Das freut den Kommentatoren 🙂
Heute morgen habe ich in der ZEIT ein neues Bewertungssystem für die Hamburger Schüler kritisiert, das die Schulbehörde plant. Heute Nachmittag hat die Senatorin den Plan zurückgezogen.
Hier beides zum Nachlesen:
Mein Kommentar in der ZEIT (15.4.2010):
Ich hab ’ne 90! /// Hamburgs Schüler bekommen in Zukunft Noten – und Punkte
Wie treibt man Eltern in den Wahnsinn? Es hat den Anschein, dass die schwarz-grüne Regierung in Hamburg dazu ein mehrstufiges Experiment startet.
Stufe eins des Experiments musste inzwischen abgebrochen werden: Die grüne Schulsenatorin, unterstützt vom schwarzen Bürgermeister, wollte den Eltern das Recht nehmen, zu entscheiden, auf welche Schulform ihr Kind nach der Grundschule wechselt. Nur das überraschend erfolgreiche Volksbegehren einer Elterninitiative ließ den Senat von diesen Plänen Abstand nehmen.
Stufe zwei des Experiments spaltet gerade nicht nur die Elternschaft, sondern die ganze Hansestadt: Die Grundschulzeit soll von vier auf sechs Jahre verlängert werden, und die Grundschule wird in Primarschule umgetauft. Das schafft mehr Gerechtigkeit, sagt die Schulsenatorin. Ihre Gegner sagen: Es bringt gar nichts, macht aber die weiterführenden Schulen kaputt. Entschieden wird darüber in einem Volksentscheid am 18. Juli.
Nun werden wir gerade Zeuge von Stufe drei des Experiments: Die Schulbehörde will die gewohnten Noten von eins bis sechs um ein neunzigstufiges (sic!) Punktesystem ergänzen. Neunzig Punkte sollen für die beste, null Punkte für die schlechteste Leistung stehen. Damit nicht genug, werden die Punkte für die verschiedenen Schularten unterschiedlich übersetzt: Mit 55 Punkten zum Beispiel bekommt der Hauptschüler eine Eins, der Realschüler eine Drei und der Gymnasiast eine Vier.
Laut Auskunft der Schulbehörde schaffe das neue System mehr Transparenz. Es ist zu befürchten, dass das ernst gemeint ist, zeugt es doch von Weltfremdheit.
Wer Erfahrungen mit den sechs Noten gesammelt hat, weiß, wie schwer es Lehrern fällt, der Leistung angemessene Noten zu vergeben. Dass Lehrer im Schulalltag (nicht Wissenschaftler unter Laborbedingungen!) die Schülerleistung auf einer neunzigstufigen Punkteskala korrekt abbilden können, ist – gelinde gesagt – eine kühne Vorstellung.
Und dass sich Eltern von Schulkindern in diesem Noten- und Punkte-Wirrwarr zurechtfinden, ist gänzlich ausgeschlossen.
Vermutlich ist das Punkte-System seit Jahren ein Riesenerfolg in Kanada, Grönland und Burkina Faso. Hierzulande aber ist es fremd. Wenn die Schule erfolgreich sein will, dann braucht sie das Vertrauen der Eltern. Sie immer wieder mit fragwürdigen Neuerungen zu überraschen zerstört dieses Vertrauen. Thomas Kerstan
Der Rückzieher der Schulsenatorin:
(15. April 2010)
Entwurf einer Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Primarschule, Stadtteilschule und Gymnasium
Vorschlag für neues System aus Noten und Punkten wird zunächst weiter beraten
Der Entwurf für eine Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Primarschule und die Jahrgangsstufen 7 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums (APO PSG) liegt den Kammern seit Anfang der Woche vor und soll am 11. Mai in der Deputation beschlossen werden. Sie enthält Regelungen zur Ausbildung, zu den Übergängen und zum Erwerb von Abschlüssen in den Jahrgangsstufen 1 bis 10 der neuen Schulformen. Senatorin Christa Goetsch hat nun entschieden, die Neuregelung der Leistungsrückmeldung in Form einer Kombination von Punkten und Noten aus diesem Entwurf herauszunehmen, um vor einer Beschlussfassung weitere Beratungen möglich zu machen.
„Die Wünsche vieler Elternvertreter und auch aus einigen Schulen haben deutlich gemacht, dass wir noch mehr Zeit für Beratung und Diskussion brauchen, wie ein differenzierteres und genaueres Bewertungssystem als Ergänzung zu den klassischen Noten aussehen soll“, sagt Christa Goetsch. Um das gesamte Leistungsspektrum eines Jahrgangs abbilden zu können, reicht das relativ grobe klassische Notensystem von 1 – 6 nicht aus
Neben den Stellungnahmen von Eltern und Schulen sollen die Erfahrungen des Modellversuchs Kompetenzbeschreibung und -bemessung sowie die Arbeitsergebnisse der Projektgruppe sonderpädagogische Förderung in die weitere Diskussion einbezogen werden. Eine Fachtagung im Herbst soll dann die Beratungen abrunden.
Im kommenden Schuljahr wird die momentane Regelung der Leistungsbewertung mit den klassischen Noten 1 – 6 weiter angewendet werden, zusätzlich dazu sollen die Eltern zwei Mal pro Jahr in einem Gespräch über Leistungsstand und Leistungsentwicklung ihrer Kinder informiert werden.
Pressestelle der Behörde für Schule und Berufsbildung