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Das regt mich auf

Meine Freundin aus Japan und ich haben vor mehreren Monaten mit den Planungen ihres Besuchs in Deutschland begonnen. Durch die Ereignisse der vergangenen Wochen schreibe ich Ihr häufiger als gewöhnlich E-Mails, um mich nach ihrer Situation zu erkundigen. Ich mache mir Sorgen, verständlicherweise. Ihr selbst ginge es in Tokyo im Großen und Ganzen gut, schrieb sie, aber Verwandte haben durch den Tsunami ihr Haus verloren. In einer E-Mail von ihr las ich dann vor einigen Tagen folgende Sätze:

„…Anyway, I want to ask you. I read a newspaper about Japanese begin to receive discrimination in the world. A reason is nuclear. Do the people of the world think that the whole land of Japan was polluted? Are you not troubled if I’m going to Germany? I do not want to trouble you. Please do not be angry. I’m just worried about it. Please think about it.“

Ich war sprachlos und fand es sehr beschämend, dass meine Freundin sich offensichtlich gezwungen sah, mir eine solche Frage zu stellen. In meiner Antwort an sie habe ich ihr deutlich gemacht, dass ich es verrückt finde, dass die Deutschen derart überreagieren und dass sie natürlich bei uns willkommen ist. In ihrer Rückantwort an mich bedankt sie sich sehr rührend und beschließt ihre Mail mit den Worten „Spring has come“ (to Tokyo) und hat mir ein Foto mitgeschickt.
Auch das ist Japan im April 2011. Frühling, Hoffnung.

Tanja Schildmann, Heidelberg

 

Das regt mich auf

TOEFL (ETS), IELTS – und das war es dann auch fast schon: Da schieben sich Organisationen (befeuert von staatlichen Institutionen, international) gegenseitig Geld und Existenzwahrung zu und der Student ist hilflos ausgeliefert, weil angewiesen auf nicht einmal eine Handvoll „Tester“, besser Oligopolisten. Die EU wäre am Zug – von wegen Bildungsförderung. Hier besteht Handlungsbedarf, der Bedarf an einem kostengünstigeren Angebot, von öffentlicher Hand organisiert, von der Europäischen Union subventioniert und einheitlich im Verfahren. Mit einer solchen Entscheidung, hin zur Förderung, wäre dann auch einmal der Bologna-Gedanke greifbar vermittelt. Damit ließe sich auch endlich nachvollziehen, dass von internationaler Vergleichbarkeit et cetera auch der Lernende etwas hat und die daraus resultierenden Möglichkeiten auch in positiver Weise genutzt werden können. Und sei es letztlich lediglich in der Wahl der Ausbildungsstätte, ohne für eine simple Sprachprüfung, gültig für ganze zwei Jahre, gleich das gesamte monatliche ERASMUS-Stipendium berappen zu müssen.

Alexander Fischer

 

Das regt mich auf!

Das Frühjahr steht vor der Tür. Und damit der Start in eine neue Motorradsaison. Allerorten wird wieder geunkt über die »Organspender«. Und da sehe ich dieses Plakat eines Telekommunikationsunternehmens: »Du sollst nicht langsam sein!« In Kombination mit dem abgebildeten Biker suggeriert das: »Sei schnell wie der hier!« Psychologisch und soziologisch geschult, ahne ich, bei wie vielen Menschen das Plakat unterschwellig Vorurteile gegenüer dem Motorrad verstärken wird. Ich mutmaße: in größerem Umfang, als es der Firma Unitymedia neue Kunden zutreibt. Als leidenschaftliche Sozia und Mutter einer motorradfahrenden Tochter, die ihre Hormone auf dem »Bock« Gott sei Dank unter Kontrolle hat, kann ich nur sagen: Voll daneben!

