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Hitler-Feier mit deutscher Beteiligung

 

Mehrere Hundert europäische Neofaschisten haben in Italien den Geburtstag Adolf Hitlers begangen – ungestört von Polizei oder Demonstranten. Das ließen sich auch deutsche Rechtsextreme nicht entgehen.

Von Henrik Merker und Jonas Miller

Neofaschismus: Hitler-Feier mit deutscher Beteiligung
Neonazis am Eingang der Konzerthalle © Henrik Merker/Jonas Miller

Kahl rasierte Männer, auf schwarzen T-Shirts steht „HKN KRZ“ – Hakenkreuz. Groß gewachsen und tätowiert, sie laufen nachts auf einer kaum befahrenen Dorfstraße im Nordosten Italiens, vorbei an etlichen geparkten Autos. Das verschlafene Bauerndorf Sanguinetto hat schon bessere Zeiten gesehen. Weitab von großen Städten zieht es Hunderte Neonazis aus ganz Europa in die Veranstaltungshalle des Ortes, das Mamma Mia.

Es ist Karfreitag, der 19. April, die Nacht zum Geburtstag von Adolf Hitler. Vierzig Kilometer südlich der Stadt Verona und knapp hundert Kilometer westlich von Venedig findet ein Neonazikonzert im Nirgendwo statt. In Deutschland gilt zur selben Zeit ein Tanzverbot. Für den Samstag ist eine weitere Veranstaltung geplant.

Neofaschismus: Hitler-Feier mit deutscher Beteiligung
In der Dunkelheit bewachen Rechtsextreme den Veranstaltungsort.
© Henrik Merker/Jonas Miller

Das Konzert wurde im Internet vom international organisierten Netzwerk Blood and Honour beworben. Deutsche Rechtsrockfans hatten über Chatgruppen Fahrgemeinschaften nach Italien gebildet. Der genaue Ort war bis zuletzt geheim gehalten worden. Um ihn zu erfahren, sollten Besucher einen Schleusungspunkt anfahren, eine Tankstelle an der Schnellstraße von Verona. Dort gab es die Adresse.

Karfreitag: Feiern für Hitler

Bei konspirativ organisierten Neonazikonzerten ist das üblich. Neonazis nutzen Schleusungspunkte, um sich vor Journalisten und Polizei zu verstecken. Doch das ist diesmal nicht nötig. Die Polizei hat eine Station nur 200 Meter neben dem Gelände. Polizisten sind keine zu sehen. An den Kreuzungen im Ort stehen Wachposten der Rechten. Kein Gegenprotest. Rund 250 Neonazis treffen sich völlig ungestört.

Organisiert hat das Fest die Gruppe Veneto Fronte Skinheads (VFS). Die über vierzig Jahre alte Organisation steht Blood and Honour und den Hammerskins nahe. Gruppenmitglieder reisen durch ganz Europa, nehmen an Demonstrationen teil und halten auch in Deutschland ihre Reden.

Vor dem Parkplatz des Mamma Mia steht ein Schild mit dem Slogan der Konzerte: „Defend Europe“. Der Spruch gehört zum Markenkern der Identitären Bewegung, auch andere Rechtsextreme nutzen ihn. Am Straßenrand leuchten Kennzeichen aus Nordsachsen und Oberbayern auf. Die meisten Besucher aber sind Italiener. Faschisten und Neonazis, Mitternacht werden sie auf Hitler anstoßen. Sie brüllen „Sieg Heil“, Musik spielt.

Karsamstag: Eine Messehalle für den Führer

Am Samstagmorgen parkt nur noch ein Offroad-Lkw mit Freisinger Kennzeichen vor dem Mamma Mia. Oberkörperfreie bayerische Neonazis sitzen davor und frühstücken. Alle anderen sind abgereist. Über eine anonyme Telefonnummer ist zu erfahren: Das große Konzert zum Hitler-Geburtstag findet in der 17.000 Einwohner zählenden Kleinstadt Cerea statt, ganz in der Nähe.

Veneto Fronte Skinheads haben dort das riesige Messegelände „Area Ex“ zur Verfügung, mitten im Wohngebiet. Die Messehallen sind nicht als rechter Veranstaltungsort bekannt. Auf der Website sieht man Bilder von Sektempfängen und Messehostessen, am Abend werden international bekannte Neonazibands auftreten. Vierzig Meter von der Polizeistation entfernt.

Kleinstadt in Nazihand

Schon in der Mittagshitze tragen Helfer große Kisten und Taschen in die Hallen. Sicherheitskräften der Veneto Fronte Skinheads in einheitlichen T-Shirts bewachen den Aufbau. Die Männer haben Funkgeräte, melden jede Auffälligkeit auf den umliegenden Straßen.

