Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Braunes Nordhausen: Waffen, Drogen und die NPD

 

Demonstration der freien Kräfte in Nordhause JUli 2011 mit Kamera dabei Roy Elbert
Demonstration der freien Kräfte in Nordhause Juli 2011 mit Kamera dabei Roy Elbert von der NPD Foto: Kai Budler

Seit vielen Jahren existiert im Thüringischen Nordhausen eine äußerst aktive Neonazi-Szene. Momentan sammeln sich die Rechtsextremen unter dem Label „Aktionsgruppe Nordhausen“. Wie eine kleine Anfrage im Landtag jetzt offenlegt, sind die Mitglieder der Gruppe in zahlreiche kriminelle Aktivitäten verstrickt – auch jenseits politisch motivierter Kriminalität. Besonders brisant: Die Gruppe pflegt offensichtlich gute Kontakte zur NPD.

Die NPD „stehe für die Wiederherstellung der inneren Sicherheit durch Recht und Ordnung“ heißt es im 2010 verabschiedeten Parteiprogramm. Doch die alltägliche Praxis ihres Umfeldes und einiger ihrer Funktionsträger scheint eine andere zu sein. Eine kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Adams (Die Grünen) ergab nun, dass die Mitglieder der lokalen Neonazi-Gruppierung „Aktionsgruppe Nordhausen“ nicht nur massiv in einschlägige Szenestraftaten verwickelt sind, die Liste reicht weit über die szenetypischen Delikte hinaus. Doch so richtig überraschen dürften die neuen Daten niemanden. Bereits seit Jahren kommt es zu zahlreichen schweren Straftaten der lokalen rechtsextremen Szene. Die Vorgängerorganisation der „Aktionsgruppe Nordhausen“ trat meist unter dem Namen „NDH City“ auf. Besonders in den Jahren 2009 bis Anfang 2011 trat die Gruppierung in Erscheinung. Allein bis zum Ende des Jahres 2010 gab es weit mehr als 100 Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Gruppierung: unter anderem wegen Beleidigung, Verstoßes gegen das Waffengesetz, gefährlicher Körperverletzung und schweren Landfriedensbruchs. Noch im Dezember 2010 kam es dann zu einem Angriff auf mehrere Polizeibeamte, wobei diese teils schwer verletzt wurden.

Delikte Aktionsgruppe Nordhausen

Bereits damals sprang die NPD-Nordhausen der Gruppierung zur Seite. Auf der Homepage der Partei veröffentlichte Roy Elbert, heute NPD-Kreisvorsitzender und Landesvorstandsmitglied der NPD-Thüringen, eine Erklärung zur Gruppe „NDH City“. Darin heißt es verharmlosend und im rassistischen Deutungsmuster der NPD:
„Während in anderen Städten Rivalitäten und Rangeleien unter Jugendlichen kaum Erwähnung finden oder aber – sollten Personen mit Migrationshintergrund daran beteiligt sein – gänzlich unerwähnt bleiben, werden in Nordhausen Probleme künstlich herbeigeredet.“ Auch den Angriff auf die Polizeibeamten thematisiert Elbert in der Erklärung. Zwar solle „keine Verharmlosung erfolgen“ und man bewerte den Angriff als „verwerflich“, „was aber wirklich vorgefallen ist können nur die Beteiligten beurteilen“, führt Elbert weiter aus. Vergleicht man die Äußerungen des heutigen NPD-Landesvorstandsmitglieds mit den sonstigen Forderungen der NPD rund um das Thema Kriminalität, tritt ein eklatanter Widerspruch zu Tage.Innenministerium PMK 2012

Weiterhin schwere Straftaten

Vor wenigen Tagen stellte Thüringens Innenminister Geibert die Kriminalitätsstatistiken für das Jahr 2012 vor. Auch die Fallzahlen zur „Politisch Motivierten Kriminalität“ wurden dabei der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Von den rund 1.500 erfassten Straftaten werden 80% der rechtsextremen Szene zugerechnet. Der Bereich der Landespolizeiinspektion Nordhausen liegt landesweit auf dem vierten Platz mit 214 erfassten Straftaten im Jahr 2012, welche die Behörden als „politisch motiviert“ einstufen. Ein großer Teil dieser Straftaten dürfte auf das Konto der Mitglieder der „Aktionsgruppe Nordhausen“ und ihres Umfeldes gehen. Auch in Nordthüringen zeigt sich deutlich, dass rechtsextreme Organisationen häufig massiv Straftaten jenseits der „Politisch Motivierten Kriminalität“ begehen.

Auch die vom Thüringer Innenministerium veröffentlichte Liste der Straftaten, welche durch Mitglieder der Nordhäuser Neonazi-Gruppierung begangen wurden, ist lang. Neben den üblichen szenetypischen Straftaten finden sich darauf auch Delikte wie Raub, Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und sexuelle Nötigung. Das Innenministerium verweist gleichzeitig auf die Verbindung zwischen dem NPD-Kreisverband und der „Aktionsgruppe Nordhausen“. So heißt es in der Antwort auf die Anfrage, es gebe Hinweise, „dass eine enge Verflechtung der AG-Nordhausen mit dem NPD-Kreisverband Nordhausen besteht“.

NPD-Thüringen Youtube-Kanal mit Video der Aktionsgruppe Nordhausen Screenshot
NPD-Thüringen Youtube-Kanal mit Video der „Aktionsgruppe Nordhausen“ © Screenshot

Die Verbindungen finden keineswegs hinter verschlossenen Türen statt. So werden in der Regionalzeitung der NPD-Nordhausen Mitglieder der Gruppe „NDH City“ als Autoren geführt, die noch 2012 mit einschlägiger Bekleidung öffentlich auftraten. Vor allem der Kreisvorsitzende Roy Elbert gilt Beobachtern der Szene als Verbindungsfigur der NPD zur militanten Neonazi-Szene Nordhausens. So verteidigte dieser in den letzten Jahren nicht nur die Gruppe „NDH City“ sondern ist offensichtlich auch in den letzten Aktionsvideos der „Aktionsgruppe Nordhausen“ zu sehen. Die Vernetzung geht soweit, dass die NPD-Thüringen ein Video der kriminellen Neonazi-Gruppe auf ihrem Youtube-Kanal veröffentlicht und sogar mit einem NPD-Vorspann versehen hat. Wie diese Zusammenarbeit zum vermeintlichen Bild von „Recht und Ordnung“ der NPD passt, weiß nur die NPD. Die Zusammenarbeit eines NPD-Landesvorstandsmitglieds mit einer Organisation, deren Mitglieder Drogen-, Raub- und Sexualdelikte begangen haben, dürfte kaum das sein, was Holger Apfel mit „seriöser Radikalität“ meint.