Während der deutsche Gangsta-Rap erblüht, hängen die amerikanischen Reimer angezählt in der Ringecke. 50 Cent verkauft weniger Platten als zuvor, der Pionier Dr. Dre bekommt seit Jahren kein Album fertig. Haben die Amerikaner genug von der Schießwut und dem martialischem Gestus? Oder sind die Anhänger von früher heute einfach zu alt? Hört man 50 Cents Album Curtis, offenbart sich auch eine kreative Krise: Es fehlt der Schwung, der spielerische Umgang mit der Musik. Diesem reimenden Roboter kauft man den Halunken nicht ab.
Andere können es doch noch: Richtig guten Gangsta-Rap bringen nun ausgerechnet die Freigeister des kleinen Labels Stones Throw aus Los Angeles auf die Plattenteller. Sie lieben die Musik, um Schubladen scheren sie sich nicht. Und sie haben ein Herz für Gangsta-Rap – als Kunstform selbstverständlich.
Guilty Simpsons Reime kommen daher wie Schläge einer Bärenpranke, behäbig und wuchtig. Zur Partyrakete taugt er nicht, dafür ist sein Vortrag zu monoton. Er berichtet auf Ode To The Ghetto vom Leben in Detroit, von Kriminalität und verworrenen Frauengeschichten. Seine Worte verwandeln sich zu Bildern, er ist ein hervorragender Erzähler. Jeder Anflug von Tristesse wird von der aufwühlenden Produktion unterbunden: Madlib wirft mit Bollywood-Samples um sich, sein Bruder Oh No würzt das Titelstück mit türkischem Funk. Synthesizer dröhnen düster, und Klangwelten kollidieren. Es ist einiges los im Hintergrund. Guilty Simpson plappert unbeeindruckt über diese Geräuschkulisse.
Gegen Langeweile ist der Hörer auch hier nicht gefeit, manches Mal sind sich Rap und Musik zu einig. Kraft schöpft Ode To The Ghetto aus seinen Gegensätzen. In den besten Momenten dringt eine surreale Bedrohung aus den Lautsprechern, sorgt das Widersprüchliche für ein Gefühl der Beklemmung. Die Menschen von Stones Throw haben recht: Gangsta-Rap ist eine Kunstform – fast hätten wir’s vergessen.
„Ode To The Ghetto“ von Guilty Simpson ist als CD und LP bei Stones Throw/Groove Attack erschienen.
…
Weitere Beiträge aus der Kategorie HIPHOP
„An England Story“ (Soul Jazz Records/Indigo 2008)
Buck 65: „Situation“ (Warner 2008)
Missill: „Targets“ (Discograph/Rough Trade 2008)
Percee P: „Perseverance“ (Stones Throw 2007)
Common: „Finding Forever“ (Geffen/Universal 2007)
Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter www.zeit.de/musik