Megan Rapinoe spricht – und die Welt hört zu. Die Co-Kapitänin des US-Fußballteams und Ikone des Frauenfußballs hat am Mittwoch in New York, wo die US-Amerikanerinnen ihren WM-Titel feierten, eine Rede gehalten, die der Sport noch nicht erlebt hat. Und die ob ihrer Substanz und Rhetorik sowie Rapinoes Charme und Überzeugung beinahe an den Bürgerrechtler Martin Luther King erinnerte.
„Das ist mein Auftrag an alle“, sagte Rapinoe in ihrer gut sechsminütigen Rede, die auf Social Media von Millionen Userinnen und Usern auf der ganzen Welt geteilt wurde. „Wir müssen besser werden. Wir müssen mehr lieben, weniger hassen. Wir sollten mehr zuhören, weniger reden. Es ist unsere Aufgabe, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“
Die Homosexuelle Rapinoe setzt sich seit vielen Jahren für die Rechte der LGBTQ-Bewegung ein, wofür sie gefeiert, aber auch bekämpft wird. „Es gab so viel Streit in letzter Zeit. Ich war ein Opfer davon“, sagte sie in New York. „Ich war auch eine Täterin.“ Mit dieser Selbstkritik spielte sie auf die Tatsache an, dass sie ihren eigenen Fußballverband auf gleichberechtigte Zahlung verklagte.
Rapinoe ist auch eine Widersacherin Donald Trumps, dem sie vorwirft, die Gesellschaft zu spalten. Sie nannte ihn zwar nicht persönlich – allerdings darf sich der Präsident angesprochen fühlen, etwa von ihrer allgemeinen Aufforderung zur Versöhnung. „Wir müssen zusammenarbeiten, es braucht jede und jeden. Tut, was ihr könnt“, rief sie den manchmal jubelnden, manchmal gebannt zuhörenden Fans zu. „Ihr seid mehr als Fans. Ihr seid mehr als Leute, die alle vier Jahre ein Fußballteam unterstützen. Ihr begegnet täglich Menschen in eurer Gemeinschaft. Wie könnt ihr sie besser machen, wie könnt ihr die Menschen um euch herum besser machen? Eure Familie, eure Freunde, die zehn oder hundert Menschen, die euch am nächsten stehen.“
„Ja, wir treiben Sport, ja, wir spielen Fußball, ja, wir sind Athletinnen. Aber wir sind so viel mehr als das. Nehmt uns als Beispiel!“, sagte Rapinoe in ihrer typischen, aber auch landesüblichen Mischung aus Selbstbewusstsein und Spirit. „Wir haben rosa Haare, wir haben lila Haare, wir haben Tattoos und Dreadlocks. Wir sind weiße Frauen und schwarze Frauen und alles dazwischen. Unsere Gruppe ist unglaublich. Wir sind Heteros und Lesben, und ich könnte nicht stolzer sein, mit Carli (Lloyd) und Alex (Morgan) das Team aufs Feld zu führen. Es ist mir eine große Ehre und es gibt keinen Ort, wo ich mich wohler fühlen würde, das Präsidentschaftsrennen eingeschlossen.“
Das war vermutlich ein Witz, doch wird Rapinoes Plädoyer für Diversität und Toleranz sicher im politischen Amerika gehört werden. Eine Einladung Trumps ins Weiße Haus hatte Rapinoe mehrfach abgelehnt, seinen Slogan „Make America Great Again“ mit den Worten kritisiert: „Eure Botschaft schließt mich aus, ihr schließt Menschen aus, die wie ich aussehen. Ihr schließt auch Nichtweiße aus. Man besinnt sich auf eine Ära, die nicht für jeden großartig war. Vielleicht war sie das für ein paar Leute, und vielleicht ist es heute großartig für einige wenige, aber nicht für genug Amerikaner.“
Auch Rapinoes Worte in New York waren kämpferisch, doch sie sprach nicht verbissen, sondern mit Charme und der sonnenbebrillten Lässigkeit einer Siegerin, die zur besten Spielerin der WM gewählt wurde und auch die große Chance hat, die Wahl zur Weltfußballerin des Jahres zu gewinnen. „Wir hatten eine große Last zu schultern, doch heute feiern wir unseren großen Erfolg mit euch. Und wir taten es mit einem Lächeln. Ich bitte euch, tut es uns gleich!“
Nach ihrer Rede wurde bekannt, dass zwei Tage zuvor Plakate mit der Abbildung Rapinoes in einer New Yorker U-Bahn-Station mit Hassparolen beschmiert worden waren. Die Polizei ermittelt.
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