Auch in Leipzig marschierte am Montag ein „Pegida“-Ableger: „Legida“. Den rund 4.500 „Legida“-Anhängern standen 30.000 Gegendemonstranten gegenüber. Eine Blockade gelang dennoch nicht. Vielmehr zeigte die rechte Dresden-Kopie ihre menschenverachtende Ideologie.
Text (Sarah Ulrich), Bilder (visual.change)
Es war eine bizarre Situation vergangenen Montag im Leipziger Waldstraßenviertel. Durch die engen Gassen, in die zwischen parkenden Autos teils gerade einmal zehn Menschen in einer Reihe passten, schlängelten sich die Demonstration von „Legida“. Umgeben von insgesamt etwa 30.000 Gegendemonstranten mutete der Aufmarsch der etwa 4.500 „Legida“-Anhänger zunächst als ein Ding der Unmöglichkeit an. Im engen, kleinen Viertel drängten sich Menschen von vier unterschiedlichen Gegendemonstrationen, die sich zum Teil am Waldplatz, nur wenige Meter entfernt von der „Legida“-Route, trafen. Die Stimmung war gut, die Teilnehmenden euphorisch. Immer wieder hörte man „Legida läuft nicht“ Rufe. Vereinzelte Kleingruppen stürmten schon nahe der Red Bull Arena die Route von „Legida“ und versuchten diese zu blockieren, wurden jedoch kurz darauf wieder von der Polizei daran gehindert. Und auch auf Seiten der Studierenden-Demo, an der zeitweise mehr als 8000 Menschen teilnahmen, sah zunächst alles danach aus, als würde man einfach zur „Legida“-Route weiterlaufen: Fröhlich und entschlossen durchflossen sie eine Polizeiabsperrung auf der Jahnallee und spazierten abseits der eigentlich angemeldeten Route in Richtung „Legida“. Kurz vor Erreichen der Strecke machte die Polizei jedoch dicht – und zwar mit Gittern, Bussen und mehreren hundert Einsatzkräften. Dann ging alles ganz schnell. Und „Legida“ lief doch.
Ein paar hundert Gegendemonstranten schafften es durch Seitenstraßen und Hauseingänge schließlich noch auf die Route und hielten eine friedliche aber stimmungsvolle Sitzblockade ab. Für „Legida“ jedoch nur eine kleine Einschränkung, denn die Polizei leitete die Demonstration einfach um.
Wenn so viele Menschen geschlossen gegen Rassismus und die Hetzparolen von „Legida“ auf die Straße gehen und sich auf einen so engen Radius konzentrieren, fragt man sich, wie es überhaupt möglich war, dass die deutlich rechte Bewegung marschieren konnte. Angesichts der massiven Absperrung durch Gitter, Polizeifahrzeuge und (Spezial-) Einsatzkräfte wird deutlich: Die Polizei scheint alles dafür gegeben zu haben, die Demonstrationsfreiheit nicht einzuschränken und „Legida“ laufen zu lassen. Und so schleuste die Polizei die rechte Demonstration einfach zwischen den Gegenprotesten hindurch.
Anders betrachteten die Beamten die Pressefreiheit. So wurden Journalisten mehrmals aufgefordert, keine Fotoaufnahmen von Polizeibeamten anzufertigen. Auch der Zugang zu einigen Demonstrationsorten wurde Journalisten teils verwehrt, unter dem Vorwand, sie wollen mitdemonstrieren und seien nicht im Auftrag der Presse da.
Auf der verkürzten „Legida“-Route offenbarte sich dann ein Bild, dass alle Vermutungen, der Leipziger Ableger sei deutlich rechter als das Dresdner Original, bestätigte. Zwischen zahlreiche Deutschlandfahnen mischten sich neben einigen „besorgten Bürgern“, die Demokratie und Freiheit fordern, vor allem massige Männer, die ihre Thor Steinar Kollektion zur Schau trugen und optisch auch gut zu den „Hooligans gegen Salafisten“ gepasst hätten. Auch AfD-Anhänger waren mit einem Plakat des Wahlspruchs „Mut zur Wahrheit“ vertreten. Augenzeugen zu Folge soll bei „Legida“ auch mehrmals der Hitlergruß gezeigt worden sein. Gegendemonstranten wurden als „Linksfaschisten“ und „Brut“ beschimpft. Und auch hier wollte man offensichtlich nicht gerne fotografiert werden. Es wurde sich durch Tücher vermummt, die Hand vor das Gesicht gehalten oder Journalisten abfotografiert. Eine Gruppe Vermummter, die in die Kerbe „Autonome Nationalisten“ schlug, griff eine Journalistin an. Blockierfreudigen wurde unterstellt, sie seien „vom Staat bezahlte Schlägertrupps“. Auf Plakaten forderte man „Schluss mit Staatspropaganda“, „Ami go Home“ und das Aufdecken des „NSU-Schwindels“. Spätestens mit der letzten Forderung wird noch einmal deutlich, in welcher Ecke „Legida“ steht. Natürlich wurde auch versucht, die Anschläge von Paris zu nutzen. So fand sich auf Plakaten auch die Aufschrift: „Pegida=Charlie“. Dabei gehört die Satirezeitung doch zur von „Pegida“ betitelten „Lügenpresse“. So schnell wie er gekommen war, zog der Marschtrupp auch wieder ab, natürlich nicht ohne „Wir sind das Volk“-Rufe.
Für die kommenden vier Montage hat Legida wieder Demonstrationen angekündigt. Und auch wenn 30.000 Menschen in Leipzig bereits ein deutliches Zeichen dagegen gesetzt haben, so reicht das aus Sicht der Organisatoren der „Legida läuft nicht“ Demonstration nicht aus. „Die Rassisten werden nächsten Montag wieder kommen, wir lassen nicht locker“, erklärt Pressesprecher Kim Vollmer. „Für antimuslimischen Rassismus ist kein Platz auf Leipziger Straßen“, so Vollmer weiter. Und auch wenn das schon vergangenen Montag gezeigt wurde, braucht es für die nächsten Wochen mehr, um die Parole „Legida läuft nicht“ auch wirklich durchzusetzen. Dabei wird von vielen Leipziger Demonstranten der „zivile Ungehorsam“ als legitimes Mittel des Protestes betrachtet.