Wir, die Reporter, wollen fotografieren, parken dafür in sicherer Entfernung – die Bahngleise nach Verona liegen zwischen uns und den Neonazis. Wachposten entdecken uns trotzdem. Das Auto einer Sicherheitsfirma fährt heran, bleibt vor dem einzigen Fluchtweg stehen. Glatzköpfe mustern unseren Wagen, diskutieren hektisch. Erst Minuten später fahren sie weiter, hinter den getönten Scheiben haben sie unsere Kameras nicht erkannt. Wir fahren weiter, in die Innenstadt von Cerea.

Neofaschismus: Hitler-Feier mit deutscher Beteiligung
Rechtsextreme Besucher sitzen in einem Café zusammen. © Henrik Merker/Jonas Miller

Die ist schon voll mit Rechtsextremen. Sie haben die Cafés und Restaurants in Beschlag genommen. „Division Nordsachsen“ steht auf den T-Shirts einer Gruppe von zehn bulligen Männern, die Pizza essen. Vor den Cafés sitzen neofaschistische Italiener. Eine Rockergruppe hat ihre Motorräder auf dem Gehweg geparkt. Auch sie wollen zu dem Konzert, haben nationalistische Abzeichen auf ihre schwarzen Lederkutten genäht.

Entsetzen zum Hotelfrühstück

Deutsche Touristen berichten von Männern in T-Shirts mit der Aufschrift „White Power“, die beim Frühstücksbuffet in ihrem Hotel in Verona saßen. „Es sollte ein erholsames Osterwochenende werden“, sagt ein Paar. Stattdessen Entsetzen und Machtlosigkeit: „Man will das nicht, will nicht mit solchen Leuten im Hotel sein.“

Doch nicht nur im Hotel ist das Ausweichen schwer. Selbst am Stadtrand bietet sich in einem Schnellrestaurant ein ähnlicher Anblick: Eine Gruppe trägt T-Shirts mit den Insignien von Hexagone, dem französischen Ableger des Neonazinetzwerks Blood and Honour. Das Auto, in dem sie gekommen ist, hat ein Kennzeichen aus der französischen Schweiz. Eine andere Gruppe trägt Klamotten von Ansgar Aryan, einer deutschen Marke, die vom bayerischen Neonazi Patrick Schröder vertrieben wird.

Als die Nacht anbricht, leeren sich die Cafés von Cerea, die Neonazis sind jetzt auf ihrem Konzertgelände. Einheimische nutzen die Dämmerung, um noch einen Espresso oder ein Glas Wein zu trinken.

Verbindungen nach Chemnitz

Am Haupteingang der Konzerthalle stehen um die dreihundert Neonazis. Im Inneren sind es wohl weit über tausend, wie Bilder zeigen. Immer wieder urinieren Betrunkene an die Glasfassaden der großen Veranstaltungsgebäude. Die Anwohner müssen den Anblick ertragen.

Dazu kommen Schlagzeugtrommeln, Bassgitarren und das Gebrüll. Die Rufe „HooNaRa! CFC! Chemnitzer FC!“ dröhnen aus der Halle. Die deutsche Band Sleipnir spielt. Wenig später grölt die Band: „Ohohoh, wir sind Patrioten! Wir sind die Patrioten!“ Zwischendurch hört man ein deutliches „Sieg Heil! Sieg Heil! Sieg Heil!“ aus dem Publikum.

Der Schlachtruf „HooNaRa“ ist bemerkenswert: Die Abkürzung steht für „Hooligans, Nazis, Rassisten“. Die braune Fangruppe des Chemnitzer Fußballclubs hatte sich nach dem Tod ihres Anführers 2007 offiziell aufgelöst.

Glocken übertönen das Konzert

Gegen Folgevereinigungen von HooNaRa laufen Terrorermittlungen. Chemnitz spielt eine Schlüsselrolle für die deutsche Neonaziszene, das Kerntrio der Terrorgruppe NSU konnte dort Ende der Neunzigerjahre untertauchen. Vergangenes Jahr kam es in der Stadt an mehreren Tagen zu rassistischen Ausschreitungen.

In Italien feiern auch sächsische Neonazis bis spät in die Nacht auf dem „Defend Europe“-Konzert. Auf die deutsche Band Sleipnir folgen Rechtsrockgruppen aus Schweden, Spanien, Australien, Großbritannien und Polen. Jolly Roger aus Spanien spielten zuletzt unter dem Namen Irreductibles im sächsischen Ostritz. Bei dem Konzert wurden Polizisten und Reporter angegriffen.

Zwei Passanten laufen spätabends am Zaun des Geländes vorbei, bleiben kurz stehen und beobachten das Geschehen. Als ein breiter Typ im schwarzen Shirt mit „Securizza“-Aufdruck auf sie zugeht, machen die beiden kehrt. Mehrfach halten Autos am Zaun, Leute schauen, schütteln den Kopf, fahren wieder.

Völlig aus der Zeit, gegen 21.10 Uhr, läuten plötzlich die Glocken der Stadtkirche. Vier Minuten lang wird das Konzert der Neofaschisten übertönt. Dann herrscht wieder der bedrückende Lärm. Der Protest schweigt sich aus.