der Prozess

Der Roman Der Prozess, entstanden 1914, klingt ähnlich albtraumhaft an: Aus der Perspektive des Protagonisten Josef K. wird die Geschichte seiner mysteriösen Verhaftung sowie der anschließenden Verurteilung erzählt. Die Handlung setzt am Morgen seines 30. Geburtstags mit Josef K.s Verhaftung ein und endet am Vorabend seines 31. Geburtstags mit seiner Hinrichtung mit dem Fleischermesser. Wieder zeigt sich Kafkas ganz eigene Erzähltechnik, die beim Lesen so beengend wirkt: Unbeeindruckt versucht der verhaftete Josef K., sein Leben möglichst ohne Änderungen weiterzuleben, und stellt sich auf die unnormale Situation ein. Er ist zwar verhaftet, sitzt jedoch nicht im Gefängnis. Er kann tagsüber seinem Beruf nachgehen, wird aber rund um die Uhr bewacht. Ab und an wohnt er einem undurchsichtigen Prozess bei, dessen labyrinthische Wirrungen er mit stoischem Gleichmut erträgt. Zu keinem Zeitpunkt erfahren Josef K. oder der Leser den Grund für die Verhaftung. Welches Verbrechen soll Josef K. begangen haben? Welche Art von Schuld trifft ihn? Es wird nicht einmal klar, wer die verurteilende Instanz ist. Der Protagonist spricht von Unschuld, verhält sich jedoch von Beginn an wie ein Schuldiger. Anstandslos fügt er sich in sein Schicksal.

Zentral für diese Erzählung ist die Atmosphäre des Ausgeliefertseins an eine namenlose Obrigkeit. Im gewissenhaften Bestreben, nichts falsch zu machen, zeigt sich Josef K.s Beamtenmentalität. Diese hindert ihn zunehmend daran, die Prozesse des lebensfeindlichen, unumgehbaren Bürokratieapparats zu durchschauen oder zu hinterfragen. Neben der kafkaesken Erzählsituation macht vor allem die Thematik den Text zu einem ausgesprochen modernen: Es entsteht das Bild der Selbstentfremdung eines Menschen, der zu einer bloßen Akte degradiert wird und vor einem übermächtigen System steht, das keinen externen Sinn mehr erkennen lässt. Unterstrichen wird dieses Gefühl durch die detailgenauen Schilderungen des Geschehens, die den Gesamtsinn jedoch völlig unbehelligt lassen.

Und wie soll man Kafka nun verstehen?

In der Literaturwissenschaft wurde bei der Interpretation von Kafkas Texten häufig nach Parallelen zu seiner Biografie gesucht. Für eine biografische Lesart sprechen nicht nur Thematik und Figurenkonstellationen. Die Namen der Figuren selbst schreien förmlich nach einer solchen Interpretation: So heißen sie Gregor Samsa, Josef K. oder lediglich K.; die Frauenfigur in Das Urteil trägt den Namen Frieda Brandenfeld – mit den gleichen Initialen wie Kafkas Verlobte Felice Bauer. Da Kafka zudem viele seiner Manuskripte in seinen Tagebüchern notiert hat, verschwimmen bisweilen die Grenzen zwischen Literarischem und Privatem.

Ein besonders umstrittener Text Kafkas ist der etwa 100 Seiten umfassende Brief an den Vater, der vermutlich tatsächlich einmal für seinen Vater bestimmt war. Kafka hat sich jedoch nie dazu durchgerungen, ihm den Brief zu überreichen. Der 1919 entstandene Brief stellt zugleich Abrechnung, Analyse und Rechtfertigung dar. Kafka skizziert eindringlich die aufbrausende, fleißige und selbstgerechte Persönlichkeit des Vaters und stellt sie derjenigen des Sohnes gegenüber. Dem Vater, der sein eigenes Handeln nie hinterfragt und sich allein aufgrund seiner Autorität immer im Recht sieht, sind die eigenen Widersprüchlichkeiten herzlich egal. In seinem Jähzorn kann es passieren, dass er heute das Gegenteil von gestern behauptet. Er erscheint als eine sehr viel einfachere, aber auch lebenstüchtigere Person als der Sohn, welcher dahingegen viel grübelt, sich nie entscheiden kann und realitätsfernen Träumen anhängt. Kafkas Sensibilität und sein Gespür für Feines legt ihm der Vater als Schwäche und unnötige Befindlichkeit aus. Der Zusammenprall dieser zwei Persönlichkeiten, so Kafkas Quintessenz, sei schlichtweg fatal.

Franz Kafka: Brief an den Vater, gelesen von Hans-Jörg Große

Der Brief an den Vater hat bei Kritikern große Debatten ausgelöst: Streng genommen ist dieser Brief ja gar kein Brief, weil er seinen Adressaten nie erreicht hat. Außerdem ist er sehr literarisch geschrieben. Lassen sich die darin geschilderten Tatsachen für bare Münze nehmen? Wie viel Biografie steckt in dem Brief und wie viel Fiktion? Und wo soll man ihn veröffentlichen? Zusammen mit Kafkas Gesamtwerk oder mit seinen Tagebüchern und seinem Briefwechsel?

