Bisher machte Kristofer Åström den Hörern seinen intimen Folk zum persönlichen Geschenk. Nun verpasst er den Romantikern unter ihnen eine schallende Ohrfeige
Kristofer Åström ist nicht groß. Er trägt Jeans und Band-T-Shirts, Stoffturnschuhe, einen Zweiwochenbart und eine etwas strubbelige Frisur. Åström kommt aus Göteborg und ist einer der besten Songwriter dieser Tage. Ein Mann, der Musik mit Herz macht – einem Herz so groß wie der Korpus seiner Gitarre. Fast jedes Jahr bringt er ein neues Album heraus. In wechselnden Besetzungen ist er immer wieder auf Konzertreise. Seine Bands heißen Hidden Truck oder Fireside – doch immer dreht sich alles um Åström.
Die Intimität seiner Lieder ist seine Stärke. Åströms Folkballaden und sonnigverträumte Countrynummern klingen, als flüstere er sie jedem Hörer einzeln ins Ohr, wie kleine, persönliche Geschenke. Wie Rüstzeug gegen all die Bösartigkeiten der Welt. „Die besten Lieder sind die, die dich dazu bringen, alles stehen und liegen zu lassen, wenn du sie hörst“, sagte Åström einmal. „Ob du jetzt schreibst, bügelst, was immer du tust, der Song zwingt dich, damit aufhören und ein paar Minuten einfach nur zuzuhören. Das ist genau das, was ich mir von meinen Songs wünsche.“
Doch Schluss. Aus. Vorbei. Was so viele Jahre lang funktionierte, die Sogwirkung seiner Lieder (Weg von der Tastatur! Weg mit dem Bügeleisen! Hören! Staunen!), dieses besondere Gefühl, es will sich auf dem neuen Album Sinkadus nicht mehr einstellen. Wo ist das riesige Herz, die Lieder aus Tränen? Man kann nur vermuten: Es hat sich hinter der Eitelkeit verkrochen, anders klingen zu wollen als bisher.
Ganz so anders klingen viele der Stücke aber gar nicht. Nur eben nicht mehr so tiefenwirksam wie zuvor, an einigen Stellen sogar einfallslos. Da hilft auch die gesangliche Unterstützung von Britta Persson in Come Out und Twentyseven wenig: Sinkadus ist eine Loseblattsammlung. Und es tröstet nicht, dass Åström wohl genau das beabsichtigt hat. Nämlich ein Album zu veröffentlichen, das mit den Erwartungen bricht.
Der Titel deutet es schon an. „Sinkedus“ entstammt einem Dialekt des Schwedischen und bedeutet soviel wie „Gib Acht!“, steht aber auch für eine Ohrfeige. Eine solche verpasst er dem Hörer: „Denkt bloß nicht, dass ich Euch mit jedem Album melancholische Herzschmerzballaden servieren muss!“, hat Åström wohl gemeint. Und serviert stattdessen ein Göteborger Allerlei aus Pop, Folk und grummelndem Indierock, das doch nie an seine besten Alben heranreicht. Gegen die muskulösen Stücke auf dem letzten Fireside-Album Get Shot tönt Sinkadus zahm wie ein Streichelzoo.
Es heißt, Åström habe dieses neue Album aus überschüssigen Einfällen des Vorgängers Rainaway Town gebastelt. So klingt es über weite Strecken auch: nach Resteverwertung.
„Sinkadus“ von Kristofer Åström ist auf CD und LP bei Startrack/Tapete/ Indigo erschienen.
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