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Aktivisten wollen Rechtsextremen den Geldhahn zudrehen

 

Das Neonazisammelbecken Pro Chemnitz sammelt Spenden – auch über den Onlinebezahldienst PayPal. Eine Initiative will den Geldfluss stoppen.

Von Tom Sundermann

Eine gewalttätige Pro-Chemnitz-Demonstration im August vergangenen Jahres
© Matthias Rietschel/Reuters

Auf Facebook hantiert die selbst ernannte Bürgerinitiative Pro Chemnitz mit den ganz großen Zitaten: „Wo Recht zu Unrecht wird, wird der Widerstand zur Pflicht!“, heißt es dort in einem empörten Beitrag über eine Hausdurchsuchung bei einem Mitglied. Direkt darauf folgt ein Spendenaufruf. Wer die Initiative unterstützen will, kann auf ein Konto überweisen oder – noch bequemer – den Onlinebezahldienst PayPal nutzen.

Pro Chemnitz ist ein Sammelbecken für Hooligans, Neurechte und Flüchtlingsfeinde. Bei der Kommunalwahl im Mai holte die Initiative knapp acht Prozent und errang fünf Sitze im Chemnitzer Stadtrat. Bei der vorangegangenen Wahl waren es drei.

Pro Chemnitz brachte den Hass auf die Straße

Bundesweit bekannt wurde Pro Chemnitz, als die Initiative sogenannte Trauermärsche durch die sächsische Stadt organisierte – Reaktion auf eine Tat Ende August 2018, bei der ein Deutscher während einer Auseinandersetzung mit Asylbewerbern erstochen worden war. Die Märsche gerieten zu gewalttätigen Ausschreitungen mit Angriffen auf migrantisch aussehende Menschen. Mehrere Tausend Rechtsextreme reisten an, zeigten Hitlergrüße, griffen auch Gegendemonstranten und Polizisten an. Teilnehmer warfen Flaschen, brüllten „Ausländer raus“.

Bei Weitem nicht alle Teilnehmer dieser Aufmärsche waren Anhänger von Pro Chemnitz, viele kamen aus anderen Teilen der Republik. Doch die Initiative hatte zur Teilnahme aufgerufen. Die Folge: eine Stadt im Ausnahmezustand.

Wer die Ziele der Bewegung teilt, muss allerdings nicht mit dem Mob auf der Straße marschieren – auch Spenden sind möglich. Nicht nur auf der Facebook-Seite, sondern auch auf der Homepage von Pro Chemnitz findet sich ein entsprechender Aufruf nebst PayPal-Logo und Vorschlägen für die Höhe der milden Gabe.

Toleriert PayPal Verstöße gegen die Richtlinien?

Damit soll es nach dem Willen von Aktivisten jetzt ein Ende haben: Die weltweite Initiative SumOfUs will erreichen, dass PayPal das Spendenkonto von Pro Chemnitz sperrt. Unter dem Titel „Keine Zusammenarbeit mit Neonazis!“ hat SumOfUs eine Petition ins Netz gestellt, mit der 50.000 Unterschriften gesammelt werden sollen. Mehr als die Hälfte ist bereits erreicht. „Wir wollen den Druck so weit erhöhen, dass PayPal handelt“, sagt Christian Bock, der die Kampagne vertritt. Der Zahlungskonzern habe bislang nicht konkret Stellung zu dem Fall bezogen, dem Vernehmen nach werde dort jedoch intern schon über den Fall Pro Chemnitz beraten.

SumOfUs ist ein internationales Netzwerk, das nach eigenen Angaben mehrere Millionen Unterstützer hat. Über Kampagnen sollen vor allem Konzerne zum Einlenken bei Missständen bewegt werden. In diesem Fall ist der US-Dienstleister das Ziel, weil man nicht zulassen dürfe, „dass ungestört rassistische Propaganda verbreitet und Gewalt gepredigt werden kann“, wie es auf der Kampagnenseite heißt.

Zahlungsdienstleister PayPal gerät unter Druck. © Thomas White/Reuters

Genau diese Ziele verbietet PayPal eigentlich in seinen Richtlinien. Demnach dürften Nutzer das System nicht für die „Förderung von Hass, Gewalt, rassistischer oder anders motivierter Intoleranz“ nutzen. Das gehört jedoch zum politischen Geschäftsmodell von Pro Chemnitz. Laut Mitteilung des sächsischen Verfassungsschutzes sind Angehörige der Initiative „tief in der rechtsextremistischen Szene verwurzelt“, sie „rechtfertigten (…) rechtsextremistische Propaganda- und Gewaltdelikte“.

In anderen Fällen wurde PayPal tätig

PayPal, dessen europäische Niederlassung in Luxemburg sitzt, beruft sich zu Fragen nach dem umstrittenen Konto auf das Bankgeheimnis. Eine Sprecherin teilt mit, dass der Konzern „regelmäßig fragwürdige Aktivitäten“ überprüfe und „gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen“ ergreife. Pro Chemnitz ließ eine Anfrage von ZEIT ONLINE unbeantwortet.

„Ich bin optimistisch, weil es schon mal funktioniert hat“, sagt SumOfUs-Mitarbeiter Bock. Tatsächlich sperrte PayPal vor zwei Jahren das Konto der Identitären Bewegung, die Spenden sammelte, um Rettungsaktionen von Flüchtlingshelfern auf dem Mittelmeer mit einem eigenen Boot zu behindern. Im vergangenen Jahr kündigte PayPal unter öffentlichem Druck auch das Konto von Tommy Robinson, Gründer der rechtsextremen English Defence League in Großbritannien.

Parallel lässt SumOfUs einen weiteren Schritt der Kampagne anlaufen: Mitglieder sollen sich selbst an PayPal wenden und den Konzern zum Handeln auffordern. Lenkt das Unternehmen tatsächlich ein, wäre der Geldhahn für Pro Chemnitz dennoch nicht endgültig zu. Es gibt noch ein Konto bei der Sparkasse Chemnitz. Bock sagt, es sei auch denkbar, die Bank später zur Sperrung aufzufordern. Werden auch die letzten Spendenmöglichkeiten gekappt, könnten die rechten Geldströme langsam versiegen.