„Wake up, Deutschland, Sleeping Beauty, can you hear your call of duty?“ Im vergangenen Jahr hat Jan Böhmermann den Ruf der deutschen Polizei gerettet, nun den des gesamten Landes: Be deutsch [Achtung! Germans on the rise] ist der böhmermannsche Werbefilm für ein nettes, besseres Deutschland. Rollstuhlfahrer, Fußballspieler, Priester, Niqab-Trägerinnen stellen sich zu Rammstein-Sound einer beigegrauen Geisterarmee von Pegidisten und AfDlern entgegen. Das ist alles ganz putzig anzuschauen, auch wenn man sich fragt, ob man hier vor einem Böhmermann-Video sitzt oder vor dem neuen Uefa-Spot gegen Rassismus.
„Guten Tag, die wahren Deutschen sind da“, singt Böhmermann. „Freundlich – liberal – mitfühlend – fürsorglich“. Natürlich kann man solche Sätze auch durch die Ironiebrille lesen. Aber insgesamt weht durch dieses viereinhalbminütige Video ein seltsamer Ernst.
Das ist auf den ersten Blick bemerkenswert, denn Böhmermann gibt sich hier politischer, als es sein Ruf erlaubt. Immerhin wird er seit #varoufake als das subversive Supertalent unserer Mediengesellschaft gehandelt. Und als eine Figur, der es wichtiger ist, im Gespräch zu sein, als wirklich politisch wirken zu wollen.
Hat sich das geändert? Gleich in der ersten Szene werden die Geschehnisse von Clausnitz nachgestellt: Ein Polizist zerrt einen kleinen Jungen aus dem Bus, draußen schwingt ein wütender Mob seine Transparente. Doch dann – Gegenschnitt – wird es gleich wieder heiter: Wassersprudler, Lebkuchenherzen, eine Hyper-Hyper-CD als Beispiele des deutschen Pazifismus. Dazwischen noch mal kurz Hitler. Und dann wieder Weltmeister und Würste.
Wer Sojawürstchen isst, ist kein Rassist. Das ist, kurz gesagt, die Aussage dieser Deutschlandhymne. Und: Wer Funktionsklamotten trägt, zündet keine Flüchtlingsunterkunft an. Böhmermann stilisiert hier einen „netten“ Deutschen, der per definitionem gar nicht fremdenfeindlich sein kann. Ein liberaler Priester, eine hilfreiche Krankenschwester, sogar der Schäferhund bellt freundlich. Und am Schluss wedeln alle mit Europafahnen.
Also, liebes Deutschland, aufgeatmet: We’re fucking nice. Zum Glück haben wir mit Jan Böhmermann einen über jeden Selbstzweifel erhabenen Laudator.