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So homosexuell ist Europa

 

Seit vielen Jahrzehnten versuchen Statistiker herauszufinden, wie viele Menschen tatsächlich homosexuell, bisexuell oder transgeschlechtlich sind – und das ist keine einfache Aufgabe. Nur in wenigen Ländern werden dazu offizielle Daten erhoben, zudem ist die Sexualität etwas sehr Individuelles und Privates. Sie lässt sich vielleicht gar nicht so leicht mit Begriffen definieren und viele Menschen möchten darüber vielleicht auch gar nicht sprechen. Das Berliner Marktforschungsinstitut Dalia hat nun seine Ergebnisse einer neuen europaweiten Umfrage über mobile Geräte (Smartphones, Tablets und Rechner) veröffentlicht.

In einer ersten Frage sollten die Teilnehmer angeben, ob sie sich selbst als „lesbisch, schwul, bisexuell oder transgeschlechtlich“ bezeichnen würden. Im zweiten Schritt sollten die Teilnehmer ihre aktuelle sexuelle Orientierung beschreiben mit den Worten: „ausschließlich heterosexuell“, „hauptsächlich heterosexuell, manchmal homosexuell“, „gleichermaßen heterosexuell und homosexuell“, „hauptsächlich homosexuell, manchmal heterosexuell“, „ausschließlich homosexuell“, „asexuell“, „keine Angabe“.

Auch wenn die Datenanalysten auf Lücken in ihrer Umfrage hinweisen, so lassen sich zumindest neun Länder der EU vergleichen. Gefragt nach ihrer Sexualität bezeichnen sich demnach 10 Prozent der Europäer aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Österreich, den Niederlanden, Polen und Ungarn als etwas anderes als „ausschließlich heterosexuell“. Fast 6 Prozent der knapp 12.000 Befragten beantworteten die Frage danach, ob sie sich als lesbisch, schwul, bisexuell oder transgeschlechtlich (LGBT) bezeichnen würden, mit Ja.

Deutschland belegt dabei mit 7,4 Prozent den Spitzenplatz, gefolgt von Spanien, Großbritannien und den Niederlanden. Auf dem letzten Platz mit 1,5 Prozent landet Ungarn mit deutlichem Abstand hinter Polen (4,9 Prozent) und Italien (4,8 Prozent).

Frauen identifizieren sich eher mit LGBT als Männer

In beinahe allen neun Ländern bezeichneten sich deutlich mehr Frauen als lesbisch, bisexuell oder transgeschlechtlich, als es Männer taten. Nur in Polen und Großbritannien gaben mehr männliche als weibliche Teilnehmer an, sich zur LGBT-Kategorie gehörig zu fühlen.

Millennials sind schwuler und lesbischer

Spannend aus den Daten zu ersehen ist, dass Menschen zwischen 14 und 29 Jahren auch deutlich häufiger angaben, nicht ausschließlich heterosexuell zu sein. Die LGBT-Millennials liegen in Spanien mit 14 Prozent auf Platz eins, gefolgt von Großbritannien mit mehr als 12 Prozent. In Deutschland sehen sich mehr als 11 Prozent der 14- bis 29-Jährigen als lesbisch, schwul, bisexuell oder transgeschlechtlich. Einziger Ausreißer scheint Österreich zu sein. Hier sind den Ergebnissen von Dalia zufolge deutlich mehr Menschen zwischen 50 und 65 Jahren LGBT als junge.

Die Unsicherheit bleibt

Dalia merkt selbst an, dass seine Daten weit davon entfernt seien, ein definitives Bild zu zeigen. Trotz anonymer Befragung per App bleibe die sexuelle Identität ein sehr persönliches Thema. Immerhin gaben acht Prozent der Befragten an, sich gar nicht dazu äußern zu wollen. In der anonymen Befragung will Dalia aber zugleich die Stärke seiner Daten sehen, da sich mehr Menschen ermutigt gesehen haben könnten, zu antworten, als in offiziellen, staatlichen Umfragen.

„Unsere Zählung der LGBT-Bevölkerung ist ein wichtiger Schritt nach vorn für eine Minderheit, die in Zensusdaten oft nicht repräsentiert wird“, schreiben die Autoren der Umfrage und verweisen auf den Demographen Gary Gates, der sagte: „There’s a saying: ‚You don’t count in policy circles until someone counts you.'“ („Man zählt nichts in politischen Kreisen, solange bis dich jemand zählt.“)

Dass gegen die Diskriminierung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern gerade in Deutschland noch immer viel getan werden muss, zeigen die Reaktionen auf ein Foto, das aktuell bei Facebook geteilt wird. Es zeigt zwei Jungen, die sich küssen. In den Kommentaren darunter finden sich massenhaft strafrechtlich relevante Beschimpfungen: „Scheiss arschficker kranke [sic!]“ oder „solche tüpen gleich töten [sic!]“ sind nur einige davon.


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