Lesezeichen
 

Literatur der Aufklärung

Aufklärung Ephraim Gotthold Lessing Literatur
Statue des Aufklärungsschriftstellers Ephraim Gotthold Lessing © Matthias Hiekel/dpa

Die Literatur der Aufklärung kann datiert werden auf die Zeit zwischen 1720 und 1800, sie folgt damit auf den Barock, wird begleitet von den Autoren der Empfindsamkeit und liegt noch vor der Epoche der Klassik. Als ihre Gegenbewegung wird die Epoche des Sturm und Drangs eingestuft. Die Aufklärung begründet ein neues, naturwissenschaftliches Weltbild, das die Vernunft (den Rationalismus), die Wahrnehmung durch unsere Sinne (Sensualismus) und die Erfahrung (Empirismus) zu den Quellen aller Erkenntnis erhebt. Erkenntnis bedeutet die Erschließung wahrheitsgemäßer, überprüfbarer Aussagen über alle Bereiche der Welt.

Vor allem ist die Aufklärung gekennzeichnet vom Aufstieg des Bürgertums sowie vom Niedergang des Adels. Dessen von Willkür geprägte Herrschaft wird beendet. Der Adel des 18. Jahrhunderts stand im Ruf, rücksichtslos und gleichgültig gegenüber den Konsequenzen seiner Handlungen zu sein. Das Bürgertum wird in der Aufklärung gebildeter und vermögender und entwickelt eine Moralauffassung, die sich der Haltung des Adels entgegenstellt. Es stellt das Wohl der Gesellschaft über das Wohl der Privilegierten und erklärt die Bildung des Individuums zu seinem wichtigsten Ideal.

Viele Aufklärer kritisieren außerdem den Dogmatismus der Kirchen und deren Deutungshoheit im Diskurs. Überhaupt geht es den Aufklärern vor allem darum, herrschende Machtstrukturen zu durchbrechen und ein System herzustellen, das die Interessen jedes Einzelnen wahrt. Die Philosophie der Aufklärung kann als grundlegend gelten für die heute weitgehend säkulare Gesellschaft Europas und ihr Verständnis von individueller Freiheit, Gleichheit und Gerichtbarkeit.

„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Erste aufklärerische Gedanken stoßen Philosophen vor allem in Frankreich und Großbritannien an. 1641 veröffentlicht der Franzose René Descartes die Meditationes de prima philosophia und legt damit einen Grundstein für radikale Skepsis. Baruch de Spinoza und Pierre Bayle fordern die Säkularisierung von Staat und Gesellschaft und kritisieren die strenge Herrschaft der Kirche. Gottfried Wilhelm Leibniz erklärt, jeder Mensch sei prinzipiell zur Vernunft begabt. Jean-Jacques Rousseau appelliert an das Herz und an die „Empfindsamkeit“ und begeistert sich in seinem Gesellschaftsvertrag für die Demokratie. 1687 begründet Isaac Newton mit der Veröffentlichung der Philosophiae Naturalis Principia Mathematica die moderne Physik.

Während Descartes, Spinoza und Leibniz mit ihren Schriften den philosophischen Rationalismus vertreten, wenden sich ihre Fachkollegen in Großbritannien dem britischen Empirismus zu: John Locke veröffentlicht Abhandlungen über den Staat und behauptet die Freiheit des Willens, David Hume stellt die Sinneseindrücke vor den Verstand und eine gesicherte Welterkenntnis damit grundlegend infrage. Unter dem Einfluss des englischen Bürgerkriegs schreibt Thomas Hobbes schon 1651 sein Hauptwerk Leviathan und versucht darin, Grundlagen für eine kritische Staatsphilosophie zu finden.

Von Hume inspiriert betritt schließlich der deutsche Philosoph Immanuel Kant die historische Bühne. Kants Kritik der reinen Vernunft erschüttert das europäische Weltbild nachhaltig. In seinem berühmten Essay Was ist Aufklärung (1784) definiert er die Aufklärung: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

