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Der Wettkampf um die höchsten Töne

 

Der Wettkampf um die hohen Töne
Die Sopranistin Audrey Luna als Leticia Maynar in der Oper „Der Würgeengel“ – allerdings nicht in New York, sondern bei den Salzburger Festspielen. © Ernst Wukits/imago

Nicht nur im Sport, nein, auch in der Klassikwelt gibt es eine stille Sehnsucht nach Rekorden. Jüngstes Beispiel ist eine Performance der Sopranistin Audrey Luna an der Metropolitan Opera in New York. Das erste Mal in der Geschichte des Hauses ist es der Amerikanerin gelungen, in einer Arie des Werks „Der Würgeengel“ von Thomas Adès das hohe A zu singen.

Die New Yorker Tageszeitungen überschlagen sich seitdem mit Lobeshymnen: So etwas habe es an der Met noch nie gegeben. Hohe Cs: ja. Hohe Ds und Es: alles schon vorgekommen. Auch hohe Fs und Gs haben die New Yorker schon gehört. „Aber ein hohes A, das Ergebnis genetischer Disposition, rigoroser Übung und psychologischer Disziplin? Das ist neu, das ist monumental“, schrieb der Journalist Zachary Woolfe in schriller Begeisterung in der New York Times. (Dort können Sie Luna in einem Video auch singen hören.)

Doch wer genau hinschaut, stellt fest, dass es sich nur um einen hausinternen und nicht um einen musikhistorischen Rekord handelt. Mariah Carey beispielsweise ist nicht nur fähig, Songs in einem Spektrum von fünf Oktaven zu singen. Sie hat es auch geschafft, das hohe Fis anzustimmen – also fast eine ganze Oktave über Audrey Lunas Met-Rekord zu liegen. Und das zu mehreren Gelegenheiten.

https://www.youtube.com/watch?v=EUUE4ePt8Xc&feature=related

Ohnehin ist in der Opernwelt der Wirbel um die hohen Töne umstritten. Nicht „dass“ sie erreicht werden, ist die entscheidende Frage, sondern das Wie – also die Frage nach ihrer Qualität. Bei den hohen Tönen handelt es sich um Stimmreflexe des Pfeifregisters. Es ist das höchste Register der menschlichen Stimme und betrifft Töne ab dem hohen C, also ab einer Tonfrequenz von 1.046,50 Hertz. Nur sehr wenige Menschen können in diesem Register singen.

Das Phänomen ist wenig erforscht. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich bei Pfeifregister-Tönen die Stimmlippen maximal anspannen und bis auf eine kleine Restöffnung geschlossen sind. Die Stimmbänder schwingen kaum, der Ton wird ähnlich wie beim Pfeifen mit dem Mund durch Luftwirbel hervorgerufen. Daher ist es so schwierig, die Töne in hoher Qualität zu produzieren – was begründet, warum etwa die Arie der Königin der Nacht in Mozarts Zauberflöte als höchste Qualitätsprobe einer Sopranistin gilt. Die höchsten Töne in dieser Arie reichen vom hohen C bis zum hohen F. Sie sind schwer erreichbar und eine besondere Herausforderung für jede Sängerin.

Doch auch hier scheiden sich die Geister: Geht es wirklich um Höhe? Oder vielleicht eher um Koloratur und musikalische Farbe? Musik ist am Ende vielleicht ja doch kein Sport, sondern Reflexionsraum des Gefühls, Sprache des inneren Seelenlebens. Wenn man sich das Guinessbuch der Rekorde anschaut, fällt nicht zufällig auf, dass ausgerechnet ein Mann den Rekord im Singen der höchsten Töne hält: Gemeint ist der Australier Adam Lopez. Er kann bis zum fünfgestrichenen Cis singen. Der Ton liegt einen Halbton über dem höchsten Ton eines Klaviers und hat eine Frequenz von 4.435 Hertz.

Der Tenor Adam Lopez beherrscht die hohen Töne wie kein Zweiter. Das macht ihn aber trotzdem zu keinem überragenden Sänger. Eine Tatsache, die irgendwie beruhigend wirkt.


Weitere Netzfundstücke gibt’s im Teilchen-Blog.