Nichts fügt einer Indieband größeren Schaden zu als der Massenerfolg. Modest Mouse wagen sich trotzdem wieder mit hitverdächtigen Liedern aus ihrem Loch
Das Unglück brach ganz unerwartet über Modest Mouse herein, am 7. April 2007, als ihr Album We Were Dead Before The Ship Even Sank die Spitze der US-Billboard-Charts erreichte – und damit den Geschmack der Massen.
Denn das Einzige, was einer echten Independent-Band auf gar keinen Fall widerfahren darf, das ist der ganz große Erfolg. Wie entschuldigend schieben Modest Mouse nun No One’s First And You’re Next hinterher – mit Songs, die zwar von der üppig gedeckten Tafel der beiden vorherigen Platten gefallen sind, ihren Hang zum Hit aber ebenso wenig verleugnen können.
Glühenden Breitwandrock gibt es hier, seifigen Swing und spröden Kammerpop. Zu gestrichenen Bässen und gestopften Trompeten duellieren sich oft gleich zwei Schlagzeuger und meistens zwei E-Gitarristen. History Sticks To Your Feet mit seinen Anleihen bei Arcade Fire kommt und geht mit der Wucht einer atlantischen Dünung, anderswo besticht ein lässiges Bläsersolo, das wie in Zeitlupe über einem treibenden Rhythmus schwebt.
Manchmal pluckert sogar trügerisch ein Banjo, als wär’s ein Idyll von Lucinda Williams – aber selbst in ihren ruhigsten Momenten eignet dieser Musik etwas Fiebriges, Eruptives. Was am exaltierten Gesangsstil von Isaac Brock liegen muss, der seine nachtschwarzen Texte nicht wirklich singen kann, es aber dennoch tut.
Mit umso mehr Inbrunst zwingt er seine bescheidene Stimme über ihre engen Grenzen hinweg ins Existenzielle, wo sie sehr schnell in ein heiseres Brüllen oder ein brüchiges Falsett kippt.
Da fragt man sich unwillkürlich, was dem armen Mann nur so bleischwer auf der Seele liegen mag. Wo doch selbst ein so skizzenhafter Song wie das muskulöse Satellite Skin, hätten ihn die Rolling Stones geschrieben, todsicher deren erste Nummer-1-Single seit 31 Jahren wäre. Moment! Vielleicht ist es genau das.
„No One’s First And You’re Next“ von Modest Mouse ist als EP bei Sony erschienen.
Dieser Artikel ist der ZEIT Nr. 35/2009 entnommen.
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