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Wochenende der rechten Großevents

 

Auf der Großdemonstration in Berlin marschierte die AfD gemeinsam mit Rechtsextremen. Bei ihrer Bürgerlichkeitsshow in der Hauptstadt muss die Partei kräftig nachhelfen – auf einem anderen Treffen zeigen sich die Neurechten in aggressiver Reinform.

Von Henrik Merker

AfD-Demo in Berlin: Wochenende der rechten Großevents
Ein falscher Priester gehört zu den Teilnehmern der AfD-Demo. © Henrik Merker

Sonntag am Berliner Hauptbahnhof: Polizeiketten sperren den Eingang ab, hunderte Beamte patrouillieren. Hinter Absperrgittern steht eine Bühne, Polizisten kontrollieren Rucksäcke der Menschen, die sich dort sammeln. Erst 250, dann 2.500 – am Ende stehen laut Polizei 5.000 Teilnehmer bei dem groß angekündigten AfD-Aufmarsch unter dem Motto „Zukunft Deutschland“.

Beeindruckende Zahlen – einzig: Geplant hatte die Partei mit 10.000 Mitstreitern. Die Berliner gingen lieber zum Gegenprotest: 25.000 stellten sich nach Polizeiangaben gegen die Demonstration, laut Veranstaltern sogar 75.000. Die AfD hatte über Monate für ihr Event geworben, täglich Videos mit Funktionären auf Facebook gestellt, Busse organisiert. In Rheinland-Pfalz wurde Teilnehmern sogar Geld in Aussicht gestellt.

Inszenierung ist alles

Aus einem Leihtransporter verteilt die AfD Deutschlandfahnen, bis zur Decke wurde das Fahrzeug vollgestopft. Jeder Dritte trägt zu Demobeginn Schwarz-Rot-Gold – wenn die Teilnehmerzahl schon nicht erreicht werden kann, sollen es imposante Bilder richten. Via Social Media werden die Livevideos der Veranstaltung tausendfach geteilt.

Die Inszenierung muss aufgehen – da darf niemand Schwäche zeigen. Die Sonne kracht auf die Betonwüste vorm Hauptbahnhof, vor allem ältere Teilnehmer halten bei der Hitze nicht lange durch und retten sich in den Schatten. Wasser verkauft die AfD für einen Euro pro Flasche am Fahnenwagen. An einem Baustellenzaun liegt ein Mann im schmalen Schatten. Polizisten bringen ihm Wasser, sonst kümmert sich niemand um ihn. Die Parteianhänger lauschen den Reden ihrer Politiker, filmen, machen Selfies.

Parolen gegen Merkel und Islam

Schlange stehen sie bei einem Mann im Talar, ein großes Goldkreuz hat er vor der Brust, am Revers ein kleines. Der Herr, der mit pastoralem Blick Gespräche führt, ist Hubertus Groppe. Er ließ sich von einer obskuren Vereinigung zum Priester weihen, wurde dafür von der katholischen Kirche exkommuniziert. Die deutsche Bischofskonferenz bezeichnet ihn seit Jahren als Schwindler.

 

Auf der Bühne sind die altbekannten Parolen zu hören: Bundesvorstandsmitglied Beatrix von Storch nennt den Islam eine „politische Herrschaftsordnung“, der Parteivorsitzende Jörg Meuthen schimpft auf die „Hofschranzen Angela Merkels“ – die Minister, die dem Volk dienen sollten, „aber sie tun das ganz und gar nicht“.

Doch es sind nicht nur bürgerlich-konservative Demonstranten, die dem Ruf der Partei gefolgt sind. Auch rechtsextreme Gruppen sind angereist, aus Bayern die vom Verfassungsschutz überwachte Bürgerwehr Soldiers of Odin. Neben ihnen laufen Anhänger der Identitären Bewegung aus Schwaben. Der Pulk aus Neurechten grölt Gegendemonstranten an und skandiert rechtsextreme Parolen.

Rechte treffen sich beim Burschentag

Kameraden der Identitären aus Sachsen-Anhalt wiederum hatten von Donnerstag bis Samstag im thüringischen Eisenach am Jahrestreffen der Deutschen Burschenschaft teilgenommen. In dem Verband sind rechtsextreme Studentenverbindungen versammelt, die zum Teil als verfassungsgefährdend eingestuft sind.

In Eisenach bedrängten Identitäre aus Halle (Saale) gemeinsam mit AfD-Referent John „Fritz“ Hoewer und Tim Ballschuh, Beisitzer im Bundesvorstand der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative, eine Reporterin. Sie hatte den Fackelmarsch der Burschenschaften filmen wollen. Auch in Halle hatte Hoewer zuletzt versucht, Reporter an ihrer Arbeit zu hindern.

Die Neurechten bedrängen Journalisten seit Monaten nach einem wiederkehrenden Schema: Am Anfang steht die Behauptung, der Reporter habe Portraitaufnahmen gemacht. Dann bedrängt ihn eine Gruppe, bis die Polizei einschreitet. Die Beamten werden im aggressiven Ton aufgefordert, die Kamera des Reporter zu kontrollieren und Bilder zu löschen. Häufig sind Beamte überrumpelt, geben der Forderung nach. In Eisenach drohten sie der Reporterin, sie mit zur Wache zu nehmen.

Dieselbe Masche probierten AfD-Anhänger in Berlin. Hier gingen die Beamten nicht darauf ein. Das Hausrecht können die Neurechten in der Hauptstadt nicht an sich reißen.