Die AfD in Magdeburg will Migranten mit zweifelhaften Behauptungen als Verbrecher abstempeln. Eine dubiose Bürgerinitiative trägt die Hetze mit einem Fackelmarsch auf die Straße.
Von Hardy Krüger
Der Hasselbachplatz ist in Magdeburg ein Knotenpunkt in vielerlei Hinsicht. Einmündende Straßen machen ihn zur Verkehrsgabelung, Bars und Diskotheken zum Kneipenzentrum – und etliche polizeilich festgestellte Straftaten zu einem Kriminalitätsschwerpunkt der Hauptstadt Sachsen-Anhalts. Über die Ursachen besteht weitgehend Einigkeit: Die Polizei verzeichnet einen hohen Anteil alkoholisierter Jugendlicher als Täter, Medien berichten von Ausschreitungen betrunkener Fans eines örtlichen Fußballclubs.
Nur die AfD hat eine ganz andere Gruppe als Urheber ausgemacht: Migranten. Was auf dem Platz passiert, das zeige, wie „mit der unkontrollierten Massenzuwanderung seit 2015 auch die Kriminalität zugewandert“ sei, erklärte der AfD-Landtagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt. Vorausgegangen war die Antwort des Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage vom Frühjahr 2019, die Schmidt gestellt hatte. Nur: In der Antwort steht nichts über die Herkunft der Tatverdächtigen. Woher der Abgeordnete seine Behauptung nimmt, bleibt unklar.
Migranten nicht willkommen
In rechten Kreisen fallen seine Thesen dennoch auf fruchtbaren Boden. Am Samstagabend trafen sich rund zweihundert Sympathisierende am Hasselbachplatz, mobilisiert von der rechtsgerichteten Gruppe Bürgerinitiative Magdeburg. Der Aufzug sollte ein Fanal setzen: Mit Brandfackeln in den Händen zogen die Teilnehmer vom Magdeburger Hauptbahnhof in Richtung des Platzes. Sie demonstrierten, wie es in einem Internetaufruf hieß, „für sichere Städte und die Zukunft unserer Kinder“. Die eigentliche Botschaft war aber eine andere: Migranten sind hier nicht willkommen.
Tatsächlich ist die Causa Hasselbachplatz ein Schmelztiegel von Rechtsextremismus und Bürgerlichkeit. Jan Wenzel Schmidt, der AfD-Abgeordnete, ist auch Landeschef der vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuften Jungen Alternative, der Nachwuchsorganisation seiner Partei. Zudem unterhält er Kontakte zu anderen Köpfen der extremen Rechten. Im März 2016 war er „Redner und Ehrengast“ bei einer Versammlung der Identitären Bewegung im sachsen-anhaltinischen Wernigerode. Einen Monat später wurde bekannt, dass er einen ehemaligen Bundestagskandidaten der NPD in seinem Wahlkreisbüro beschäftige. Der Landesverband seiner Partei hielt bisher trotzdem an Schmidt fest. Und nicht nur das.
Fackelmarsch als Fanal
Der AfD-Kreisverband Magdeburg greift Schmidts Behauptung auf und macht die Kriminalität am Hasselbachplatz zu einem der Topthemen für die Kommunalwahlen im Mai. „Die Willkommenskultur der Weltkanzlerin für jeden“ habe „entscheidend zu einer Verschärfung der Situation“ dort beitragen, schreibt Spitzenkandidat Ronny Kumpf in einer Mitteilung. Er verlangte stattdessen, „die Straßen der Stadt Magdeburg für unbescholtene Bürger und fleißige Unternehmer zurückzugewinnen“.
Diesem Ruf folgte nun die Bürgerinitiative Magdeburg mit ihrem Fackelmarsch. Sie gilt als Vorfeldorganisation des Pegida-Ablegers Magdeburger gegen die Islamisierung des Abendlandes oder kurz Magida. Diese wiederum wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Grund sei die Nähe der Organisation zu rechtsextremistischen Parteien wie NPD und Die Rechte, schreibt die Behörde in ihrem aktuellen Bericht. Nach außen sei Magida jedoch bemüht „ein unverfängliches Bild des bürgerlichen Protestes zu etablieren“, heißt es.
AfD-Thesen kommen bei Neonazis an
Dies gelingt der Bürgerinitiative Magdeburg jedoch nur bedingt. Schon eine Versammlung im November 2018 zog Dutzende Rechtsextremisten an. Auch damals liefen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Fackeln durch die Stadt, ein Flugblatt für die Veranstaltung war mit Aufnahmen von marschierenden Neonazis in Sachsen bebildert.
Ähnlich die Situation am Samstag: Auf dem Hasselbachplatz traf sich eine Mischszene aus Magida-Sympathisanten, parteilosen Neonazis und extrem rechten Parteifunktionären. Unter ihnen waren etwa der sachsen-anhaltinische NPD-Landesvorsitzende Steffen Thiel oder der Republikaner-Bundesvorstand Alexander Kurth. Auch ein Funktionär der extrem rechten AfD-Abspaltung Aufbruch deutscher Patrioten hielt eine Rede.
Doch noch bevor der Marsch am Hasselbachplatz ankam, wurde klar, dass die Thesen über kriminelle Einwanderer nicht unwidersprochen bleiben. 35 Gegendemonstranten blockierten eine knappe Stunde lang die Route. Am Platz selber protestierten weitere 200 lautstark. Das von den Rechten erhoffte Signal ging unter Pfiffen und Vuvuzela-Lauten ihrer Gegner unter.