Die Literatur wird zum Mittler zwischen Bürgertum und Philosophie

Die Literatur der Aufklärung begleitet diese Entwicklung und begünstigt sie. Sie bildet das Bindeglied zwischen einer Philosophie, die sich nur wenigen Gelehrten erschließt, und dem zunehmend wohlhabenden und gebildeten Bürgertum, das sich politisch behaupten will. Ihre Schriftsteller fordern die Vermeidung des Fantastischen, sie wollen Klarheit und Deutlichkeit in Aufbau und Stil und wünschen sich feste Gattungen. Das führt zu einer besonderen Vielzahl an neuen literarischen Gattungen. Die meisten haben gemeinsam, dass sie sich um die Bildung und die Erziehung ihrer Leser zur Moral bemühen, also didaktisch sind. Beispiele sind das Lehrgedicht, die moralisiserende Fabel, der Erziehungsroman und der Staatsroman sowie die didaktische Satire. Auch das Drama zählt zu den Gattungen, die die Aufklärung bestimmen. Viele Schriftsteller vertreten die moralischen Ideale der griechischen Antike, nach denen sich, so die gängige Überzeugung, das Zusammenleben der Menschen besser gestalten ließe. So sind die meisten Aufklärer überzeugte Anhänger des Humanismus und der Toleranz auch in Glaubensfragen. Wieder modern geworden war diese Geisteshaltung während der Renaissance. Die ersten wichtigen deutschsprachigen Aufklärer heißen Albrecht von Haller und Johann Christoph Gottsched, es folgen Christian Ludwig von Hagedorn und Christian Fürchtegott Gellert, die sich der Empfindsamkeit öffnen, und schließlich Gotthold Ephraim Lessing, Christoph Martin Wieland und Johann Heinrich Pestalozzi.

Lessings letztes Werk Nathan der Weise ist heute auch sein berühmtestes. Darin behandelt er die zentralen Ideen der Aufklärung, den Humanismus und den Toleranzgedanken. Lessing begründet außerdem das bürgerliche Trauerspiel, das neben der Fabel zur literarischen Hauptgattung der Aufklärung wird. Zuvor war es üblich, bürgerliche Themen in Komödien zu behandeln, während Trauerspiele, also Tragödien, dem Adel vorbehalten waren. Nun aber publiziert Lessing mit seinem Trauerspiel Emilia Galotti (1772) ein politisches Stück, das eine Bürgerliche in den Mittelpunkt seiner Handlung stellt. Ein politisch hochbrisantes Unternehmen, denn Lessing thematisiert darin den Konflikt zwischen Adel und Bürgertum.

Die Epoche der Aufklärung gipfelt in der Französischen Revolution

In der Kunst beginnt eine angeregte Diskussion über die Theorie der Schönheit. Ergebnis ist in der Philosophie die Disziplin der Ästhetik, die sich mit der sinnlichen Wahrnehmung befasst. Als ihr Begründer in Deutschland gilt Alexander Gottlieb Baumgarten mit seiner 1735 erschienenen Dissertation Meditationes philosophicae de nonnullis ad poema pertinentibus.

Realpolitisch gipfelt die Aufklärung in der Französischen Revolution 1789, die den Absolutismus beendet und die Entwicklung der modernen Demokratien einleitet. Nur Wochen nach dem Sturm der Bastille verabschiedet die erste französische Nationalversammlung eine Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, die zur Präambel einer neuen Verfassung wurde.

Aufklärung: Ausgewählte Artikel und Materialien zum Thema:

Grundlagentexte

Literaturwissenschaftliche Grundbegriffe Online (LiGo.de)
LiGo ist ein Selbstlernkurs zu literaturwissenschaftlichen Grundbegriffen. Die Analyseformen für Erzähltexte (z.B. Romane) und Lyrik werden im Detail erläutert und die Kunst der Rhetorik erklärt. Was ist ein Akt, was eine Szene? Welche Erzählformen gibt es und was ist die Erzählstimme? Was ist die semantische Ebene eines Gedichts und was die narrative Struktur? Was bedeuten Alliteration, Anapher, Parallelismus und Klimax in Texten?

Was ist Aufklärung? Einführungen

Immanuel Kant (Was ist Aufklärung, Teil 1 von 2, YouTube)
Immanuel Kant definierte die Aufklärung in seinem Aufsatz „Was ist Aufklärung?“, hier gelesen von Hans Paets.

Immanuel Kant (Was ist Aufklärung, Teil 2 von 2, YouTube)

Chronik der Aufklärung (ZEIT Geschichte Nr. 2/2010) Die wichtigen Etappen der Aufklärungsepoche im Überblick.

Die Literatur des 18. Jahrhunderts (Universität Kiel, Vorlesungen)
Die Vorlesungen stellen verschiedene Strömungen und Textgattungen der Aufklärung vor: Frühaufklärung, Empfindsamkeit, Sturm und Drang, bürgerliches Trauerspiel, Weimarer Ästhetik und Bildungsromane. Die Merkmale der Strömungen erläutert der Dozent anhand bekannter Werke. Zu jeder der vierzehn Sitzungen gibt es die Folien, ein Protokoll und sogar eine Videoaufzeichnung.

E-Learning Quiz zur Aufklärung (Universität Kiel)
In dem Quiz können Schüler überprüfen, wie viel sie schon über die Aufklärung in der Literatur wissen. Aber keine Sorgen, die Fragen könnt ihr so oft wiederholen, bis ihr auf die richtige Antwort gekommen seid. Den zweiten Teil findet ihr hier.