Hieran schließt eine andere literaturwissenschaftlich relevante Fragestellung an: Wie viel Gewicht soll bei der Interpretation von Texten überhaupt dem Autor gegeben werden? Sollte man Texte nicht lieber losgelöst von ihrem Verfasser betrachten? Es gibt Literaturwissenschaftler, die davon ausgehen, dass der Autor zunehmend hinter dem Text verschwinden sollte. Sie fragen nicht mehr nach der Intention des Autors. Stattdessen rückt der Leser in den Vordergrund. Wenn man der Biografie und der Psychologie des Autors weniger Beachtung schenke, hätten die Leser mehr Raum für eigene und neue Interpretationen. In diesem Zusammenhang spricht man auch vom „Tod des Autors“ sowie der „Geburt des Lesers“.

Diese Betrachtungsweise ist als Appell an alle Leserinnen und Leser zu verstehen, Kafkas rätselhafte Bilder stets aufs Neue zu interpretieren. Aus ihnen lässt sich weitaus mehr herauslesen als biografische Bezüge. Ein eingrenzendes und lebensfeindliches System mit Irrwegen, eine fatale Verwandlung, ein so deplatziertes wie folgenschweres Urteil – all dies sind Bilder, die sich stets mit neuen Bedeutungen aufladen lassen.

Wichtigste Werke von Franz Kafka

Der Verschollene / Amerika
Das Urteil
Die Verwandlung
In der Strafkolonie
Der Prozess
Brief an den Vater
Ein Landarzt (Erzählband)
Das Schloß
Ein Hungerkünstler (Erzählband)

Weiterführende Quellen

Zur Entstehung des Begriffs der Moderne (docupedia.de)
Den Begriff von der Modernen Literatur prägt 1886 eine Schriftstellergruppe in Berlin. Er soll das absolut Neue, das Vorblidlose, den vollständigen Verzicht auf ästhetische Traditionen bezeichnen.

Franz Kafka (S. Fischer Verlag)
Aufschlussreiche Informationen über Kafkas Biografie, seine einzelnen Werke, seine Beziehungen. Samt Bonus: 99 Fundstücke sowie Dinge, die man schon immer über Kafka wissen wollte. Erarbeitet vom S. Fischer Verlag in Frankfurt.

Kafkaesk (Alexander Schlegel)
Zum Stöbern über Kafka und die Prager Kulturwelt.

Kafka im Projekt Gutenberg (Spiegel Online)
Das Projekt Gutenberg bietet neben Informationen zu Kafka und seinem Werk viele seiner Schriften kosten- und lückenlos im Internet.

Ehemaligenverein: Franz Kafka (ZEIT Campus Nr. 06/2014)
Ein Porträt von Kafkas Leben. Wie kam er zu seinem Studium, seinem besten Freund, zu seinem Wunsch nach Einsamkeit?

Literarisches Erbe: Wem gehört Kafka? (DIE ZEIT Nr. 48/2009)
Ein Streit um das Erbgut: Wem gehören heute die Handschriften des bedeutendsten jüdischen Schriftstellers deutscher Sprache? Den Erbinnen von Max Brod oder dem Staat Israel?

Wie Kafka unsere Facebook-Existenz voraussah (DIE WELT Feuilleton, 31.01.2014)
Was hat Kafka mit Facebook zu tun? Ein Beispiel dafür, wie man Kafka heute interpretieren kann.

Franz Kafka im Archiv Klaus Wagenbach (Klaus Wagenbach)
Der Berliner Verleger Klaus Wagenbach ist leidenschaftlicher Kafka-Experte und hat seit 1951 Bilder aus Kafkas Leben gesammelt und mit Kommentaren versehen veröffentlicht.

Kafkas Welt in einem Kästchen (Frankfurter Allgemeine Feuilleton, 19.04.2008)
Hier erzählt der Verleger Klaus Wagenbach der FAZ, wie er sich in die Texte Franz Kafkas verliebte und sich auf eine langjährige Spurensuche machte.

Kafka. Ein Spielfilm von Steven Soderbergh (YouTube)
Ein Film über Kafka, der biografische und literarische Elemente des Schriftstellers ineinanderlaufen lässt.

Klassiker der Weltliteratur: Franz Kafka (BR Mediathek)
Tilman Spengler erklärt in dieser Sendung, warum das Wort „kafkaesk“ durch seinen überproportionalen Gebrauch an Bedeutung verliert. Und warum man Kafka damit keinen Gefallen tut.

Druckfrisch. Denis Scheck empfiehlt: Reiner Stach „Kafka. Die frühen Jahre“ (Druckfrisch, Das Erste)
Reiner Stach hat eine Biografie mit außergewöhnlichen Details über Kafka herausgegeben. Ein Bericht darüber, was am Leben eines berühmten Schriftstellers so faszinierend sein kann.

Des Dichters Schatten (Tagesspiegel, 21.09.2014)
Über Reiner Stachs 2027 Seiten umfassende Kafka-Biografie.

Biograf Reiner Stach: Was für ein Kind war Franz Kafka? (Frankfurter Allgemeine, 10.10.2014)
Was für ein Kind war Kafka? Ein Interview mit Kafkas Monumental-Biografen Reiner Stach.

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