Romea Hallfahrt, Holzwickede

 

Terror auf dem Hochzeitsschiff

Muss man nun auch noch Menschen in Shows wie „Das Hochzeitsschiff“ durch sommerliche Szenen rennen lassen, während sie um den vermeintlich schönsten Tag in ihrem Leben wetteifern? Die Spiele sind harmlos, die Implikationen weitreichend. Bei Shows wie dem „Dschungelcamp“ sind die Erniedrigungen offensichtlich; hier ist’s subtiler: das Ideal des Hochzeitstags als Fundament eines gemeinsamen Lebensentwurfs wird auf Banalitäten eingekocht, und der Öffentlichkeit als leicht verdaulicher Fraß vorgeworfen. Man kann sich mit den Kandidaten amüsieren und sie Runde um Runde scheitern sehen. Die Show rühmt sich, die Paare auf ihre Ehetauglichkeit zu testen. Wer es im Fernsehen nicht schafft, der schafft’s auch nicht im echten Leben. Realität und Show werden gleichgesetzt, leichtfüßig und humoresk präsentiert, was das Ganze irgendwie noch endgültiger macht. Der Einwand „niemand wird gezungen etwas zu tun, das er nicht tun will“ erinnert schon fast zynisch an „Das Millionenspiel“.

Philipp Paa

 

Deutschland, Lager-Land

In Passau gibt es vier Asylbewerberheime. Wir, ein Team von StudentInnen der Passauer Uni und ich als ehemalige Ärztin, bieten den Flüchtlingen aus Afghanistan und Afrika kostenlosen Deutschunterricht an. In den zum Teil weit abgelegenen Lagern wohnen meist junge Männer, die von dem Familienclan als Hoffnungträger nach Deutschland geschickt werden. Viele haben erhebliche Traumata hinter sich: Bruder aus dem Hinterhalt erschossen, ständiger nächtlicher Raketenbeschuss der Taliban auf US-Stützpunkte, willkürliche Gefangennahme auf der Straße weil man keinen Bart trägt.

Bis zu sechs Menschen teilen sich ein kleines Zimmer, in einem der Heime ist nur eine Toilette für zehn Menschen vorhanden. Vor allem hier in Bayern sind die Lebensbedingungen sehr bedrückend: Die Lager sind zum Teil weit von einander und vom Zentrum entfernt und schlecht zu erreichen. Der letzte Bus fährt um 19 Uhr hinauf. Sie dürfen nur mit Einladung und amtlicher Genehmigung reisen, für die Bearbeitung fallen 10 Euro an. Von ihren 40 Euro Taschengeld im Monat benötigen sie 35 Euro für die Bustickets zu den Deutschstunden, die wir ihnen ohne Bezahlung anbieten.

Zunehmend lehnen sich die Asylbewerber gegen solche Zustände auf. Lieber hätten sie Geld für Kleidung und für selbst ausgesuchtes Essen statt Essensmarken. Die Ungewissheit: Kann ich bleiben? Wie geht es meiner Familie? Das Verbot, Arbeit zu suchen, zerrt an ihren Nerven, an ihrem Gemüt. Fast alle Afghanen bekommen Ablehnungsbescheide, gegen die sie zwar Rechtsbeistand suchen können – aber woher das Geld nehmen? Etliche werden depressiv, durch den Druck und durch die Ungewissheit, mangelnde Kontakte hier und zu den Angehörigen. Etliche kommen auch mit Erkankungen hier an, die in ihrem Land vernachlässigt wurden.

Gefragt, was ihn am meisten stört an an diesen Verhältnissen, antwortet ein junger Bauer aus Afghanistan: „Mich stört nicht viel, ich bin ein Mensch und ich liebe Menschen „. Dass sich trotz den widrigen Umständen zwischen den Bewohnern und unserem Team ein so erfreuliches Vertrauensverhältnis entwickelt hat, ist erfreulich und ermutigend.

Hier hat sich das Bündnis für die Rechte der Flüchtlinge gebildet, so wie im übrigen Teil von Deutschland (Pro Asyl, refugio – für misshandelte Frauen, die Karawane, Lagerland etc.)

