Putin und Assad sind Helden, viele Deutsche degeneriert: Mit Krawallparolen schärft die AfD ihr pro-russisches Profil. Auf einer Demonstration in Sachsen kann sie ihre Verbindungen zu völkischen Gruppen zudem nur schwer verheimlichen.
Von Henrik Merker
Am Himmel hängen dunkle Wolken. Das erste, was Besucher des Städtchens Torgau nordwestlich von Leipzig zu sehen bekommen, ist der marode Bahnhof, von Schimmel befallen, Leerstand ohne Investor. Von den Häusern bröckelt der Putz, in den Jahren nach der Wende wurden sie das letzte Mal saniert. Auf dem Marktplatz haben sich rund 50 graumelierte Herren versammelt, sie tragen Funktionsjacken. Ein jüngerer, etwa 35 Jahre alt, präsentiert seinen roten Pullover der Nazi-Marke Thor Steinar.
Die Herren sind auf Einladung der AfD hier. Vor ihnen parkt ein hellblauer LKW, ein Anhänger dient als Bühne. Darauf präsentiert sich hochkarätiger Besuch: Land- und Bundestagsabgeordnete, Landes- und Kreisvorsitzende der AfD und Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechtspopulistischen Compact-Magazins. Vor ihnen wedeln Russland- und Deutschlandfahnen an Besenstielen.
„Friedensnobelpreis für Putin!“
Es ist eine Friedensdemo. Angeblich. Vor 73 Jahren, am 26. April 1945, schüttelten sich sowjetische und amerikanische Soldaten an der zerstörten Stadtbrücke von Torgau die Hände. Im Jahr 2018 schürt die AfD Hass auf die USA und bejubelt Russlands Präsident Wladimir Putin.
Als einer der ersten tritt André Poggenburg auf die Bühne, AfD-Abgeordneter im Magdeburger Landtag. „Das besonnene Verhalten von Syrien und Russland“ sei vorbildhaft, ruft er den wenigen Zuhörern zu. Und weiter: „Ich fordere den Friedensnobelpreis für Putin!“ Die Besucher applaudieren, die wenigen Polizisten blicken irritiert. Russland solle man unterstützen, fordert der gescheiterte Geschäftsmann.
Seine Partei schärft dieser Tage das Image, das in rechtskonservativen Kreisen derzeit bestens ankommt: als pro-russische Interessengruppe. Dabei ist ihr jedes Mittel recht. Putin und der syrische Machthaber Baschar al-Assad dienen als Vorbilder, die Nato als Feindbild. In der sächsischen Provinz wird dazu noch gegen Westdeutsche gehetzt und die DDR glorifiziert. Ihre Verbindungen zu extrem rechten Gruppen kann sie kaum verheimlichen.
Goebbels-Vergleiche und rechte Kampfsprüche
Mit dem abgewandelten Gelöbnis der Thälmann-Pioniere, einem Teil der SED-Jugendorganisation FDJ, verabschiedet sich Poggenburg: „Für Frieden und Patriotismus, seid bereit!“. Nur wenigen kann der DDR-sozialisierte Parlamentarier ein „immer bereit!“ abnötigen – der offene Bezug zur SED-Jugend, selbst seinen Anhängern ist er zuwider.
Nach Poggenburg tritt die Nürnberger AfD-Politikerin Elena Roon auf die Bühne. Sie hatte in einem internen Chat ihrer Partei Hitler-Bilder gepostet, versehen mit der Aufschrift „Adolf, bitte melde dich! Deutschland braucht dich!“. Durch die Presseberichte darüber habe die bekennende Russlanddeutsche ihren Job verloren, empört sie sich. Dann poltert sie drauf los, „kulturell degenerierte Perversdeutsche“ seien die Wessis, von der 68er-Bewegung „kulturell umerzogen“.
Im Anschluss setzt sich die AfD-Demonstration in Bewegung, vornweg werden Transparente des völkischen Vereins „Spektrum aufrechter Demokraten“ (SAD) getragen. Die Gruppe sieht sich als Verbindung zwischen Rechts und Links und richtet sich an ausschließlich an „deutsche Mitbürger und Arbeiter“. Der Vereinsvorsitzende Sandro Oschkinat vergleicht das Magazin Spiegel in einer Rede mit dem Propagandaapparat von Josef Goebbels. Vokabular extrem rechter und antiimperialistischer Gruppen vermischen sich in den Broschüren des Vereins: „Raubtierkapitalismus“, „Überfremdung“, „großkapitalistische Strippenzieher“.
Verbindungen ins stramm rechte Milieu
Das SAD verteilt auf seinem Tisch auch Flyer eines Vereins namens Mittelstandsforum e.V., darin die Behauptung, man sei der einzige Mittelstandsverband mit direktem Draht in die Parlamente und habe eine Kooperation mit 92 Abgeordneten – so viele, wie die AfD-Fraktion im Bundestag Mitglieder hat. Ein Zufall? Unwahrscheinlich. Der vollständige Name des Vereins lautet Mittelstandsforum der Alternative für Deutschland e.V.
Unter dem Banner der AfD als Friedensbewegung ziehen die rechten Gruppen mit bürgerlichem Anstrich durch die schmalen Torgauer Straßen. Die Anhänger rufen die Parole „Merkel muss weg“. Zwischenzeitlich wächst die Demo auf 250 Teilnehmer. Zurück auf dem Marktplatz sprechen der AfD-Abgeordnete Frank Pasemann und Publizist Jürgen Elsässer. Auch ihre Themen sind Russland und Syrien. Dass Assad Giftgas gegen die Bevölkerung eingesetzt habe, glaube er nicht, poltert Pasemann. Das sei „unlogisch und unglaubwürdig“. Elsässer pflichtet ihm bei. Nur dank Putin sei die Situation nicht eskaliert. Sie können sich darauf verlassen, dass ihre Sprüche in entsprechenden Kreisen gut ankommen.