„Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“
So lautet Artikel 38 des Grundgesetzes.
Weiter heißt es:
„Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat.“
Und trotzdem gibt es in Deutschland Menschen, die über 18 sind und denen der Staat dennoch kein Wahlrecht gegeben hat.
Bundesverfassungsgericht soll es richten
Acht behinderte Menschen haben deshalb jetzt Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, weil sie bei der Bundestagswahl 2013 nicht wählen durften. Zuvor war ihr Einspruch gegen die Wahl durch den Bundestag abgelehnt worden.
Die Beschwerdeführer wollen, dass die Verfassungshüter die Gründe, warum sie nicht wählen dürfen, für nichtig erklären. Unterstützt werden sie dabei von der Bundesvereinigung Lebenshilfe und der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP).
Wählen darf nach einer Regelung des Bundeswahlgesetzes nicht, für wen eine Betreuung in allen Angelegenheiten besteht. Außerdem ist von der Wahl ausgeschlossen, wer sich im psychiatrischen Maßregelvollzug befindet, weil er oder sie aufgrund einer Krankheit oder Behinderung schuldunfähig ist und krankheitsbedingt weitere Taten drohen.
Die acht von der Wahl Ausgeschlossenen sind damit nicht alleine. Die Lebenshilfe schätzt, dass deutschlandweit rund 10.000 Menschen von diesen Regelungen betroffen sind und man ihnen kein Recht einräumt, zur Wahl zu gehen.
Leichte Sprache gibt Zugang zu Information
Lebenshilfe und Caritas halten das für verfassungswidrig. „Natürlich können auch Menschen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben, eine überlegte Wahlentscheidung treffen“, so die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Ulla Schmidt. Wichtig sei, dass Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung Informationen zur Wahl in leichter Sprache erhalten und so bei der Ausübung ihres Wahlrechts unterstützt werden.
Diese Angebote in leichter Sprache gibt es immer mehr. So bietet beispielsweise die Zeitung Das Parlament, öffentlich-rechtliche Sender, aber auch politische Parteien und der Bundestag selbst politische Informationen in leichter Sprache an.
Was bei der Problematik deutlich wird: Den Gründen für den Ausschluss zur Wahl liegt ein veraltetes Bild von dieser Gruppe behinderter Menschen zugrunde. Das sieht man auch bei der Caritas so: „Sie stammen aus einer Zeit, als Gesellschaft und Recht Menschen mit Behinderung nicht zutrauten, in allen gesellschaftlichen Bereichen teilhaben zu können“, sagte Johannes Magin, Vorsitzender des CBP.
Willkür
Das Wahlrecht wird obendrein willkürlich entzogen: Dass jemand betreut wird oder in einer psychiatrischen Klinik untergebracht wird, heißt nicht automatisch, dass er oder sie nicht wählen und sich vor der Wahl informieren kann.
In Artikel 3 Satz 2 verbietet das Grundgesetz zudem, dass Menschen wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden. Auch Artikel 29 der UN-Behindertenrechtskonvention garantiert behinderten Menschen das Wahlrecht. Deutschland hat sich verpflichtet, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Das bedeutet auch, behinderten Menschen das gleiche Wahlrecht einzuräumen wie nicht behinderten Menschen.
Das alles ist leider ein unschönes Beispiel dafür, dass Inklusion oft nicht am Geld scheitert, sondern an Vorurteilen. Bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht das auch so sieht.