Die Qualität von Fluggesellschaften lässt sich meiner Meinung nach erst bemessen, wenn irgendetwas gründlich schiefläuft. Wenn Passagiere etwa wegen der Aschewolke eines isländischen Vulkans hängen bleiben (ja, selbst erlebt). Oder wenn es, wie am Freitagabend, irgendein Mensch für eine prima Idee hält, einen Tränengaskanister in einer Abflughalle des London City Airport zu deponieren und damit 26 Menschen verletzt.
Wir saßen alle schon abflugbereit auf unseren Sitzen und warteten darauf, dass das Flugzeug endlich zur Startbahn rollt, als die Durchsage kam, dass die Maschine nirgendwohin fliege. Der Flughafen sei aufgrund eines Vorfalls geschlossen worden und wir sollten bitte wieder aussteigen.
Vor Kurzem war ich in Köln, um einen Vortrag zu halten. Die Veranstaltung war am Vormittag, mein Flug nach Hause ging erst am Abend und so entschloss ich mich, in die Innenstadt zu fahren, bummeln zu gehen und mich dort in ein Café zu setzen, um ein bisschen zu arbeiten. Ich nahm also die Straßenbahn zum Hauptbahnhof, gab dort meinen Koffer in die Gepäckaufbewahrung und wollte herausfinden, ob ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln am Abend zum Flughafen fahren kann oder ob ich mir ein Taxi nehmen muss, was ich in der Hauptverkehrszeit eigentlich vermeiden wollte. Weiter„Einfach so mit der S-Bahn fahren“
Wenn man etwas als Rollstuhlfahrerin braucht, dann sind es Zeit und Geduld. Eigentlich müsste man mit Aushändigung des Behindertenausweises auch gleich eine Stunde mehr Zeit auf das tägliche Zeitkonto verbucht bekommen. Man wartet eigentlich ständig auf irgendwas: dass einem der Hintereingang geöffnet wird, dass der Behindertenparkplatz frei wird, oder aber auch darauf, endlich das Flugzeug verlassen zu dürfen. Weiter„Warten in Tegel“
Ich wollte mal eben zwei Hotelzimmer buchen. In zwei großen deutschen Städten. „Mal eben schnell“ geht so etwas nie – jedenfalls dann nicht, wenn man ein barrierefreies Zimmer braucht. Denn barrierefreie Hotelzimmer sind in Deutschland meistens nicht online buchbar. Die Hotels geben sie einfach nicht ins System ein, oft kann man diese Option nicht einmal auswählen, sondern man muss anrufen. Jedes Mal.
Wenn man mit amerikanischen Menschen mit Behinderungen spricht und sie fragt, was sie am meisten nervt, dann bekommt man oft zu hören „positive Diskriminierung“. Mit positiver Diskriminierung ist gemeint, dass man aufgrund der Behinderung bevorzugt behandelt wird, obwohl es dafür eigentlich keinen Grund gibt und man das gar nicht möchte.
Berge und Barrierefreiheit passen oft leider nicht so gut zusammen. Aber die österreichische Stadt Graz zeigt, wie das trotzdem geht. Graz hat ziemlich viel im Bereich Barrierefreiheit erreicht und so kommt man sogar auf den Schloßberg – per Bergbahn oder per Fahrstuhl im Berg ganz barrierefrei.
Wenn man als Rollstuhlfahrerin fliegt, ist das jedes Mal immer ein kleines Abenteuer. Ich fliege dennoch sehr viel und sehr gerne. Daher kenne ich die Abläufe. Mich bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Ich schule selbst Personal in der Luftfahrtbranche, ich kenne alle Kürzel und kenne den Checkin-Vorgang vorwärts und rückwärts. Und vergisst mal jemand auch meinen Rollstuhl mit einem Anhänger zu versehen, erinnere ich auch gerne daran. Sie gehören zur Kategorie „Beliebter Fluggast“ sagte neulich eine Checkin-Mitarbeiterin zu mir und ja, ich gebe mir Mühe, mir selbst und allen, die mit meinem Flug betraut sind, das Leben so einfach wie möglich zu machen.
Als ich die Anfrage erhielt, in Belfast einen Vortrag zu halten, habe ich ohne Zögern zugesagt. Ich war noch nie in Belfast, auch noch nie in (Nord-)Irland und es gibt eigentlich nichts, was ich mehr mag, als neue Städte und Regionen zu entdecken. Deshalb habe ich auch gleich eine Nacht drangehängt, um noch ein wenig Belfast zu erkunden, bevor es zurück nach London ging. Weiter„Barrierefreies Belfast“
Es gibt nichts, was ich besser kann als improvisieren und Lösungen finden. „Geht nicht, gibts nicht“, hat meine Oma immer gesagt und so überlege ich mir immer, wie etwas doch gehen könnte statt zu verzweifeln, wenn es etwas nicht so klappt, wie ich mir das vorgestellt habe. Mein Hotelzimmer ist gerade so ein Fall.
