Die rechtsextreme Szene in Deutschland steht unter Druck: Seit den Aufdeckungen rund um den NSU kam es zu zahlreichen Vereinsverboten. Auch der Ruf nach einem NPD-Verbot ist so laut wie selten zuvor. Die Reaktion der Szene ist indes ähnlich: man beschreitet den juristischen Weg. Die NPD hat nun einen Antrag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, der ihre „Verfassungskonformität“ belegen soll.
von Benjamin Mayer
Seit den Aufdeckungen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ steht die rechtsextreme Szene immer stärker unter Druck. Im Bereich der „Freien Kameradschaften“ haben zahlreiche Razzien, Inhaftierungen und Vereinsverbote die rechtsextremen Strukturen erheblich beschädigt. Dennoch kam für einige der Organisationen das Verbot nicht überraschend. Wie aus internen Papieren des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen hervorgeht, rechnete die „Kameradschaft Aachener Land“ bereits vor mehr als drei Jahren mit einem Verbot.
Offenbar als Reaktion gründete der Neonazi Christian Worch die Partei „Die Rechte“. Diese Neugründung ist zu aller erst Ausdruck der Veränderungen innerhalb der Szene und keineswegs Reaktion auf politisch veränderte Rahmenbedingungen. Ein Teil des Personals der verbotenen Kameradschaften findet sich nun in der von Worch gegründeten Partei wieder. Worch will damit offensichtlich den Zufluchtsort bieten, den die NPD für viele Neonazis in den 1990er Jahren darstellte.
Mindestens drei weitere Organisationen klagen derzeit gegen ihr Verbot. Sowohl die „Kameradschaft Aachener Land“ wie auch der „Nationale Widerstand Dortmund“ entschieden sich bereits im September juristisch gegen das Verbot vorzugehen. Ende Oktober zog dann auch die Gruppierung „Besseres Hannover“ nach, die nun ebenfalls gegen ihr Verbot klagt. Innerhalb der Szene werden nun Spenden für die Verfahren gesammelt. So ließen die Protagonisten von „Besseres Hannover“ in einem Spendenaufruf recht pathetisch verlauten: „Weil wir das Feuer des Widerstandes in den Herzen der deutschen Jugend entfacht haben, deshalb wurden wir verboten.“ Da das Verfahren aber mit nicht unerheblichen finanziellen Mitteln verbunden sein dürfte, ist man nun auf Spenden der Kameraden angewiesen. „Damit wir weiter den Puppenspielern ins Handwerk pfuschen können, brauchen wir DEINE Hilfe!“, heißt es weiter in dem Aufruf.
Die NPD zieht nach
Holger Apfel hatte es in der vergangenen Zeit nicht leicht. Das erste Jahr seiner Regentschaft an der Spitze der NPD war alles andere als der versprochene Erfolgsweg, den die Nebelkerze
der „seriösen Radikalität“ den Parteimitgliedern verheißen wollte. Ein neues Parteilogo, ein paar Schulungen für Nachwuchskader und eine als Erfolg verkaufte desaströse „Deutschlandtour“ sind wohl nicht das, was sich viele Parteimitglieder gewünscht haben. Da dürften auch die ständigen Durchhalteparolen nicht drüber wegtäuschen. Eine ebenfalls recht schwere Last ist für die NPD das Damoklesschwert des Verbotes, welches derzeit wieder so dicht über der Partei schwebt, wie lange nicht.
Anfang Dezember will die Innenministerkonferenz bekannt geben, ob sie ein erneutes Verbotsverfahren empfehlen wird. Die Partei hat sich nun entschieden vor diesem nahenden Termin selbst aktiv zu werden. Am Montag reichte die NPD beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Feststellung ihrer Verfassungskonformität ein. Außerdem sieht die Partei ihre Rechte dadurch verletzt, dass ihre Verfassungswidrigkeit behauptet wird, ohne einen entsprechenden Verbotsantrag.
Bereits in letzten Monaten hatten Führungsfiguren der NPD immer wieder vermeintlich selbstsicher in der Öffentlichkeit behauptet, man fürchte ein Verbotsverfahren nicht. Der Antrag soll diesen beschrittenen Weg offensichtlich fortsetzen, um sich vor dem nahenden Termin nach außen selbstbewusst zu gerieren. Apfel selbst fand via Facebook ebenfalls deutliche Worte:
„Wir haben die Schnauze voll, daß irgendwelche Tugendwächter uns diffamieren, gegen Mitglieder und Wähler Pogromstimmung verbreiten, Berufsverbote durchpeitschen oder Bürgermeisterkandidaten wegen angeblich fehlender Verfassungstreue nicht mehr zu Wahlen zugelassen, Demokratie und Rechtstaatlichkeit mit Füßen treten.“
Doch nicht nur nach außen wird dies ein strategisch gedachter Schritt sein, auch innerhalb der Partei steht Apfel unter Druck und muss beweisen, dass er in der Lage ist die Partei zu führen. Insgesamt blieb Apfel und dem Parteivorstand wohl kaum eine andere Wahl als aktiv zu werden.
Ob das Bundesverfassungsgericht den Antrag überhaupt zulässt, ist eine ganz andere Frage. Im Falle einer Nichtzulassung droht die NPD bereits mit dem Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser Schritt nach vorn zeigt aber nicht zuletzt, wie stark die NPD und die Szene insgesamt in Bedrängnis geraten sind. Der Antrag beim Bundesverfassungsgericht und die Klagen gegen die Vereinsverbote sind wohl eben auch die letzten Auswege, die von der Wand wegführen, an welcher die Szene mit dem Rücken steht.