Wer ab dem nächsten Jahr das Staatsoberhaupt der USA sein wird, das entscheiden die rund 226 Millionen wahlberechtigten Amerikaner bei der Präsidentschaftswahl am 8. November. Welche Bevölkerungsgruppen dabei den größten Einfluss auf den Wahlausgang haben und was passieren würde, wenn genau die sich nur leicht anders entscheiden als es derzeit den Anschein hat, das zeigen zwei Journalisten der Datenjournalismusplattform FiveThirtyEight mit einer interaktiven Anwendung.
Pro Kandidat zeigt der Swing-O-Matic zwei schematische US-Karten, bei denen jeder Staat durch ein Quadrat dargestellt ist. Die Grundkarte ist grau. Die Staaten, die laut der Vorhersage an den jeweiligen Kandidaten fallen werden, sind in der Parteifarbe eingefärbt. In den Starteinstellungen ist Clintons Karte vor allem an der nördlichen West- und Ostküste blau, Trumps USA in der Mitte des Landes und im Süden rot eingefärbt. Mit 332 zu 206 Wahlstimmen wäre es dann Hillary Clinton, die den Präsidentschaftsthron besteigen würde.
Was wäre, wenn die derzeitigen Umfrageergebnisse nicht ganz stimmen? Wenn doch mehr Latinos Trump wählen, als man dank seiner Aussagen über Einwanderer vermuten würde? Der Swing-O-Matic lässt solche Wahlszenarien nachstellen. Dafür haben die Macher die Wählerschaft in vier große demografische Gruppen aufgeteilt: Die weiße Mehrheit, die afroamerikanische Bevölkerung, Hispanics und Asiaten sowie sonstige Ethnien. Mit einem Regler lassen sich die Wahlbeteiligung sowie der Stimmenanteil für einen der beiden Kandidaten verschieben. Die weiße Bevölkerung kann zusätzlich nach Bildungsstand und Geschlecht aufgeteilt werden. Verschiebt man die Regler Richtung Trump, lösen sich die Staaten aus Clintons Karte Stück für Stück, rasen an ihren Platz in Trumps Karte und färben sich rot. Ein kleiner Haken an den Wahlstimmen kürt den neuen Sieger.
Behält man alle Starteinstellungen, simuliert jedoch, dass die weniger gebildete weiße Bevölkerung nur um 5 Prozentpunkte mehr für Trump stimmt als es die Umfragen derzeit vorhersagen, dann gewinnt Trump. Kippen könnte dieses Ergebnis aber bereits mit einem Prozentpunkt mehr Stimmen für Hillary von Weißen mit einem College-Abschluss. Doch was die Anwendung spielerisch vor allem zeigt, ist der große Einfluss der Wahlbeteiligung auf das Ergebnis. Mobilisiert Trump Nicht-Wähler und verliert Clinton den Kampf um noch Unentschlossene, könnte es schon bald einen Präsidenten Trump geben.
Der Swing-O-Matic war zum ersten Mal im Dezember letzten Jahres erschienen und ist nun verbessert worden. Die Ergebnisse basieren auf Umfragen und vor allem den Wahlen von 2012. Weil sich die demografischen Daten der Staaten seitdem geändert haben, wurden die Ergebnisse auf die aktuelle Bevölkerungsstruktur umgerechnet. Trotzdem kann man sich vorstellen, dass die Ergebnisse aus der Wahl Obama gegen Romney wenig für eine Vorhersage der aktuellen Wahl hergeben.
Eine wahrscheinlich durch den Einfluss der 2012-Wahl entstandene Verzerrung scheint der aktuelle Startwert für weiße Frauen zu sein: Laut FiveThirtyEight werden sich 55% von ihnen für Trump entscheiden, was nach der neuen Affäre anders zu erwarten wäre. Auch der „third-party-slider“, der die Stimmenanteile für die kleineren Parteien simuliert, funktioniert nicht sehr realistisch. Gesetzt ist er auf die 2% von den Wahlen 2012. Verschiebt man den Regler auf einen höheren Stimmenanteil, verändert sich am Gesamtergebnis so gut wie nichts, denn die zusätzlichen Stimmen werden in gleichen Teilen von den zwei Hauptkandidaten abgezogen. Dabei wäre zu vermuten, dass die Grünen-Kandidatin Jill Stein weniger Wahlstimmen von den Demokraten zieht als der Libertäre Gary Johnson von den Republikanern.
Aber so ist das ja immer mit Vorhersagen: Sie treffen den Nagel selten genau auf den Punkt, weil in der Realität viel mehr reinspielt als es sich mit Umfragen und Daten von vor vier Jahren beschreiben lässt. Trotzdem ist der Swing-O-Matic ein tolles Werkzeug, um Einflussgrößen bei den US-Wahlen zu identifizieren und seine eigenen „Was wäre, wenn“-Szenarien durchzuspielen. FiveThirtyEight setzt dem Leser damit nicht einfach eine als Fakt verkleidete Hochrechnung hin, sondern lässt sie ihre eigenen Vermutungen anstellen und durchspielen. Und zeigt damit vielleicht einigen Unentschlossenen, wie wichtig ihre Stimme für den Wahlausgang sein wird.
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