Es liegt in der Natur des Films, alle Künste aufnehmen und abbilden zu können. Vor allem zwischen dem Film und der Malerei gibt es seit jeher eine Verbindung, die die Grenzen des jeweiligen Mediums sprengt. Auch die diesjährige Berlinale zeigt zwei Filme zum Thema. Eine kleine Reise durch eine Welt aus Bildern
Filme zu Ehren großer Maler*innen wie zum Beispiel Loving Vincent (PL/UK/2017) oder Frida (US/2002) erlebten in den letzten Jahren eine Renaissance und Inszenierungen von Gemälden in Filmen zu zählen, käme einer Lebensaufgabe gleich. Auch auf der Berlinale 2019 ist der an Gerhard Richters Biografie angelehnte Film Werk ohne Autor (GER/2018) im Programm. Woher kommt dieser Trend und ist er wirklich neu? Nein, denn obwohl diese Künste auf den ersten Blick nicht viel miteinander gemein haben, hat ihre Verbindung eine lange Tradition, und bei genauerer Betrachtung weisen Film und Malerei in vielerlei Hinsicht natürliche Verwandtschaften auf. Die kleinsten gemeinsamen Nenner sind dabei vermutlich das Auge und die Leinwand. Doch gibt es eine signifikante Unterscheidung: die Bewegung. Während im Film 24 Bilder pro Sekunde über die Leinwand flirren, scheinen Gemälde in ihren Rahmen gefangen zu sein. Film, wie wir ihn kennen, gäbe es nicht ohne den großen, unbeweglichen Vorgänger. Um die lebendigen Welten im Studio entstehen zu lassen, wurden unter anderem matte paintings angefertigt. Bilder, die wie eine Maske die Studiowände verbargen, in denen seit den Anfängen des Films große Produktionen gedreht wurden. Bühnenbilder, Bilder in Bildern und Gemälde als Inspiration, all dies macht in gewisser Weise den Zauber des Kinos auch heute noch aus und Regisseure wie Darsteller werden nicht müde, sich vor der Malerei zu verneigen.
Ein prominentes Beispiel dafür ist der italienische Regisseur Pier Paolo Pasolini der mit seinen Tableaux vivants Filmgeschichte schrieb. Die Inszenierung dieser lebenden Bilder geht auf das frühe 18. Jahrhundert zurück, bei Anlässen und Festen wurden bekannte Gemälde von Künstlern nachgestellt. Pasolini griff dies mit der neuen Filmtechnik wieder auf und bettete sie in eine neue Handlung und einen neuen zeitlichen Kontext:
In La Ricotta (dt. Der Weichkäse/Italien, Frankreich/1963) wird ein fiktiver Bibelfilm gedreht und im Zuge der Arbeiten ein manieristisches Bild des Malers Rosso Fiorentino mit lebenden Schauspielern nachgebaut. Dies scheitert immer wieder an den Darstellern und das Gemälde wird zunehmend zur Karikatur. Unabhängig von jeder Gesellschaftskritik und Deutungsweise ist es eine Verneigung des Regisseurs vor dem Maler.
Für Herbert Ross‘ filmische Interpretation von Edward Hoppers Nighthawks (1942) in Pennies from Heaven (dt. Tanz in den Wolken/USA/1981) liegt nach Aussage des Regisseurs die Idee zugrunde, dass mit diesem Bild eine ganze politische und wirtschaftliche Wirklichkeit gezeigt wurde, die der Autor in seinem Film abbilden wollte. Es ist daher nicht überraschend, dass die Szene im Film fast identisch zum gemalten Original ist:
Nicht immer spiegeln sich die Verweise auf eine spezielle Zeit oder Stimmung so frappierend wie in Herbert Ross‘ Film. Das Kostüm der Figur Django in Quentin Tarantinos Django Unchained (USA/2012) wurde inspiriert durch das Gemälde The Blue Boy von Thomas Gainsborough und zur Grundlage des dandyhaften Charakters im Film. Obwohl The Blue Boy nicht für den Film reinszeniert wurde, wird die Atmosphäre und Ästhetik des Gemäldes in Form des Kostüms durch den gesamten Film getragen.
Im Berlinale-Programm findet ein Film erneute Aufmerksamkeit, bei dem die Grenzen zwischen Gemälde und bewegtem Bild im Film selbst verschwimmen. Béla Tarr filmte die Bilder für Sátántangó (Ungarn/1994) in einer Art, die den Film teilweise fast zum Stillstand bringt. In langen Einstellungen und unbeweglichen Sets und Darstellern vermischt sich der Eindruck des Kinos mit dem Besuch eines Museums der alten Meister.
Diese Ruhe findet sich auch in der Eröffnungsszene des Lars-von-Trier-Films Melancholia, und wenn man seinen Worten Glauben schenken darf, so war es ein Gemälde, das der Entstehung des Films Pate stand. So war es Ophelia, 1952 von John Everett Millais gemalt, dass ihn dazu inspirierte, Melancholia zu drehen und Kirsten Dunst als Frau im Wasser zu zeigen.
Wenn Regisseur*innen Gemälde zitieren, muss dass der Deutung des Films also nicht zwangsläufig zuträglich sein. Jedoch bekommen wir Zuschauer*innen einen Anhaltspunkt, einen Hinweis, wie man mit dem gesehenen Film umgehen kann. Sie gewähren einen Blick in die künstlerische Tätigkeit der Filmschaffenden – und auf fantastische Bilder.