Manchmal entspringen der Realität derart absurde Blüten, dass man sie für einen Witz halten möchte. Wenn aber immer noch eine Pointe oben aufgesetzt wird, geht dies schon als unfreiwillige Satire durch. Man könnte sich überhaupt erst einmal fragen, wie jemand auf die Idee kommt, eine lebensgroße Statue von einem osmanischen Prinzen mit Turban aufzustellen, der mit einem Smartphone ein Foto von sich macht.
Für den stellvertretenden Bürgermeister der türkischen Touristenstadt Amasya aber scheint daran nichts Ungewöhnliches zu sein. „Wir haben die Statue aus rein ästhetischen Gründen errichten lassen“, sagte Osman Akbaş. „Wir dachten, es würde Aufmerksamkeit erzeugen.“
So gesehen hat die Stadtverwaltung ihr Ziel schon längst erreicht, um nicht zu sagen, dass sie darüber hinausgeschossen ist. Touristen und andere Besucher der Stadt folgten dem Ruf des Selfie-Prinzen und knipsten Handy-Fotos von sich und dem technikaffinen Osmanen vor der historischen Kulisse der Altstadt.
Die Begeisterung aber scheint nicht jeder in Amasya zu teilen. Nur einen Tag nach der Einweihung fand man den Prinzen am Morgen seiner wichtigsten Schätze beraubt. Das Smartphone, welches er mit seiner Rechten hoch über den Turban hielt, war ihm halb abgeschlagen geworden. Genauso der Krummsäbel, der links neben seinen Gewändern in der Scheide hing.
Die Stadtverwaltung aber wollte das modern interpretierte Selbstbewusstsein des osmanischen Erbes dieser Region nicht kampflos dem Vandalentum überlassen. Seit gestern patrouillieren nun örtliche Sicherheitskräfte verstärkt an dem Denkmal und gewähren dem Prinzen Polizeischutz. Auch ein gelbes Absperrband flattert nun am Tatort. Der Bürgermeister ließ wissen, dass er Anzeige gegen Unbekannt erstattet habe.
Es kann nicht mehr lange dauern, bis sich der türkische Staatspräsident in die Affäre einschaltet. Recep Tayyip Erdoğan hat sich schließlich schon häufiger als Bewahrer der muslimischen Überlieferungen profiliert, zum Beispiel neulich, als er seinen Vorvätern die Entdeckung Amerikas zuschrieb.
Gleichzeitig gilt Erdoğan doch als Modernisierer der Türkei, der dem Land den großen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht hat. Wir warten also auf ein Bild von Erdoğan mit dem osmanische Prinzen nach dessen Restaurierung. Vielleicht könnte in diesem Zug dem Smartphone noch eine Selfie-Stange angefügt werden. Dann müsste sich der Prinz nicht so strecken.
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