Ein Staat braucht eine Hauptstadt, dachte sich wohl der IS – und wählte das syrische Rakka, einst ein Symbol für Multikulturalität und Freiheit. Noch vor einigen Jahren lebten hier Gläubige friedlich neben Laizisten. Heute werden Ehebrecherinnen gesteinigt, ihre Leichen mitten in der Stadt zur Schau gestellt. Die Rakkawis, die Einwohner Rakkas, müssen sich den Islamisten fügen.
Fünfmal am Tag müssen alle beten, dafür sorgen die Milizionäre, die an jeder Straßenecke stehen, eine Hand um ihr Sturmgewehr gelegt und eine Rute für Prügelstrafen in der anderen. Im syrischen Bürgerkrieg galt Rakka zeitweise als eine der wenigen Städte, in denen es einigermaßen sicher war. Seitdem der IS Anfang 2014 die Stadt einnahm, herrscht ein so brutales Regime, wird die Stadt so oft angegriffen, dass viele ihr Leben aufs Spiel setzen, um dem Terror zu entfliehen.
Es ist nahezu unmöglich, Rakka zu besuchen. IS-Einheiten kontrollieren jeden, der hineinwill. Die New York Times hat deshalb eine interaktive Reportage erstellt, mit der man virtuell über die Stadt fliegen kann – und die verbleibenden Sehenswürdigkeiten besichtigen. Auf dem Stadtplan kann man sehen, wo früher das beliebteste Burger-Restaurant Rakkas war, und wo heute öffentliche Plätze als Bühnen für Hinrichtungen dienen. Beliebte Parks sind verwaist, Einkaufszentren geschlossen.
Die Tour über eine Stadt, die von Terror und Schrecken geprägt ist, bedrückt. Aber: Es gibt Lebenszeichen. Einige ehemalige Einwohner Rakkas haben sich zu einer Widerstandsorganisation gegen den IS zusammengeschlossen. Sie nennen sich „Raqqa is being slaughtered silently“ (RIBSS) und beschreiben in der Reportage, wie ihr Leben in Rakka früher war.
Immerhin eine Sehenswürdigkeit haben die Islamisten in Rakka noch nicht zerstören können: das Bagdad-Tor, einen steinernen Bogen aus dem 12. Jahrhundert. „This is the symbol of the city. Thank God it’s still standing“, sagt einer der Anti-IS-Aktivisten.