Das Hotel hat ein vorbildlich barrierefreies Zimmer. Einziger Haken: Es ist ein Raucherzimmer. Wie man als Hotel ein barrierefreies Zimmer ausgerechnet als Raucherzimmer auslegen kann, wenn man nur eines hat, wird mir immer ein Rätsel bleiben, aber es ist so. Ein barrierefreies Nichtraucherzimmer gibt es nicht.
Rauchende Nachbarn
Als ich ankam, sagte man mir, es sei seit drei Monaten nicht mehr bewohnt gewesen, man habe gut gelüftet und tatsächlich, in der ersten Nacht roch es auch kaum nach Rauch in dem Zimmer – bis die Nachbarn einzogen, die offensichtlich Raucher sind. Und so zog deren Qualm über die Klimaanlage schön erst ins Bad und dann ins Zimmer selbst.
Also fragte ich an der Rezeption, ob ich mal ihre nicht barrierefreien Zimmer ansehen könne. Wenn das Bad groß genug ist, komme ich oft auch so zurecht. Man sagte mir, man habe sogar freie Appartements. Ich könne eines zum gleichen Preis haben. Diese sind größer als die regulären Zimmer. Und ja, das Zimmer war in der Tat völlig in Ordnung für mich. Ich kam sogar ins Bad. Das einzige Problem: Es gab keine Griffe an der Toilette, was für mich als Rollstuhlfahrerin das Umsteigen schwieriger macht. Aber das war ich bereit zu akzeptieren, um dafür nicht eingeräuchert zu werden.
Kein Duschstuhl
Das zweite Problem war schwerwiegender: Es gab keinen Duschstuhl. Der Duschstuhl im barrierefreien Zimmer war fest montiert. Ich kann ja nicht stehen. Also brauche ich einen Stuhl in der Dusche. Den eigenen Rollstuhl mit in die Dusche zu nehmen, ist nicht so toll. Die Sitzbespannung wird nass, trocknet schlecht und für den Rollstuhl insgesamt ist das auch nicht gerade lebensverlängernd.
Nun stehe ich nicht zum ersten Mal vor diesem Problem. Ich fragte also das Hotelpersonal, ob sie mir einen Hocker oder einen wetterfesten Gartenstuhl besorgen könnten. Die meisten Hotels haben irgendwelche Grünflächen. Und für diese gibt es meistens auch Stühle, die wetterfest sind und denen eine Dusche nichts ausmacht. Man sah sich etwas ratlos an, aber dann gingen zwei Mitarbeiter auf die Suche in den Kellerräumen des Hotels. Und tatsächlich, man fand einen Stuhl. Zwar nicht sehr bequem aber dennoch für die Zwecke ausreichend. Ich legte ein Handtuch darüber und schon hatte ich eine für mich nutzbare Dusche.
Lösung Gartenstuhl
Nur die Rezeptionistin hatte Bedenken. Ob ich sicher sei, dass das nicht gefährlich ist. Deshalb gebe es ja barrierefreie Zimmer. Ich musste etwas schmunzeln. Wenn sie wüsste, wie die Zimmer ihrer Konkurrenz teilweise aussehen. Da ist eine Gartenstuhllösung schon fast elegant.
Selbst in als barrierefrei ausgewiesenen Zimmern kommt es vor, dass man den Duschstuhl einfach vergessen hat. Und so versicherte ich ihr, dass ich vermutlich tausende Nächte meines Lebens in Hotels verbracht habe und gewohnt bin, auf Gartenstühle und andere provisorische Lösungen auszuweichen. Das hat sie dann doch überzeugt und ich durfte mit meinem Gartenstuhl dort weiter wohnen. Ganz rauchfrei.
Inklusion funktioniert übrigens auch in vielen anderen Bereichen ganz genauso wie meine Gartenstuhllösung. Man muss einfach schauen, wie etwas dennoch funktionieren kann statt nichts zu tun und mit den Schultern zu zucken – das Prinzip Gartenstuhl funktioniert öfter als man glaubt.
Den Beginn meiner Liebe zum Fliegen verdanke ich der Deutschen Bahn. Als ich nach dem Abitur von Hessen nach Hamburg zog, um zur Uni zu gehen, fuhr ich öfter mit der Bahn und fand es furchtbar. Wer, wie ich, Rollstuhlfahrerin ist und in den ICE oder in andere Züge einsteigen will, die Stufen haben, muss sich 24 Stunden vorher bei der Bahn anmelden, wenn er Assistenz haben möchte. Mitarbeiter der Bahn kommen dann mit einem Hublift, der vor die Zugeingangstür geschoben wird. So kommt man dann barrierefrei in den Zug.
