Wie wird erst die Zukunft dieser vielversprechenden Debütantin aussehen? Dillon aus Berlin singt über Techno-Beats mit einer, ja, irgendwie björkischen Stimme.
Björk ist schuld. Jedenfalls klingt die Hälfte aller aktuellen Musikerinnen mittlerweile wie die isländische Sirene. Selbst wer nicht in der Nähe von Geysiren aufgewachsen ist oder im Sandkasten mit verrosteten Fischkonserven spielte, flötet heute wie eine gefallene Fee und piepst wie eine Maus auf der Flucht vor einer Armee aus moosbewachsenen Trollen.
Nein, aus Island kommen die alle nicht. Nicht Barbara Panther, nicht Zola Jesus und nicht Lykke Li, weder Nina Kinert noch Robyn, und auch Dominique Dillon de Byington nicht. Geboren wurde sie in Brasilien, mit vier Jahren zog sie mit ihrer Mutter nach Köln, dort setzte sie sich ans Klavier und spielte drauflos, nach dem Abitur ging sie nach Berlin. Das war vor vier Jahren.
Seitdem hat sie viel mit dem Computer experimentiert, immer mal wieder einen Song ins Internet gestellt, hat bei Auftritten durchs Megafon gesungen, ist im Vorprogramm von Phantom/Ghost aufgetreten, mit den Jolly Goods auf Tournee gegangen, wurde von Spiegel Online bereits zum Nachwuchsstar ausgerufen, und hat sich außerdem bei einer Plattenfirma verdingt, die mal einen guten Ruf hatte, aber dann nur noch ein Torso war. So verzögerte sich der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg noch ein wenig. Nun aber hat sie das Label gewechselt und die neue, seriösere Firma hat es geschafft, This Silence Kills herauszubringen.
Und was soll man sagen: Die Wartezeit auf das Debütalbum hat sich gelohnt. DJ Koze, unbestrittene Instanz der elektronischen Musik hierzulande, prophezeite Dillon schon nach einer ersten EP „eine schöne Zukunft“. In der ist sie nun mit 23 Jahren angekommen. Schon diese Gegenwart klingt wundervoll. Das Klavier spielt sie so einfach wie effektiv, die Elektronik wird in Szene gesetzt von Thies Mynther (Stella, Superpunk, Phantom/Ghost) und Tamer Fahri Özgönenc (MIT). Zusammen haben die drei eine schöne Balance aus Unfertigkeit und Eleganz gefunden. Niemals wirkt This Silence Kills zu perfekt, und niemals hat man das Gefühl, Dilettanten wären am Werk. Und selbst, wenn am Schluss des Albums in Abrupt Clarity ein fordernder Techno-Beat das Kommando übernimmt, lässt sich Dillon nicht zur funktionalen Stimme in einem Dance-Track degradieren, sondern bewahrt sich ihren eigenen, selbstbewussten Charakter.
Sie singt davon, wie die Liebe die Beine in Spaghetti verwandelt, und sie singt von der Zahnbürste, die der Liebste zurückgelassen hat, als er ging. Sie singt, während die Elektronik eine elegante Kühle suggeriert, von den intimsten Dingen. Sie beschreibt, wie es ist, durchs Dunkle zu tapsen, und wie sich das anfühlt, wenn einen ein gewisser Alexander dazu bringt, am liebsten alles zu töten, was in einem so vor sich geht.
Dass Dillon dieser Ausgleich zwischen Chanson und Club, zwischen Elektronica und Singer/Songwriter-Anspruch so mühelos gelingt, das ist vielleicht das Erstaunlichste an diesem Debütalbum. Aber womöglich auch nur ein Symptom dieser Zeiten. Denn an dieser Versöhnung musste eine gewisse Björk ja einst lang und sehr hart arbeiten. Danke dafür, Frau Guðmundsdóttir.
„This Silence Kills“ von Dillon ist erschienen bei Bpitch Control/Rough Trade.