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„Neue Stufe von Nazi-Gewalt“ – Brandanschlag auf Auto

 

Drohungen, Gewalt und Brandanschläge gegen Opferberatungsstellen
Drohungen, Gewalt und Brandanschläge gegen Opferberatungsstellen

Vermutlich Neonazis haben in der Nacht zum Montag in Halle an der Saale das Auto eines Mitarbeiters einer Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in Brand gesetzt. Der Privatwagen brannte vollständig aus. Vorausgegangen war zahlreiche Drohungen aus der militanten Naziszene und dem Umfeld der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN).

Zwei Tage zuvor hatten knapp 1000 Hallenser gegen einen Naziaufmarsch der JN protestiert. Mitgetragen wurden die Proteste von „Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt“. Der Verein ist ein von der Bundesregierung gefördertes Projekt gegen Rechtsextremismus in der Region – und damit das Hassobjekt der lokalen Neonazistrukturen. Seit 1999 unterstützen die Mitarbeiter Initiativen gegen Rassismus und helfen Opfern rechter Gewalt.

„Der Anschlag zeigt deutlich die Gewaltbereitschaft der rechten Szene“, sagte ein Sprecherin von Miteinander. Seit Monaten schüre die JN mit „kaum kaschierten Gewaltaufrufen im Internet ein Klima des Hasses, in dem Gewalt gegen Personen und Sachen gedeiht.“ Mit dem Brandanschlag sei eine neue Stufe der Gewalt erreicht.

„Wir ermitteln in alle Richtungen“, sagte ein Polizeisprecher dem Störungsmelder. Derzeit seien Spezialisten des Landeskriminalamtes damit beschäftigt, die Brandursache zu untersuchen. Der Staatsschutz sei zu dem Fall hinzugezogen worden.

„Wir fordern die staatlichen Stellen auf, die Hintergründe der Taten schnell und umfassend aufzuklären, damit die Täter rechtsstaatlich zur Verantwortung gezogen werden können“, heißt es in einem Aufruf von Miteinander. „Bürgerschaftliches und zivilgesellschaftliches Engagement für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus müssen wirksam geschützt werden.“ Einschüchtern lassen will man sich trotz der Bedrohungen nicht.

Das Gewaltpotential gegen Mitarbeiter von Beratungsstellen hat sich in den letzten Monaten deutlich gesteigert. So wurde im März ein Mitarbeiter des Kulturbüros Sachsen nach einer Prozessbeobachtung in Dresden von Neonazis abgefangen und zusammengeschlagen. Im Juni wurde einem Mitglied von Miteinander auf einem Bahnhof mit dem Tode gedroht. Vor wenigen Wochen riefen Neonazis auf einer Demonstration in Berlin über den Lautsprecherwagen offen zu Gewalt gegen bekannte Gewerkschafter, Journalisten und Mitarbeiter von Projekten gegen Rechts auf. Der rechtsextreme Funktionär Lutz Giesen verlas eine Liste mit Namen und Adressen der Personen. Seine Rede beendete er mit dem Satz: „Wir kriegen euch alle!“ Trotz zahlreicher Hinweise, griff die Polizei nicht ein. Darüber hinaus tauchen immer öfter Fotos und Privatadressen von Bürgern, die sich offen gegen die rechte Szene engagieren, auf rechtsextremen Internetseiten auf.

Die Opferberatung Dresden hat allein 2008 mindestens 14 Brandanschläge gegen Migranten und Projekte gegen Rechts in Sachsen gezählt:

7. April Pizzeria in Reichenbach/ Vogtland
17. April Döner-Imbiss in Großschweidnitz
17. April Asia-Imbiss in Löbau
17. April kurdisches Restaurant in Dresden-Cossebaude
20. April Fanshop „Fischladen“ des „Roten Stern“ in Leipzig
28. April alternatives Wohnprojekt Reitbahnstraß e in Chemnitz
01. Mai Imbisswagen in Wurzen
28. Mai Zirkuszelt in Schönheide / Vogtland
16. Juli Wohnheim für Behinderte in Naunhof
17. Juli alternativer Jugendclub “ Alte Schmiede“ in Rochlitz
12. August vietnamesisches Blumen- und Obstgeschäft in Dresden
8. September afrikanischer Kulturladen in Wurzen
13. September Asylbewerberheim in Oppach
23. November KOMM Haus Leipzig-Grünau