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Identitären-Symbolik auf offener AfD-Bühne

 

Die AfD-Nachwuchsorganisation missachtet auch auf ihrem Bundeskongress die Abgrenzung zur völkischen Identitären Bewegung. Keiner der Bundesfunktionäre nahm davon offen Notiz. Die Bundespartei prüft den Vorfall.

Von Tilman Steffen

Alexander Gauland (r.) und JA-Bundesvorsitzender Damian Lohr auf der Tagung in Seebach (Foto: Alexander Prautzsch/dpa)

Dass die AfD-Jugendorganisation sich nicht zur Identitären Bewegung abgrenzt, wie es ein Beschluss der Partei fordert, zeigt sich nun auch auf höchster Ebene. Beim Bundeskongress der Jungen Alternative (JA) im thüringischen Seebach hatte keiner der anwesenden Organisatoren und Parteifunktionäre ein Problem damit, dass auf dem Podium der Tagung Symbolik und Slogans der völkischen Bewegung zu sehen waren. Unmittelbar am neben dem Podium platzierten Rednerpult ergriffen mehrere Bundes- und Landesvorstandsmitglieder der AfD das Wort. Doch weder AfD-Bundesprecher Jörg Meuthen, sein Co-Vorsitzender Alexander Gauland, Vorstandsmitglied Andreas Kalbitz oder der Thüringer Nationalist Björn Höcke nahmen davon Notiz, dass neben ihnen IB-Aufkleber prangten.

Dabei hatte der Bundesvorstand schon vor Jahren beschlossen, dass die AfD Distanz zu den islam- und ausländerfeindlichen Aktivisten halten solle. Die Bewegung ist sogar auf einer Liste von Organisationen genannt, die mit einer Mitgliedschaft in der AfD unvereinbar ist.

Mitglieder der AfD-Jugend bekunden trotzdem immer wieder Sympathie mit den Identitären, es gibt offene und verdeckte Kooperation. Etwa in Sachsen-Anhalt, wo Identitäre auf der Bühne von AfD-Demos auftraten. Auf der Demonstration der AfD am vorvergangenen Wochenende in Berlin trugen Teilnehmer Identitären-Logos auf der Kleidung. Schon vor Monaten musste ein Mitglied des Berliner JA-Landesvorstands zurücktreten, nachdem ZEIT ONLINE offengelegt hatte, dass der Jungpolitiker bei einer Aktion der Identitären in Berlin mitgewirkt hatte und wegen seines Verhaltens dort von der Polizei mit Haftbefehl gesucht wurde.

Der Laptop auf dem Podium des Bundeskongresses in Seebach/Thüringen (Foto: Alexander Prautzsch/dpa)

Auf dem Podium in Seebach stand während des zweitägigen JA-Bundeskongresses ein Laptop. Darauf waren Aufkleber mit der Aufschrift „Heimatverliebt Identitäre Bewegung Dresden“ zu sehen. An dem Gerät saß während der Veranstaltung Matthias Scholz, Beisitzer im JA-Bundesvorstand und JA-Landesvorsitzender in Sachsen – was den Schluss zulässt, dass es sein Gerät war. Ein weiterer Sticker zeigte den Slogan „Still not Loving Antifa“ – ein Kampfspruch linken Ursprungs, den Identitäre abgewandelt und okkupiert haben.

Privatbesitz eines Einzelmitglieds?

Die Sticker und Kleidung mit diesem Signet verkauft unter anderem ein Online-Shop, den führende Identitäre aus Österreich betreiben. Ein dritter Aufkleber zeigt eine gewundene Schlange – sie gehört auch zum Erscheinungsbild des neurechten Antaios-Verlags aus Sachsen-Anhalt, der eng mit der IB verbunden ist.

Damit wird der Parteibeschluss zur Abgrenzung von der neurechten Bewegung sogar auf offener Bühne als nichtig dargestellt. Die Junge Alternative sieht darin kein Problem: Der Laptop sei „Privatbesitz eines Einzelmitglieds der JA, das die Tagungsleitung beim Bundeskongress am vergangenen Wochenende unterstützte“, sagte ein danach befragter Sprecher des JA-Bundesvorsitzenden. Sympathiebekundungen einzelner Parteifreunde für die Identitäre Bewegung seien vom „sog. Abgrenzungsbeschluss“ nicht umfasst. „Nicht zuletzt deswegen, weil diese wohl auch kaum zu unterbinden wären.“ Das habe „in einer demokratisch verfassten Partei so auch seine Ordnung“.

Die Bundespartei ist da konsequenter. Die Organisatoren der Berliner Kundgebung vom vorvergangenen Wochenende hatten im Vorfeld zumindest angekündigt, dass Ordner einschreiten würden, sollten Teilnehmer Symbolik von Organisationen zeigen, mit denen die AfD offiziell nichts zu tun haben will. Restlos verhindert wurde dies am Ende nicht, Beobachter konnten die Partei aber an ihrer Ankündigung messen. Im nur presseöffentlichen Rahmen des Bundeskongresses in Seebach jedoch war der Parteijugend das Zuschaustellen der IB-Symbolik offenkundig egal.

Strategische Partnerschaft mit Rechtskonservativen

Dem Bundesvorstand kündigte eine Prüfung des Vorfalls an, weist den Vorwurf der Zuschaustellung aber zunächst zurück. Davon könne „keine Rede sein, der Sticker ist kaum sichtbar“, sagte Bundessprecher Jörg Meuthen ZEIT ONLINE. „Dennoch haben Sticker der IB auf Veranstaltungen der AfD und JA nichts zu suchen. Wir prüfen den Fall.“ Er verweist darauf, dass es sowohl in der AfD, als auch in der JA einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Identitären Bewegung gibt. Scholz, der hinter dem Laptop saß, ließ eine Anfrage dazu unbeantwortet.

Die AfD sucht die strategische Partnerschaft zu vielen neurechten und rechtskonservativen Kräften Europas, so zu rechtspopulistischen Fraktionen im Europaparlament oder zur FPÖ in Österreich. Die offizielle Abgrenzung von den Identitären rührt von deren Beobachtung durch den Bundesverfassungsschutz her. Auch mehrere Landesverfassungsschutzbehörden beobachten die Bewegung. In Österreich ermittelt die Justiz gegen die IB, die Wohnungen mehrerer ihrer Strategen wurden durchsucht. Darunter auch Wohnungen von Martin Sellner und Patrick Lenart, den Betreibern des Online-Shops, der das IB-Werbematerial verkauft.

Drei Strophen der Nationalhymne

Eine Beobachtung der Jungen Alternative in Deutschland wird laufend geprüft, wie eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums am Mittwoch sagte. Derzeit gebe es keine Beobachtung durch die Bundesbehörde.

Die Diskrepanzen zwischen der AfD und ihrer Jugendorganisation zeigten sich auch am Streit um die Nationalhymne. Die Bundeskongressbesucher beschlossen, das sogenannte Lied der Deutschen zum Bestandteil des Schulalltags machen zu wollen. Die Teilnehmer sangen zum Abschluss des Seebacher Treffens alle drei Strophen, was in Deutschland aus historischen Gründen unüblich und von AfD-Veranstaltungen der Bundesebene bisher nicht bekannt geworden ist. Der Bundesvorstand missbilligte das Verhalten der Parteijugend in einer Stellungnahme und drückte sein Befremden aus. Die JA verteidigte sich daraufhin, das Singen aller drei Strophen sei „entgegen anderslautender Gerüchte nicht verboten“.