Politik lebt von Bildern, und seien es Bilder vom Zähneputzen in neu eingerichteten Badezimmern. Zwei Wochen vor der wichtigen Neuwahl in Spanien hat die Protestpartei Podemos einen kleinen Coup gelandet und ihre Wahlthesen als Ikea-Katalog veröffentlicht (hier als PDF).
Das ist nur folgerichtig: Die Formation, die aus den Demonstrationen gegen die Sparpolitik des Krisenlandes entstand, will die Stimme des spanischen Durchschnittsbürgers sein. Podemos-Gründerin Carolina Bescansa hofft, das dies das „meist gelesene Programm“ der Geschichte wird.
Der Rundgang durch die schöne, neue Podemos-Wohnung beginnt in der Küche. Dort steht Ex-Generalstabschef der spanischen Armee, Julio Rodriguez, also der seriöseste Kandidat, den die Partei bisher aufbringen konnte, am Herd und befindet: „Die spanische Küche muss sich modernisieren.“ Eine Anspielung auf das Große und Ganze, natürlich.
Beim Blumengießen im Bereich Büromöbel verspricht Parteichef Pablo Iglesias, seine Partei werde die jüngsten Arbeitsmarktreformen zurücknehmen und die damit verbundende Lohndrückerei beenden. Sein interner Rivale, Íñigo Errejón, beugt sich ein paar Seiten weiter konzentriert über einen Schreibtisch voller Akten. Podemos werde die Beziehungen zu Lateinamerika ausbauen, steht da, wo im Original wohl die Stifte-Aufbewahrungskästen Förhöja beworben würden. Der Bezug auf Lateinamerika ist interessant: Schließlich werfen die Konservativen der Partei eine zu große Nähe zum chavistischen Regime in Venezuela vor.
Selbst ein junger Podemos-Kandidat im karierten Bademantel mit zerzaustem, langem Haar und Kaffeetasse in der Hand ist im Katalog zu finden. Dem leicht ungepflegten Aufgestandenen wurde keine politische Forderung an die Seite gestellt, sondern lediglich ein Platz im Inhaltsverzeichnis zugewiesen. Hier wurde nichts dem Zufall überlassen.
Die spanische Partei ist Meister der geschickten Selbstvermarktung– das hat auch die eher langweilige deutsche Linke erkannt. Deren Vorsitzende schrieben kürzlich darüber, „was wir von Podemos lernen können“. Denn die noch junge Partei verfolgt eine ausgeklüngelte Kommunikationsstrategie, die Social Media und positive Mobilisierung verbindet. Der Name der Formation ist an den Obama-Slogan von 2008 angelehnt: Podemos heißt übersetzt „Wir können“.
Am Ende hat aber auch Podemos die Marotten einer ganz normalen Partei: Auf gut 129 Seiten Bilder folgen im Katalog die 100 Seiten Textwüste, in denen nochmal alles ganz genau erklärt wird. Für fortgeschrittene Leser, sozusagen. Unklar bleibt weiter, was das kürzlich vorgestellte Wahlbündnis von Podemos mit den bisher eher orthodoxen Vereinigten Linken (Izquierda Unida) bedeutet. Wie moderat ist Podemos wirklich? Am 26. Juni und danach dürfte es spannend werden.
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