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Alles, nur kein Kugelmensch

 

Dicke Menschen sind faul. Dicke Menschen ernähren sich ungesund. Dicke Menschen können vom Essen kaum ablassen. Und das einzig Inspirierende an dicken Menschen ist, wenn sie etwas an sich ändern, also: abnehmen möchten. All diese Vorurteile hat die Hamburger Werbeagentur Jung von Matt in ihren neuen Edeka-Werbespot zu pressen vermocht, der am vergangenen Dienstag online ging: In aufwendig produzierten Bildern sehen wir die verschneite Tristesse einer Welt von adipösen, oder vielmehr: mit Fatsuits ausgestatteten Kugelmenschen, die sich tagein, tagaus vom gleichen, grünlich-grauen Einheitsbrei ernähren.

Neidisch betrachtet ein Kugeljunge einen Vogel: Auch er würde gern fliegen können. Kann er aber nicht, er ist zu schwergewichtig für die Luftballons, klar. Also tut er es dem Vogel gleich und tauscht das Breichen durch gesunde Beeren aus – um im Anschluss nicht nur abzunehmen, sondern auch abzuheben. Neidisch blicken die Kugelmenschen von unten hinauf. „Iss wie der, der du sein willst“, lautet die Conclusio.

https://twitter.com/queerdenkerin/status/831869056571551745

Auf die viralen Kampagnen #supergeil und #heimkommen lässt Edeka nun also #issso folgen. Eatkarus lautet der Name des dazugehörigen Spots, ein zweifelhafter Wortwitz in Anlehnung an den Mythos des Ikarus. Doch in zahlreichen Blogs und Tweets formiert sich nun Widerstand: Sind manche der Meinung, es handle sich lediglich um einen Aufruf zu gesunder Ernährung, werfen viele dem Spot Fatshaming vor, die Diskriminierung übergewichtiger Menschen.

https://twitter.com/NiggemeierJoris/status/832139255870783489

Kritiker des Spots rufen inzwischen gar zu einer kollektiven Beschwerde auf: Via Facebook, Fax und Telefon soll der Unmut an Edeka und Jung von Matt herangetragen werden. Zudem wird zu einer Beschwerde beim Werberat angeregt, der zuletzt zwei Unternehmen aufgrund frauenfeindlicher Werbung öffentlich kritisierte.

Edeka weist die Kritik zurück: Eine Diskriminierung von Übergewichtigen sei nicht beabsichtigt. Mittels einer „gewissen Überzeichnung“ sei es das Ziel des Spots, ein „Bewusstsein für gesunde und bewusste Ernährung zu schärfen“, schreibt das Unternehmen auf Facebook. Darauf, dass diese Überzeichnung auf Kosten von, kicher kicher, adipösen Menschen geht, die im Spot als irgendetwas zwischen belächelns- und bemitleidenswert charakterisiert sind, geht der Konzern nicht ein:

Was dabei ganz in Vergessenheit gerät: In der griechischen Mythologie stürzt Ikarus letztendlich ab. Er kommt der Sonne so nahe, dass ihre Wärme das Wachs seiner Flügel schmilzt – eine Erzählung, die gemeinhin als Sinnbild für Übermut herangezogen wird. Vielleicht ist auch Edeka dieses Mal, nun ja: zu weit geflogen.


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