Gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung ist Dirk Stegemann schon seit über sechs Jahren politisch aktiv. Seit dem Hungerstreik der Flüchtlinge am Brandenburger Tor ist der Berliner auch einer der Unterstützer des „refugee protest“. Stegemann kritisiert eine „Ellbogen-Gesellschaft“, in der jeder um seinen eigenen sozialen Status kämpft.
„Deutschland ist einer der Mitverursacher und Profiteure von Kriegen, die Menschen zur Flucht zwingen“, sagt Stegemann und fügt hinzu: „Für die Folgen dieses wirtschaftlichen Denkens will die Regierung aber nicht die Konsequenzen tragen“. Das sei nur einer der Gründe für sein Engagement gegen gegen Rassismus, soziale Ausgrenzung und Armut.
„Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt und unterstützt dadurch Kriege und Armut“, erläutert Stegemann. „Wenn dann Politiker Migranten für soziale Fehlentwicklungen in Deutschland verantwortlich machen, ist das falsch“, betont Stegemann. Eher sei das Ungleichwertigkeitsdenken vieler Menschen ein Problem. Außerdem findet er: „Es kann nicht sein, dass gesellschaftliche Teilhabe eine Frage des Geldes ist.“
Stegemann sieht die Ursache für soziale Ausgrenzung im deutschen System selbst. Er glaubt: „Reichtum braucht in diesem System Armut.“ Mittlerweile gebe es aber immer mehr soziale und antirassistische Bewegungen, die sich dagegen wehren wollen.
So sieht der Berliner auch in der Bewegung des refugee protest ein großes Potenzial. „Die Selbstorganisation der Flüchtlinge sorgt für Bewunderung und hat meinen größten Respekt“, so der 45-Jährige. Die Flüchtlinge widersetzten sich bewusst ungerechten und rassistischen Gesetzen, trotz der möglichen Konsequenzen, weiß Stegemann. Er hat die Flüchtlinge seit ihrer Ankunft letzten Oktober in Berlin begleitet und weiß, dass ihr Protest keine bequeme Lösung ist: „Sie sitzen nicht hier und warten, sondern fordern ein, was ihnen zusteht: Ganz einfache Menschenrechte.“
Der 45-Jährige unterstütze diese Forderungen grundsätzlich. Eine davon ist die Abschaffung der Residenzpflicht für Flüchtlinge. Dass diese bisher nur eingeschränkt aufgehoben wurde, habe komplexe Gründe. Einerseits wolle der Staat die Kontrolle über die Flüchtlinge behalten und sie dazu zwingen, sich unterzuordnen. Andererseits existiere die Residenzpflicht auch aus finanziellen Gründen. „Zum Fortbewegen bräuchten die Asylbewerber ja Geld“, erklärt Stegemann.
Auch im Kampf um das Recht auf Wohnung und Arbeit für Asylsuchende sieht er Probleme. Er unterstützt diese Forderungen nach Grundrechten ausdrücklich, doch er weiß: „Damit wären nur die ersten Probleme gelöst. Diskriminierung, Rassismus sowie den Mangel an Arbeit und Wohnraum gibt es weiterhin.“
Um gemeinsam mit den Flüchtlingen des refugee protest dagegen zu kämpfen, ist er seit dem Beginn des Streiks sieben Wochen lang fast durchgehend vor Ort gewesen. Auf Wunsch der Flüchtlinge hat Stegemann sich als ihr versammlungsrechtlicher Vertreter bei der Polizei gemeldet. „Allein wegen der ständigen Polizeirepressionen war ich fast durchgehend vor Ort“, erzählt der 45-Jährige. Er habe seine Aufgabe darin gesehen, ihnen bei Organisation, Vernetzung und Kommunikation zu helfen.
Auch jetzt unterstützt Stegemann das Camp weiter und ist teilweise Ansprechpartner für die Behörden, wenn die Flüchtlinge Protestaktionen planen. So meldet er gemeinsam mit den Flüchtlingsaktivisten immer wieder Demonstrationen und Veranstaltungen an.
Den Sinn von Demonstrationen sieht der 45-Jährige darin, ein Thema an die Öffentlichkeit zu bringen, darüber aufzuklären und dafür zu mobilisieren. Er glaubt: „Die Demonstrationen alleine haben nur einen begrenzten Effekt, aber in der Summe mit anderen Aktionen wirkt ein solches Engagement durchaus.“
Das zeigt auch der refugee protest, durch den sich in einem Jahr in Deutschland schon einiges verändert hat: die Residenzpflicht wurde in einigen Ländern eingeschränkt und teilweise abgeschafft, in einigen Regionen gibt es die Gutschein – Regelung für die Flüchtlinge nicht mehr und durch deren Demonstrationen wurden die Medien auf die Situation aufmerksam.
Stegemann ist bei vielen Flüchtlingen in Berlin nicht nur Ansprechpartner bei Problemen, sondern vor allem auch ein Freund geworden. Als jahrelanger Anmelder von etlichen Demonstrationen hat er Erfahrung und versucht, in dieser großen und bisher einmaligen Bewegung den Überblick zu behalten. „Ich habe mich mit den Flüchtlingen und ihren Forderungen solidarisiert, gemeinsam mit vielen anderen Unterstützern des refugee camp“, beschreibt er.
Er will den Asylsuchenden aufgrund ihrer fehlenden Rechte helfen, indem er sie in ihrem Sinne vertritt – sofern sie es selbst wollen. „Die Gruppe der Asylsuchenden ist eine der am meisten isolierten und ausgegrenzten Gruppen mit so gut wie keinen Rechten“, weiß der 45-Jährige und fügt hinzu: „Die menschenunwürdigen Lebensbedingungen sind meiner Meinung nach unhaltbar“. Er plädiert dafür, dass Geflüchtete die gleichen Rechte bekommen wie jeder andere, der in Deutschland lebt.
Das war der 19. Teil meiner Artikel-Serie über das Refugee Camp Berlin.