Bei Primal Scream aus Glasgow wusste man nie, was das nächste Album bringen mochte. Auch mit »Beautiful Future« ist das so, denn solche Ödnis war nun wirklich nicht zu erwarten
Es gab eine Zeit, da war es ein besonderes Markenzeichen von Primal Scream, nicht allzu schnell auf den Punkt zu kommen. Denken wir etwa an Burning Wheel, das erste Stück des Albums Vanishing Point: Da hört man zuerst Tabla und eine Sitar, dann einen Windhauch. Eine Basslinie setzt ein, dann ein Blues-Riff, und das Keyboard speit Doors-Psychedelia. Viel später erst kommt ein klassischer Rave-Beat hinzu – und Bobby Gillespie beginnt zu singen. Erst in diesem Moment fängt das Album wirklich an.
Elf Jahre ist das her, heute klingt das ein bisschen anders. Beautiful Future, das Titelstück des neuen Albums von Primal Scream, hat schon nach zwei Sekunden alles über sich verraten. Das Lied ist herrlich simpel, man kann mitsingen, mitklatschen, mittanzen. »Oh, Oh, Beautiful Future«, trällert Gillespie, »Oh, Oh, Beautiful Future«.
Dennoch, Primal Scream wagen wieder einmal das Unerwartete. Von jeher ist das ihre Methode: Immer sprang die Band hin und her zwischen House, Rave, Funk und Blues. Mit Give Out But Don’t Give Up servierten sie Mitte der Neunziger eine Portion scheppernden Retro-Rocks, verquirlten den Klang von Marshall-Türmen mit trötenden Flohmarkt-Keyboards, fusionierten somnambule Tanzrhythmen und wuchtige Blues-Riffs, streiften Dub, Ambient und Trip-Hop. Auf den folgenden Alben dominierten mal introvertierte Elektronika (etwa auf dem bereits angesprochenen Vanishing Point), mal Kreischen und Poltern (etwa auf XTRMTR und Evil Heat). Und nun das: Beautiful Future. Album Nummer neun ist in vielen Momenten purer Pop.
Der Sänger Gillespie hat gemeinsam mit Andrew Innes, Gary Mounfield, Martin Duffy und Darrin Mooney ein Album aufgenommen, auf dem nun tatsächlich das Klavier und die Marimbas zu hören sind, mit denen Abba einst Dancing Queen und SOS einspielten. Unbedarft klingen Primal Scream, gut verdaulich, an manchen Stellen auch ganz schön belanglos. Can’t Go Back etwa erinnert zwar ein wenig an New Order, ist aber gegen die Vorbilder reinster Kaugummi-Pop mit allenfalls durchschnittlichem Refrain. Uptown dagegen mischt originell den Streicher-Soul der Siebziger mit strammen Tanzrhythmen. Dazu nuschelt Gillespie zurückgelehnt.
Doch oft reicht die Aura des Sängers nicht aus, um die Ödnis der Kompositionen zu beleben. Ganz und gar misslungen ist etwa The Glory Of Love, kaum besser das kraftlose Suicide Bomb. Schon nach wenigen Sekunden ahnt man, was da noch kommt: nichts mehr. Im Souterrain der Kreativität zuckt der Zombie Man zu großspurigem Südstaaten-Rock. Man kann es mitgrölen: »Everybody Say: Hey, Hey, Zombie Man! Hey, Hey, Zombie Man!« Oje, Bobby-Man.
Beautiful Future ist langweilig und unentschieden. Zwar klingt es in manchen Momenten frisch, gerade dann, wenn die Band mal nicht das lärmende Rock-Pathos bemüht, sondern sich traut, ihren Pop aufzupolieren. Doch meistens tönt es wie die zusammengemurkste Schnittmenge aus allem, was die Band in den vergangenen zwanzig Jahren veröffentlicht hat. »Popmusik hat nichts mit Originalität zu tun,« erkannte Bobby Gillespie bereits im Jahr 1994. Das trifft bedauerlicherweise auch auf die meisten seiner neuen Lieder zu.
»Beautiful Future« von Primal Scream ist als CD bei B-Unique/Warner erschienen.
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