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Hot hot Globalisierung

 

Bis die Gitarren nach Luft schnappen: Wenn sich die Kulturen von Sudan und USA mischen, kann so etwas Großartiges herauskommen wie das Debütalbum von Sinkane aus Brooklyn.

© Dwayne Rogers

Die Frage, wie denn nun die Globalisierung klingen könnte, gehört wahrscheinlich zu denen, die niemals endgültig zu beantworten sein werden. Sinkane gibt auf die Frage immerhin eine mögliche Antwort und auch noch eine ziemlich schlüssige: So wie Mars, sein zweites Album, könnte sie klingen, die Globalisierung.

Denn zwar schwebt Ahmed Gallab, der sich hinter dem Pseudonym verbirgt, nicht nur scheinbar schwerelos hin und her zwischen Afrika und Amerika, zwischen Polyrhythmik und Pop, Krautrock und Fela Kuti. Seine Musik klingt, und das ist das wirklich Erstaunliche, dabei noch nicht einmal gewollt oder gar eklektizistisch, sondern tatsächlich homogen, um nicht zu sagen: authentisch.

In Zeiten des globalen Dorfes und der damit einhergehenden ständigen Verfügbarkeit der gesamten Musikbibliothek sollte man den Einfluss einer Biografie auf das Klangbild nicht mehr allzu hoch ansetzen. In diesem Falle aber drängt sich dieses Erklärungsmuster unwiderstehlich auf: Gallab wird 1984 im Sudan geboren, sein Vater ist Politiker. Fünf Jahre später muss die Familie nach einem der vielen Putsche flüchten und geht in die USA. Gallab wächst zuerst in Utah und später in Ohio auf. Seine Eltern schicken ihn und seine Geschwister so regelmäßig zu den Verwandten im Sudan, dass seine Verbindungen zur ostafrikanischen Kultur nicht abreißen können. Aber in der amerikanischen Provinz landet er geradezu zwangsläufig in einer wütenden Hardcore-Punkband.

Mittlerweile ist Gallab 28 Jahre alt und hat als Aushilfsmusiker, Tourschlagzeuger oder Sessioninstrumentalist in einer unüberschaubaren Zahl von Bands mit durchaus klangvollen Namen mitgespielt: von Of Montreal über Caribou oder Born Ruffians bis Yeasayer.

Außerdem wohnt er nun in Brooklyn, also mitten im Epizentrum der US-amerikanischen Indie-Szene. In Brooklyn zuhause sind auch Vampire Weekend, die als erste erfolgreich afrikanische Rhythmen mit Indiepop verschmolzen. Für diese anmaßende Aneignung liefert nun Sinkane, wenn man so will, die politisch korrekt argumentierende Rechtfertigung nach.

Dazu lässt der Multiinstrumentalist, der Mars nahezu allein eingespielt hat, seine Stücke in aller Ruhe ihren Herzschlag entwickeln: Die unaufgeregt blubbernden und tuckernden Rhythmen vor allem sind es, die Mars in eine Tradition stellen, die von westafrikanischer Popmusik wie Highlife über Funk und Free Jazz der siebziger Jahre, von Sun Ra oder Parliament bis zum hitparadentauglichen R’n’B der Jetztzeit reicht.

Wie präsent bei allem Geschichtsbewusstsein ihm diese Gegenwart tatsächlich ist, beweist Sinkane nicht nur in Making Time, wo er den allzu modischen Autotune-Effekt einsetzt, um seiner Stimme eine roboterhafte Anmutung zu verleihen, obwohl er doch ansonsten lieber das Curtis-Mayfield-Gedächtnisfalsett benutzt, um den klassischen Seelenverkäufersoul zu würdigen.

So rotieren also die Trommeln um sich selbst und die Gitarren schnappen nach Luft, es vergehen die Jahrzehnte und wechseln die Kontinente. Aber Sinkane verliert angesichts der Gleichzeitigkeit aller Einflüsse doch nie die Himmelsrichtung aus den Augen, während er sich im Kreis dreht, um die musikalischen Verbindungen zwischen seinen beiden Heimaten nachzuzeichnen.

Wie auch immer Du einmal in Erinnerung bleiben wirst, Globalisierung, immerhin dieses eine Mal hast Du ganz prima geklungen.

„Mars“ von Sinkane ist erschienen bei Cityslang/Universal.