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400 Jahre Unfreiheit

 

Am Eingang des Nationalen Denkmals für Frieden und Gerechtigkeit steht eine Skulptur zum Gedenken an den Sklavenhandel  © Bob Miller/Getty Images

Es begann mit einer vergleichsweise kleinen Zahl: 20. Und es sollten noch viele Hunderttausende mehr werden, die aus Afrika nach Nordamerika entführt wurden.

Im August des Jahres 1619 legte ein englisches Schiff an einem Stück Küste mit dem Namen Point Comfort an. Der Küstenabschnitt befindet sich im heutigen Bundesstaat Virginia und war damals noch britisches Gebiet. Das Schiff brachte 20 Afrikanerinnen und Afrikaner aus dem heutigen Angola gegen ihren Willen auf das nordamerikanische Festland. Sie betraten die damals noch englische Kolonie, wurden verkauft und versklavt.

Die New York Times widmet diesem besonderen US-amerikanischen Jahrestag einen Schwerpunkt mit dem Titel The 1619 Project. Verschiedene Essays, Reportagen, aber auch Gedichte machen es sich darin zur Aufgabe, die Geschichte des Land neu zu framen und die Konsequenzen der Sklaverei in den USA aufzuzeigen. Stets mit dem Fokus auf den Ort Point Comfort, welcher durch das Ereignis vor 400 Jahren zu einem Symbol für Ungerechtigkeit und Schrecken wurde. Die afrikanischen Sklavinnen und Sklaven trafen in Nordamerika ein, bevor die Mayflower im Jahr 1620 mit englischen Siedlern eintraf. Sie waren da, bevor Nordamerika zu den Vereinigten Staaten wurde. Und somit sind sie ein essenzieller Teil der US-amerikanischen Entstehungsgeschichte.

Erst 1865 fand die Sklaverei in den USA konstitutionell ein Ende. Doch auch nach diesem historischen Meilenstein der afroamerikanischen Emanzipationsgeschichte war das Unrecht nicht vorbei. Das Ende der Sklaverei war ein riesiger Fortschritt für die Afroamerikanerinnen und Afroamerikaner, doch wurden sie verletzlich zurückgelassen. Laut des 13. Zusatzartikels der US-amerikanischen Verfassung waren Schwarze frei, doch der institutionelle Rassismus spiegelte sich in lokalen Gesetzgebungen wider. Sogenannte Black Codes schränkten die Freiheit der schwarzen Bevölkerung ein, indem sie beispielsweise die Berufs- oder Ortswahl einschränkten. Sogenannte Jim-Crow-Gesetze setzten die Rassentrennung in den Südstaaten durch und machten schwarze Menschen zu second-class citizens. Rassistische Hassverbrechen, wie die zahlreichen Lynchmorde an Kindern und Erwachsenen, Anschläge auf afroamerikanische Gemeinden oder die Formierung des rechtsterroristischen Ku-Klux-Klan waren weitere Bedrohungen, die sich als Folgen der Sklaverei und aus der weißen Vorherrschaft entwickelten.


Im Jahr 2011 wurde der geschichtsträchtige Küstenabschnitt in Virginia durch den damaligen US-Präsidenten Barack Obama zu einem Nationaldenkmal erklärt. Doch auch nachdem die erste schwarze Familie in das Weiße Haus einziehen konnte, sind die Folgen jahrelanger weißer Vorherrschaft deutlich sichtbar: Ob in Form von Wählerunterdrückung bei der Gouverneurswahl in Georgia in den Midterm Elections 2018 oder in der gesellschaftlichen Ungleichheit zwischen schwarzen und weißen Bürgerinnen und Bürgern in sämtlichen Lebensbereichen. Eines wird deutlich: Die langersehnte postrassistische Welt ist noch weit entfernt.