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#PrayforPeace: Beirut wehrt sich gegen das Vergessenwerden

 

ParisBeirut
Illustration von Kristian Labak

Nach der Anschlagsserie von Paris solidarisierte sich das Netz in Windeseile. Nur einen Tag früher hatten in Beirut zwei Selbstmordattentäter 40 Menschen getötet ohne einen vergleichbaren Widerhall. Viele Menschen aus dem Libanon fühlen sich in ihrem Leid vergessen und treten nun im Netz für ihren Platz ein – unter Protest oder mit einem Appell an das, was die Opfer des Terrors verbindet.

Am 12. November erreichte der Terror des „Islamischen Staats“ den Libanon. In einem schiitisch geprägten Teil von Beirut sprengten sich zwei Selbstmordattentäter in die Luft. Dabei starben 44 Menschen. Doch in der Politikberichterstattung vieler Medien war der Anschlag kaum mehr als ein Fortschreiben der Chronologie islamistischen Terrors. Empathie zeigte vor allem die muslimische Welt. Nur einen Tag später erschütterte eine Anschlagsserie die französische Hauptstadt Paris. In Echtzeit drang der Terror an die weltweite Netzöffentlichkeit: Auf Twitter bekundeten Nutzer unter #PrayForParis und #NousSommesUnis oder #NousSommesTousParis ihre Anteilnahme, teilten aktuelle Nachrichten, Notrufnummern oder Botschaftsadressen unter #ParisAttacks. Auch Solidaritätsbekundungen auf Bildern schwemmten die sozialen Netzwerke. Das Bekannteste stammt von dem französischen Grafiker Jean Jullien:

Auch außerhalb Europas kam das Netz in Bewegung: Facebook schaltete am Freitag die neue Funktion „Safety Check“ frei, mit der Nutzer in der Gegend um Paris ihren Freunden mit einem Klick Entwarnung geben konnten: „Ich bin in Sicherheit“ oder „Ich bin nicht in der betroffenen Gegend“. Auch ein Fotofilter in den Farben der Trikolore wurde eingeführt: Nutzer sollten ihre Solidarität mit Frankreich bekannt geben können, indem sie ihr Profilbild blau-weiß-rot einfärbten. Das Leid von Beirut schien plötzlich vergessen – so empfanden es zumindest viele Nutzer, die an den Anschlägen in Beirut großen Anteil genommen hatten.

 

 

Tatsächlich hatte Facebook nach den Anschlägen in Beirut keinen „Safety Check“ angeboten – bislang war die Anwendung für Naturkatastrophen wie Erdbeben eingesetzt worden. Und auch der einzige bislang eingeführte Flaggenfilter galt der Regenbogenflagge, mit der die landesweite Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen in den USA gefeiert werden sollte. Facebooks Vizepräsident für Wachstum, Alex Schultz, teilte als Begründung mit, es müsse immer ein erstes Mal geben, bei dem Neuheiten ausprobiert würden, und in dauerhaft vom Krieg heimgesuchten Gebieten sei das Tool nicht sinnvoll.

Trotz struktureller Begrenzungen machten die Internetnutzer ihre Stimme im Netz hörbar. Viele muslimische Nutzer verwendeten beide Hashtags #BeirutAttacks und #ParisAttacks und später #PrayForBeirut und #PrayForParis in ihren Tweets. Der Künstler Kristian Labak teilte wenig später ein Bild, das Jean Julliens Werk ergänzen sollte:

Auch der Hashtag #notinmyname lebte auf: Viele Muslime distanzierten sich damit von den mit ihrer Religion in Verbindung gebrachten Terroranschlägen.

Auf Facebook machten Bilder mit Gedenkkerzen die Runde, die an die im Leid vereinten Opfer und ihre Angehörigen erinnern sollten. Aus den Hashtags beider Städte wurde ein religions- und erdteilübergreifendes #PrayForPeace – und viele brachten den Hit Where Is The Love? von den Black Eyed Peas wieder auf.

Und auch in der westlichen Welt kommt die Botschaft schließlich an.