Auch nach Jahren verbunden zu sein mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern: Die einen kümmern sich professionell um meine Gesundheit, andere sind Freunde auf Augenhöhe geworden. Alle halten Kontakt und geben Anteil an ihrem Leben. So habe ich jetzt die Chance, von ihnen zu lernen: von Cornelia, Stefan, Susanne, Petra, Martin, Maren, Viola, Ulrike, Angelika, Regine, Carsten, Esther…
ich bin Akademikerin, alleinerziehend, Mutter von fünf Kindern (davon zwei mit Behinderungen) und „natürlich“ bedürftig. Ich würde mich als antragserfahren bezeichnen. Heute öffne ich den Brief der Familienkasse mit den Anträgen auf „Leistungen für Bildung und Teilhabe“: sechs Anträge pro Kind, also insgesamt dreißig! Bürokratischer Wahnsinn! Ich brauche Stunden, um alle Nachweise zu kopieren. Und ich frage mich, warum unser Staat die Väter (in diesem Fall einen Selbstständigen und Großverdiener) nicht mit allen Mitteln zur Verantwortung zieht und sich auf seine eigentlichen Aufgaben besinnt: direkt die Schulen mit Geld zu überschütten. Nur das kommt bei allen Kindern an. Ich setze Kaffee auf und fülle Antrag Nummer neun aus.
Die lebhaften Rufe der Mauersegler morgens, wenn ich in aller Frühe mit dem Rad zur Arbeit fahre. Ich freue mich so sehr, dass diese verwegenen Flieger nach der langen Winterpause endlich wieder hier bei uns sind – seid herzlich willkommen!!
Nach einer stressigen Unizeit wieder auf den elterlichen Hof an die Nordsee kommen. Morgens mit der Sonne aufstehen, aus dem Haus schleichen, Katzen füttern und draußen unter dem großen Kastanienbaum Holzhacken. Dabei den Duft von frischem Holz in der Nase. Die Blätter und der Wind lassen die flachen Sonnenstrahlen tanzen. Um acht kommt Oma auf dem Fahrrad mit Brötchen. Gemeinsames Frühstück mit allen, der Tag wird unendlich gut.
Mein Freiwilligendienst mit Aktion Sühnezeichen Friedensdienste im Jüdischen Zentrum Oświęcim/Auschwitz. Und ganz konkret: Die kleine Gruppe jüdischer deutscher Jugendlichen, die in der letzten verbliebenen Synagoge in Oświęcim singen, die mir das Gefühl geben, dass ich hier als Nichtjüdin einen guten Job mache und mit denen ich schließlich beim „Marsch der Lebenden“ mit tausenden anderen vom Stammlager nach Birkenau laufe.
Luisa Lehnen, urspruenglich aus Mainz, momentan in Oświęcim
Meine elfte Teilnahme beim Hamburg Marathon am 22. Mai. Bei KM 40,5 wartet meine Lebensgefährtin Katrin, zusammen mit unserer Tochter Hannah. Hannah wird mich wieder ein Stück begleiten. Wie die letzten 10 Jahre. Beim ersten Marathon war sie 7 Jahre alt. Während sie mich anfeuert, kann ich vor Erschöpfung kaum sprechen. Das Mädchen, das nun eine junge Frau ist, und Ihren Paps noch immer mit derselben Begeisterung anfeuert, lässt mich denken: Wie schön, dass wir als Familie zusammen sind. Die letzten 1,5 KM schwebe ich mit Hannah dahin und vergesse das Laufen und die Schmerzen.
Liebe Katrin, nun leben wir fast 20 Jahre zusammen. Möchtest Du mich heiraten?
Der 86. Geburtstag meines Vaters. Humpelnd (das Bein durchschossen seit seinem 17. Lebensjahr in Russland) begrüßt er den einzigen noch lebenden Freund aus seinem Heimatdorf. Mit Tränen in den Augen liegen sie sich in den Armen. Tränen haben auch wir anderen Anwesenden, die dieser Begegnung „der Letzten ihrer Art“ beiwohnen dürfen. Jeden Tag bedankt sich mein Vater bei mir, dass ich für ihn da bin. Dabei ist es umgekehrt. Und ich weiss, wäre ich in Not und würde ich ihn fragen, selbst seine Rente würde er für mich geben.
Am Muttertag haben meine Schwester Katrin und ich mit unserer Mutter einen wunderschönen Ausflug mit einem Ruderboot auf dem Schlossteich von Chemnitz gemacht. Dabei hat unsere Mutter das Farbfoto aufgenommen. Rechts rudert meine große Schwester, die inzwischen selbst Mutter eines zweijährigen Sohnes ist, links bin ich zu sehen. Wieder zu Hause, erinnerte ich mich an einen ähnlichen Ausflug mit einem Ruderboot in meiner Kindheit. Ich blätterte im Fotoalbum und fand tatsächlich ein Foto davon: im Juli 1989, also vor knapp 22 Jahren aufgenommen, als meine Schwester zehn Jahre alt war und ich selber sechs. Natürlich waren wir Kinder schick angezogen, mit Sommerkleid und Sonnenhut. Auch die Schlosskirche auf dem Schlossberg ist im Hintergrund zu sehen. Einen ganz wesentlichen Unterschied allerdings gibt es: Damals lag der Schlossteich in Karl-Marx-Stadt, DDR, heute dagegen wieder in Chemnitz! Ich bin meiner Mutter und meiner Schwester so dankbar für diese Ausflüge!