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„Skandalurteil“: Wenn Antirassismus und Zivilcourage bestraft werden

 

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Schon seit drei Jahrzehnten beseitigt und übersprüht die als „Politputze“ und „Sprayer-Oma“ bekannt gewordene Zehlendorferin Irmela Mensah-Schramm rechtsextreme Schmiererein, Graffiti und Aufkleber. Für ihren Einsatz gegen Rechtsextremismus wurde die Aktivistin bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit der Bundesverdienstmedaille. Nun aber hat sie das Amtsgericht Tiergarten wegen Sachbeschädigung verurteilt, im Falle einer Wiederholung droht ihr eine Geldstrafe von 1800€. Doch die engagierte Rentnerin denkt keinesfalls daran, aufzuhören.

Konkret geht es beim aktuellen Urteil darum, dass Mensah-Schramm einen „Merkel muss weg“-Schriftzug in Berlin-Zehlendorf übermalte und daraus „Merke! Hass weg!“ machte. Da sie das Graffiti durch das Übermalen minimal vergrößerte und zudem auffällige pinke Sprühfarbe verwendete, sei der Strafbestand der Sachbeschädigung erfüllt. Ironischerweise hatte sie die entsprechende Spraydose nach eigenen Worten zur Verleihung des Göttinger Friedenspreises vom Direktor eines örtlichen Gymnasiums erhalten, an dem sie Schüler im Rahmen eines Projektes ausgerechnet über ihren bunten Aktivismus informierte.

Offenbar hätte sogar der zuständige Richter das Verfahren nach Aussage der Gerichtssprecherin Jani lieber eingestellt. Doch dies lehnte die zuständige Staatsanwältin ab. Diese sei auch nach Aussage von Mensah-Schramm „richtig scharf“ auf eine Strafe gewesen und habe der „Politputze“ ihre Vorbildfunktion abgesprochen. Mensah-Schramm solle sich einen anderen Weg für ihre Meinungsäußerung suchen. Das sieht die „Sprayer-Oma“ selbstverständlich anders und kündigte an, in Berufung zu gehen.

„Wenn der Staat selbst mehr gegen diese Nazi-Schmierereien tun würde, wäre meine Arbeit ja gar nicht nötig“, so Mensah-Schramm im Interview mit jetzt.de. Gegenüber dem Tagesspiegel sagte sie außerdem: „Bei so einer Kleinigkeit, solchem Pipifax, tritt die Polizei groß in Aktion. Bei unzähligen Hass- und Rassismussprüchen oder Hakenkreuzen passiert gar nichts“. Tatsächlich wurde schon des Öfteren Anzeige gegen sie wegen Sachbeschädigung oder auch Hausfriedensbruch erstattet, die Verfahren bisher jedoch immer wieder eingestellt. Auch jetzt denkt sie keinesfalls daran, mit der Beseitigung von Nazi-Symbolen oder rechten Parolen aufzuhören.

Auf die Frage, warum sie das alles tue, antwortete sie, man müsse etwas gegen den immer stärker werdenden Hass tun. Angefangen hat damals alles mit einem Nazi-Aufkleber, welcher Freiheit für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess forderte. Morgens auf dem Weg zur Arbeit habe sie diesen Aufkleber zwar bemerkt, jedoch nicht abgemacht. Den ganzen Tag über habe sie sich darum Vorwürfe gemacht und ihn schlussendlich am Ende ihres Arbeitstages beseitigt, so Mensah-Schramm. Seitdem hat sie über 100.000 rassistische und antisemitische Aufkleber und Parolen beseitigt und dokumentiert ihren Aktivismus mit der Ausstellung „Hass vernichtet“.

Das Berliner Bündnis „Berlin nazifrei“ bot öffentlich auf seiner Facebookseite an, die Geldstrafe zu übernehmen und verweist an die Berliner VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten), die das Urteil als „Skandal“ bezeichnet und Spenden sammelt:

Spendenkonto:
Berliner VVN-BdA e.V.
Verwendungszweck: Irmela Mensah-Schramm
Postbank Berlin
IBAN: DE18100100100315904105
BIC: PBNKDEFFXXX