Der Südafrikaner Hugh Masekela glaubt an die politische Kraft der Musik. Sein eingängiger Jazz setzt dem Kampf gegen die Apartheid ein Denkmal
Die silberne Trompete spielt eine langsame Ballade. Scharf ebnen sich die Töne ihren Weg, wie in der Luft eines anbrechenden Morgens. Phola bedeutet „heilen“, gesund werden. Es ist der Titel des neuen Albums von Hugh Masekela, der vor fünfzig Jahren gemeinsam mit Dollar Brand, heute Abdullah Ibrahim, das erste Album einer schwarzen Band in Südafrika aufnahm: Jazz Epistles, Verse 1.
Viele Jubiläen kommen in diesem Jahr zusammen: Im April wurde Masekela 70, und die Abschaffung des Apartheid-Systems in Südafrika jährt sich zum 15. Mal. Masekela, der fast 30 Jahre im Exil lebte, bevor er nach der Freilassung Mandelas 1990 zurückkehren konnte, sieht sein Land kritisch. So thematisiert er in seinen Texten die Zerrissenheit der Gesellschaft, die Armut, aber auch die Verdrängung der grausamen Vergangenheit.
In dem Stück Bring It Back Home, in Anlehnung an seine Befreiungshymne für Nelson Mandela namens Bring Him Back Home, die er 1987 auf der Welttournee mit Paul Simon sang, wirbt er für die Erinnerung. Für die Menschen, die im Widerstand waren, die für die Freiheit gekämpft haben und für sie gestorben sind. Das Land könne nicht heilen durch Vergessen und Verdrängen. Nur durch Erinnerung und Auseinandersetzung, sagt Masekela.
Allein ein Klavier begleitetet den Gesang in diesem Stück. Es mündet in einen leichten, tänzerischen Popsong, in dem Masekela eindringlich von den Problemen Südafrikas singt, wie auch von häuslicher Gewalt oder der Vergewaltigung von Kindern. Masekelas abschließendes Trompetensolo erinnert an den späten Miles Davis, mit kurzen Wechseln über poppigen Klangsamples.
Als 19-Jähriger bekam Masekela von Louis Armstrong dessen Trompete geschenkt. Er verließ Südafrika nach dem Massaker von Sharpeville 1961 auf der Auslandstournee des Musicals King Kong, einer Show über das Leben des südafrikanischen Boxers Ezekial „King Kong“ Dhlamini. Viele Musiker, die vor dem Regime geflüchtet waren, wurden verbannt, unter ihnen Makaya Ntshoko, Abdullah Ibrahim und Miriam Makeba.
Zuerst blieb Hugh Masekela in London, protegiert von Yehudi Menuhin, danach in den USA in Los Angeles. Zwei Jahre lang war er mit Miriam Makeba verheiratet. Zu dieser Zeit wurden in New York seine Hits mit Up, Up and Away und Grazin‘ in the Grass.
Im Exil in Ghana lernte er seine zweite Frau Elinam kennen und begann, mit west- und zentralafrikanischen Musikern zu arbeiten. In den achtziger Jahren konnte er auch wieder mit südafrikanischen Musikern spielen, mit Hilfe eines mobilen Studios in Botswana, direkt hinter der südafrikanischen Grenze. Seit dieser Zeit spielt er im Stil von „Mbaqanga“, der Zulu-Traditionen mit modernen Pop-, Jazz- und Reggae-Rhythmen verbindet.
Die Anti-Apartheid-Bewegung war eng mit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung verknüpft, und Jazz war der Soundtrack des Widerstands. Auch Masekela, der sich musikalisch eher im Mainstream verortet, glaubt immer noch an die politische Kraft der Musik. Wie schon auf seinen früheren Alben, verbindet er auch auf Phola Jazz mit südafrikanischen Rhythmen und Gesängen, die er mit Synthesizern zu einer Soundästhetik verknüpft, die Erinnerungen weckt. An die Hoffnung und die Kraft, die damals das Land beflügelte und die er sich zurückwünscht für die Gegenwart und die Zukunft Südafrikas. Um einen neuen Morgen anbrechen zu sehen.
Am 16. Mai tritt Hugh Masekela im Berliner Haus der Kulturen der Welt auf.
„Phola“ von Hugh Masekela ist bei Qrious/Edel erschienen.
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