Nach der x-ten schlechten Erfahrung mit diesem Service – von unfreundlichen Mitarbeitern bis Mitarbeitern, die gar nicht erschienen – entschloss ich mir von meinem Studentenbudget irgendwann einmal ein Flugticket von Frankfurt nach Hamburg zu kaufen, anstatt die Bahn zu nutzen und war begeistert. Zwar nicht vom Vorgang für Rollstuhlfahrer, um ins Flugzeug zu kommen, aber von der Freundlichkeit des Personals. Außerdem liebe ich das Fliegen überhaupt. Ich kann an Bord super entspannen und ich habe die besten Ideen über den Wolken. Ich würde am liebsten jeden meiner Texte im Flieger schreiben.
Auch das Fliegen ist nicht perfekt, aber es hat sich in den vergangenen Jahren ebenfalls massiv verbessert. Für behinderte Fluggäste begann 2008 eine neue Ära. Denn dann trat die EU-Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 für Fluggäste mit eingeschränkter Mobilität in Kraft. Diese gewährleistet behinderten Fluggästen umfassende Rechte gegenüber den Fluggesellschaften und den Flughäfen. Die EU-Verordnung schreibt vor, dass niemand aufgrund von Behinderung oder eingeschränkter Mobilität bei Flugreisen diskriminiert werden darf. Luftfahrtunternehmen können behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität die Beförderung nur aufgrund klar definierter Sicherheitsgründe verweigern. Behinderte Menschen haben Anspruch darauf, zu den selben Bedingungen reisen zu können wie nicht in ihrer Mobilität eingeschränkte Passagiere. Dazu zählt zum Beispiel das Recht auf unentgeltliche Hilfeleistungen am Flughafen und an Bord sowie die unentgeltliche Beförderung von bis zu zwei Hilfsmitteln. Und das alles gilt für alle Flüge, die an einem EU-Flughafen starten oder enden.
Mit der EU-Richtlinie wurde auch endlich die Finanzierung der Assistenz an den Flughäfen klar geregelt. Viele Flughäfen schrieben die Assistenzleistungen neu aus, Personal wurde an vielen Flughäfen aufgestockt, neu organisiert und geschult. Behinderte Menschen wurden endlich zu Reisenden mit Rechten gegenüber der Fluggesellschaft und den Flughäfen statt zu Bittstellern, die jedes Mal bangen mussten, ob man sie mitnimmt.
Ich weiß, dass ich meine Liebe zum Fliegen nicht mit vielen anderen Rollstuhlfahrern teile. Haupthindernis beim Einsteigen ist, dass man seinen Rollstuhl abgeben muss. Dafür setzt man sich auf einen kleinen, schmalen Bordrollstuhl um und wird dann vom Assistenzdienst des Flughafens ins Flugzeug gebracht.
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Der Rollstuhl kommt in den Bauch des Flugzeugs und ich hoffe jedes Mal inständig, dass der Rollstuhl heil am Zielort ankommt. Zwei Mal war das bislang nicht der Fall. Der Rollstuhl hatte in beiden Fällen einen ordentlichen Schlag auf die Hinterräder bekommen. Vermutlich war ein Container verrutscht oder ein schweres Gepäckstück darauf gefallen. Einmal hatte ich einen Achter im Rad selbst, ein anderes Mal war die Steckachse des Rades total verbogen. In beiden Fällen war ich zum Glück in Städten, in denen ich den Rollstuhl schnell reparieren lassen konnte. Ein Alptraum wäre, wenn der Rollstuhl gar nicht ankommen würde.
Aber auch das häufige Umsetzen vom Rollstuhl auf den Bordrollstuhl und von dort auf den Flugzeugsitz ist für viele behinderte Reisende ein Problem. Es wird wohl in absehbarer Zeit nicht möglich sein, in seinem eigenen Rollstuhl zu fliegen, was die Ideallösung wäre, aber dennoch wird an Alternativen zum jetzigen System gearbeitet. Das hier ist eine Idee:
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Fliegen für behinderte Passagiere barrierefreier zu machen, ist definitiv eine Herausforderung, der sich vor allem die Fluggesellschaften stellen müssen. Dazu gehört natürlich nicht zuletzt, die EU-Verordnung einzuhalten. Aber am Ende werden auch Ingenieure gefragt sein, um intelligentere Lösungen zu schaffen als die derzeit vorhandenen.