Zuerst werden Bäume gefällt, zersägt und zerkleinert. Die Holzstücke kommen in einen Sulfatkocher, damit aus ihnen Zellstoff wird. Der kommt in eine Presse, wird geschnitten, getrocknet und wozu? Damit sowas gedruckt werden kann:
„Aber egal wie viel sozialkritischen Revoluzzer-Rap wir hörten: Kleine Niggaz wie wir drehten trotzdem frei – ganz besonders ich und mein Bruder Bing. Pflastersteine flogen durch Autoscheiben, Kaugummis verklebten Schlüssellöcher und in dem kleinen Eckladen verschwanden die Süßigkeiten wie von Geisterhand.“
Die Geisterhand gehört dem Helden aus Snoop Doggs Roman Love Don’t Live Here No More, den der Gangsterrapper mit Hilfe von Geisterschreiber David E. Talbert zu Papier brachte. Das Buch erzählt die Geschichte von Ulysses Jeffries, der James Joyce nicht kennt, aber sonst weiß, wo es langgeht:
„Auf den Straßen hingen wir mit den Baby-Bitches aus der Hood ab, die für uns die T-Shirts lüfteten und uns ihre Mini-Titties zeigten.“
Na, hallo!
„Zugegeben – besonders groß waren sie nicht, aber für uns war’s trotzdem Bombe.“
Muss man sagen. Der Roman sei „spannend, authentisch und voller Insiderwissen“, heißt es im Klappentext. Und so begegnet man der mürrischen Oma, den schießwütigen Dealern, Sex, Drogen, Hip Hop und Leuten, die sich „Nigga“ nennen. Snoop Dogg hat davon schon unzählige Lieder gesungen, darüber Videos gedreht, nun hat er 173 Seiten vollgeschrieben. Doch halt! David E. Talbert erklärt:
„Es geht um die Dinge, die gut oder auch weniger gut sind, wenn man in der Hood aufwächst. Dieses Buch reflektiert wirkliche Erfahrungen aus der Sicht einiger der interessantesten Charaktere, die ich je kreiert habe.“
Und: „Ich danke dem Schöpfer für die Gabe des geschriebenen Wortes.“ Aber der Schöpfer sagt: Dank es dem Wort, so will’s dein Genetiv.
Doch gucken wir uns doch mal einen der „interessantesten Charaktere an“, die Talbert je erschaffen hat:
„Zum Beispiel mein Homie Buddha, sozusagen der Drogenbeauftragte der Hood. Er hatte nicht nur Kohle und Weiber, sondern auch einen Benz.“ Ui.
„Buddha war riesig, schwarz wie..“, na? ,“…die Nacht, extrem slick und hatte die coolsten Begrüßungen drauf. Auch bei seinem Style ließ er nichts anbrennen – er hatte immer die neuesten und teuersten Jogginganzüge und die passenden brandneuen Sneakers.“
Andere Schriftsteller brauchen ein paar Hundert Seiten, ehe sie solch tiefe Charaktere erschaffen. Snoop (so nennt man ihn in der Hood) und Talbert benötigen nur 33. Ein Klischee jagt das nächste, es wird geschossen, gekifft und, na, Sie wissen schon. Geredet wird auch. Und zwar so:
„Du kannst ruhig ’ne Runde um den Block drehen,… aber wenn du meinen Wagen abfuckst, bist du dran.“
„Kommst du nun mit oder nicht?“
„Nein, Digga, auf keinsten.“
„Du wirst alle Bitches haben können, die du willst.“
Da möchte man Gott doch auch glatt für die Sprache und das Papier danken. Bob Dylan hat für sein schriftstellerisches Werk unlängst den Pulitzer-Preis bekommen. Snoop Dogg denkt offenbar auch schon ans Gesamtwerk. Unter dem Titel des Buchs steht „Doggy Tales Vol. 1“.
Ich nehme das mal als Drohung.