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Immer so weitergehen

 

Ulrich Gumpert und das Zentralquartett schrieben Jazz-Geschichte. In der Einflugschneise des Flughafens Schönefeld feierten sie die Freiheit der Musik. Jetzt gibt's eine neue Platte

Ulrich Gumpert Quartette

Für seine neue CD Quartette hat der Pianist Ulrich Gumpert auch einige Stücke aus den großen Tagen des Zentralquartetts neu eingespielt. Das habe nicht nur historische Gründe, sagt er. Es seien Stücke, die ihm besonders gut gefielen, und er habe seinen jungen Musikern auch die Geschichten erzählt, die sich hinter den Titeln verbergen. Im Unterschied zu früher gibt es heute statt der Posaune einen Bass.

Besonders bei den Konferenzen des Zentralquartetts ging es in den siebziger Jahren hoch her – man soff, man redete viel, man stritt auch und genoss die Freiheit der Musik. Man warf sich Hausnummern zu – „kennst du die Stelle, wo der Pianist sich verspielt?“ – und hörte sich die entsprechenden Stücke an. Später dann ging man zusammen proben. Der Posaunist Conny Bauer und der Schlagzeuger Günter 'Baby' Sommer wohnten damals nebeneinander in der Christburger Straße in Prenzlauer Berg, Ernst-Ludwig 'Luten' Petrowsky lebte weit draußen in der Einflugschneise des Flughafens Schönefeld. Man traf sich abwechselnd zur jeweiligen Conference at... bei Baby, Conny oder Luten.

Aus seinem Musikzimmer blickt Ulrich Gumpert auf das Theater am Schiffbauerdamm. In den Regalen stehen unzählige Tonträger, teilweise alphabetisch sortiert, teilweise nach Plattenfirmen. Die Platten von Blue Note sind ihm wichtig, er hat sie chronologisch aufgestellt. Auch die alten Scheiben von Fontana und Impulse! findet er auf Anhieb. Gumpert mag LPs, er hat noch einige 10-Zoll-Platten mit Dixieland aus den osteuropäischen Bruderländern, „damit fing alles an“, sagt er. Einige LPs, die John Tchicai für Fontana aufnahm oder Ornette Coleman für Impulse!, wurden wegen unklarer Rechtslage oder fehlender Bänder nie auf CD veröffentlicht. Fragt man ihn nach Colemans Crisis, springt er zum LP-Regal und sagt „bitte!“. Unlängst hat er das Original von seinem Saxofonisten Ben Abarbanel-Wolff bekommen, der hatte zwei.

Anders als im klassischen Jazz werden die Themen bei Ulrich Gumpert von Klavier und Saxofon unisono gespielt, auch auf Quartette. So spielt er seit den Siebzigern, in einer Übersetzung dessen, was er einst von Don Cherry und Ornette Coleman gehört hatte. Von Hier und Anderswo beschreibt er als ein einfaches Liedchen, sechzehn Takte, eine Stimmung wie in den Achtzigern. Damals hatte er es schon einmal für eine Solo-LP aufgenommen. Circulus Vitiosus klingt nach Thelonious Monk, wieder sechzehn Takte, immer die gleichen Harmonien. Acht plus acht Takte, nur das Thema wird einen Ton nach oben versetzt. Das sei der Trick, der dafür sorge, dass man nie genau wisse, wo der Anfang ist, verrät Gumpert. Und Miles Davis habe das mit Wayne Shorters Komposition Nefertiti noch viel besser hingekriegt: Sechzehn Takte Thema, achtzehn Mal gespielt, und das Gefühl, es könnte immer so weitergehen.

„Quartette“ von Ulrich Gumpert ist erschienen bei Intakt Records

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