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Für Erdoğan nur die Schokoladenseite

 

Dass es der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan einfach nicht ertragen kann, wenn sich die Leute von ihm abwenden – das ist nun auch im wörtlichen Sinne bewiesen.

Am Montag fuhr sein Konvoi durch Iğdır im südöstlichsten Zipfel der Türkei, es ist Wahlkampfzeit im Land, am 7. Juni entscheiden die Türken über ein neues Parlament. Als der Bus ein Büro der gegnerischen Partei HDP passierte, drehte eine Gruppe Frauen, die davor stand, dem Präsidenten demonstrativ den Rücken zu.

Eine kleine Geste der Ablehnung, die für Erdoğan zu viel war. Er schimpfte noch am gleichen Tag: „Es tut mir Leid, mein Anstand erlaubt mir nicht, es anders auszudrücken: Sie haben mir den Rücken zugekehrt und das Victory-Zeichen gemacht!“ Erdoğan kriegte sich gar nicht mehr ein, am nächsten Tag sagte er zu dem Vorfall: „Wenn Sie nur ein Minimum an Freundlichkeit, Ehre und Kompetenz hätten, wäre das Parlament der Ort für Politik.“

Dann wiederum reichte es vielen Türkinnen. Sie fotografierten sich von hinten und fluteten unter dem Hashtag #SırtımızıDönüyoruz („Wir drehen unsere Rücken“) das Netz innerhalb weniger Stunden mit weiteren Rückseiten-Fotos. Der Hashtag führte die Twitter-Charts in der Türkei an und schaffte es weltweit bis auf Platz 3. Allein am 2. Juni zählte der Statistik-Dienst Topsy 122.138 Tweets dazu.

In der Türkei sind die sozialen Medien spätestens seit den Gezi-Protesten 2013 der Ort, an dem sich der Protest gegen den zunehmend autoritären Erdoğan und seine Mitstreiter am schnellsten und kreativsten formiert. Es gab Twitter-Kampagnen mit lachenden Frauen, als ein Stellvertreter Erdoğans den Frauen das Lachen verbieten wollte. Online machten sie sich auch lustig über jene regierungstreuen Fernsehsender, die statt der Gezi-Proteste lieber eine Pinguin-Doku übertragen hatten. Und über den Energieminister, der eine Katze für einen stundenlangen Stromausfall während einer Wahlauszählung verantwortlich machte. Für Erdoğan ist Twitter Teufelszeug, er verklagt seine Kritiker dort regelmäßig, hat die ganze Plattform schon mehrmals sperren lassen.

Dass so viele Türken ihrem Präsidenten den Rücken zuwenden, ist dabei ein sehr treffendes Bild für die Polarisierung, die das Land nach 13 Jahren Erdoğan-Regierung bestimmt.

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