Immanuel Kant

Kant für Anfänger (BR alpha)
Immanuel Kant steht auf der ewigen Bestenliste der Philosophen ganz oben. Er war der einflussreiche Vordenker der Aufklärung in Deutschland und hat zahlreiche Schriften verfasst. In mehreren Filmen führt die Philosophiestudentin Sophie fiktive Gespräche mit dem großen Denker und erfährt, was Kant mit seinen Gedanken und Ideen gemeint hat.

Gesammelte Werke Immanuel Kants (Bonner Kant-Korpus)
Kant hat wegweisende Texte über Ethik, Religions- und Geschichtsphilosophie und Erkenntnistheorie verfasst und so die moderne Philosophie erfunden. Das Bonner Kant Korpus hat die Texte digitalisiert, so dass Schüler sie online lesen können.

Gotthold Ephraim Lessing

Wege der Freiheit: Gotthold Ephraim Lessing (DIE ZEIT Nr. 47/2009)
Er träumte von einem humanen Christentum und einer Toleranz ohne Gleichgültigkeit. Er wusste, wie begrenzt die Vernunft, wie zerbrechlich das Leben ist, und lehrte uns die Freiheit. Ein Lessing-Porträt.

Von brennend scharfem Geiste (DIE ZEIT Nr. 50/2001)
Die Nachwelt erinnert sich an Lessing als den ersten modernen Literaturkritiker, als Polemiker und als Streiter für Toleranz und freies Denken. In diesem Artikel geht es um die Kritik an Lessing: Er sei kein Dichter, seine Literatur zu konstruiert, sein Streit mit der theologischen Orthodoxie und fatalen Philologen in eitlen Selbstzweck ausgeartet.

Figurenlexikon zu Lessings Dramen (Literaturlexikon, Universität Saarland)
Hier finden Schüler ein umfangreiches Figurenlexikon zu Lessings Dramen. Anhand von Textausschnitten charakterisieren die Autoren unter anderem die Figuren aus Nathan der Weise, Emilia Galotti, Miss Sara Sampson und Minna von Barnhelm.

„Das gemeinschaftliche Projekt, glücklich zu werden“ (DIE ZEIT Nr. 8/1981)
Über Lessings Briefwechsel mit seiner Verlobten Eva König.

Lessing: Nathan der Weise (Gelesen auf YouTube)

Lessings Miss Sara Sampson (Freidokumente, Universität Freiburg)
Die Deutung von Lessings Drama Miss Sara Sampson ist umstritten. Die einen verstehen es als Lessings Plädoyer für die Fähigkeit des Menschen, aus Vernunft und nicht aus religiöser Verpflichtung sittlich zu handeln. Die anderen meinen, es gehe in dem Stück um den Widerspruch zwischen Liebesbeziehung und Vernunftehe. Der Autor dieses Textes meint, man könne aus dem Stück eine Identitätskrise des Bürgertums im 18. Jahrhundert herauslesen.

Christian Fürchtegott Gellert

Christian Fürchtegott Gellert – Geistliche Oden und Lieder: Vorrede (Unversität Duisburg)
Christian Fürchtegott Gellert hat 1757 seine
Geistlichen Oden und Lieder veröffentlicht, von denen noch heute sechs im evangelischen Gesangsbuch zu finden sind. Warum ein Dichter religiöse Lieder und Lyrik schreiben soll – ausgerechnet in den Zeiten der Aufklörung –, erklärte Gellert im Vorwort, das hier abgedruckt ist.

Christian Fürchtegott Gellert (Lyrik für alle, YouTube)
Christian Fürchtegott Gellerts Gedichte sind geprägt vom Geist der Aufklärung. Einige Beispiele rezitiert Lutz Görner.

Weitere Autoren der Aufklärung

Frühaufklärerisches Theater – Johann Christoph Gottsched (Universität Kiel)
Das neue Welt- und Menschenbild der Aufklärung änderte auch die Vorstellung, wie darüber in Literatur, Lyrik und Thetaertexten zu schreiben sein sollte. Johann Christoph Gottsched schrieb daher den Versuch einer critischen Dichtkunst nieder.

10 Gründe, Karl Philipp Moritz zu lesen (DIE ZEIT Nr. 37/2006)
Warum es sich lohnt, Deutschlands jüngsten Klassiker kennen zu lernen, und warum der Aufklärer die Leser immer wieder überrascht.

Weder Gott noch Zufall (DIE ZEIT Nr. 48/2009)
Das wilde Denken des Julien Offray de La Mettrie zeigt eine andere Seite der Aufklärung. Zum 300. Geburtstag des Arztes und Philosophen, der ein großer Skeptiker und Theoretiker des Genusses war, ein Porträt.

Sie möchten noch mehr Lesestoff? Hier können Sie das Archiv von ZEIT und ZEIT ONLINE durchsuchen

Zurück zur Übersicht.