Vor zehn Jahren gewann er das niederländische DSDS. Jetzt fängt Bo Saris die Geister von Marvin Gaye, Sam Cooke oder Amy Winehouse in seinem neuen Album Gold ein. Wirklich gelungen.
Im Haus, wo Gott und Teufel im Dauerclinch liegen, war noch ein Zimmerchen frei. Direkt unter der Büro-Etage, in der bis ans Ende aller Zeiten Motown und Stax als beste Plattenfirmen der Welt residieren, ist jetzt auch noch jemand eingezogen. Gleich neben Duffy, Aloe Blacc und Raphael Saadiq wohnt der Neuankömmling, im anderen Flur hausen Adele und Plan B. Vom Dachboden wabern manchmal die guten Geister von Marvin Gaye, Sam Cooke, Otis Redding, Solomon Burke oder Amy Winehouse herunter.
Boris Titulaer heißt der neue Mitbewohner und stammt aus den Niederlanden. Sein Vater war ein bekannter Jazz-Musiker, seine Mutter pflegte die umfangreiche Plattensammlung, in der der kleine Boris seine Liebe zum Soul entdeckte. 2004 gewann er Idols, die holländische Version von Deutschland sucht den Superstar, und brachte anschließend drei Alben heraus, die sich in seiner Heimat in den vorderen Regionen der Charts platzieren konnten. Mittlerweile ist er 33 Jahre alt, nennt sich Bo Saris, lebt in London und versucht nun, mit seinem neuen Album Gold eine internationale Karriere zu starten.
Dazu setzt er auf eine geschickte Doppelstrategie, mit der er sowohl die grassierende Retroseligkeit bedient als auch modernen Ansprüchen genügt: Einerseits kopiert Bo Saris in Erscheinung, Klangbild und Image die goldene Ära des Soul in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren. Andererseits aber gibt er bei angesagten Produzenten und DJs Remixe in Auftrag, in denen sich die geschmackvoll temperierten Retro-Soul-Songs in technoid pulsierende Club-Hits verwandeln. Zuletzt nahm der Berliner DJ Wankelmut She’s On Fire auseinander, fuhr trockene Beats und körperlose Trigger-Impulse auf, über denen Bo Saris‘ Stimme wie im luftleeren Raum schwebt.
Ganz anders aber klingt derselbe Song auf Gold. Satt und zufrieden pumpt der Bass unterhalb der Gürtellinie, die Gitarre spielt ein kleines Funk-Riff, ein Saxofon wirft ein zufriedenes Brummen in den Raum. Dazu singt Bo Saris davon, wie die Liebe ihn erhebt, das Verlangen ihn erhitzt, während im Gleichklang seine Falsett-Stimme in die Höhe steigt.
Angesichts solcher Stücke muss man zugeben: Momentan spielt niemand die Rolle des klassischen Soul-Crooners so perfekt wie Bo Saris. In seiner makellosen Stimme spiegelt sich wie bei seinen übermächtigen Vorbildern ein Leben in der Grauzone zwischen Gott und Teufel, Glauben und Körper, Erlösung und Verdammnis. An der Oberfläche mögen die Songs nur von der Liebe handeln, aber was gibt es Größeres als die Liebe? Nur die Liebe kann den Menschen aus diesem Leben erlösen, die Mühsal verwandeln in Freude.
Das kleine Wunder, das Bo Saris auf Gold vollbringt, besteht darin, dass diese hemmungslose Hommage an die guten alten Zeiten zwar jederzeit sentimental und opak klingt, aber nur sehr selten nach Museum. Dass zwar bis zum letzten Kiekser, Handclapping oder dem Electro-Klaviersound jedes Detail aus der Vergangenheit nachgestellt wird, aber das Album trotzdem nicht zum leblosen Replikat verkommt. Stattdessen ist es Bo Saris tatsächlich gelungen, den guten Geist von Marvin Gaye und all den anderen vom Dachboden einzufangen.
„Gold“ von Bo Saris erscheint am 16.Mai auf Decca/Universal.