Dr. Anne Hahn, Passau

 

Das regt mich auf: Irrenhaus Uni

Meine Situation in den letzten zehn Monaten an der Uni Hamburg erinnert stark an eine Szene aus Asterix erobert Rom: In einem Irrenhaus begeben sich Asterix und Obelix auf die Suche nach dem Passierschein A38 und werden von Raum zu Raum geschickt. Auch ich kenne die Räumlichkeiten der Uni Hamburg nach monatelangem Klinkenputzen inzwischen sehr gut. Die Kommunikation per E-Mail gestaltet sich ebenfalls äußerst schwierig: Entweder werden meine Mails weitergeleitet oder nicht beantwortet. Dabei ist mein einziges Anliegen von meinem Studiengang Lehramt Sek I in den verwandten Studiengang Lehramt Sek II zu wechseln.

Was sich in der Theorie einfach und banal anhört, erweist sich in der Praxis als fast unmöglich. Dabei hatte Uni-Präsident Dieter Lenzen bei seinem Amtsantritt ein offenes Ohr für studentische Belange versprochen (auch die E-Mail an ihn persönlich blieb unbeantwortet). Trotz sehr guter Noten und Unterstützung vieler Profs versucht mir die Uni HH weiterhin Steine in den Weg zu legen. In der Zwischenzeit habe ich mich natürlich nach Alternativen umgesehen. An der Uni Münster ist der Wechsel überhaupt kein Problem. Besser noch: Ich brauche mich auf Grund meiner bereits erbrachten Leistungen nicht mal bewerben, ich schreibe mich einfach direkt ein. So fühlt man sich willkommen; so einfach kann es gehen.

Sollte die Uni Hamburg ihre Verwaltung und Organisation nicht verbessern und das Thema Universität in der öffentlichen Wahrnehmung Hamburgs weiterhin eine so untergeordnete Rolle spielen, dann wird sich der miserable Ruf dieser Hochschule noch weiter verschlechtern. Mir wird keine andere Wahl bleiben, als das Weite zu suchen.

Moritz Eschmeier, Hamburg

 

CO2 sparen?

Es ist die erste Januarwoche. Auf der Straßenseite gegenüber meiner Wohnung dürfen die Leute ihre abgefeierten Weihnachtsbäume niederlegen. Diese werden vom Garten- und Friedhofsamt der Stadt gehäckselt und einer sinnvollen Endverwertung zugeführt. Vielleicht verfeuert man sie oder mischt sie dem Rindenmulch unter. In beiden Fällen ist die CO2-Bilanz neutral. Nicht aber das, was ich hier sehe.

Denn zwei Arbeiter, die die Bäume abholen sollen, kommen mit einem LKW vorgefahren, der mit einem hydraulischen Greifer ausgestattet ist. Der eine bedient die Hebel, der andere passt auf, ob der Greifer auch richtig zupackt. Und die ganze Zeit läuft vernehmbar und grummelnd der Dieselmotor, der die Hydraulik bewegt. Mein Gott, könnten die beiden sich denn nicht Handschuhe anziehen und die Bäumchen mit leichtem Schwung auf die Ladefläche werfen? Das wäre eine gesunde Bewegung an frischer Luft und würde Kraftstoff und CO2 sparen!
Ich werde mal anrufen und eine Rationierung der Diesel-Zuteilung vorschlagen. Dann kämen die beiden vielleicht auf die Idee, wie es umweltschonender geht.

Raimund Carmignac, Witten

 

Beamtenstaat

Hauptpostamt Kaiserslautern, kurz nach Schalteröffnung: 16 Kunden warten geduldig in der Schlange. Die Abfertigung verläuft sehr schleppend. Aus der Schlange heraus fragt ein junger Mann einen der drei Postbediensteten, ob er wirklich, wie schon am Vortag, zwanzig Minuten warten müsse, und das nur, weil er an derselben Stelle eine falsche Auskunft bekommen habe. Keine Reaktion des Angesprochenen. Die Kunden in der Schlange werden aufmerksam. Der junge Mann hakt in ruhigem Ton nach. Endlich eine Reaktion: „Wenn Sie hier noch weiter so rummeckern, warten Sie noch länger!“ Gesteigerte Unruhe unter den Wartenden. Da steht der Bedienstete auf und verlässt den Schalterraum. Sein Kollege: „Der geht jetzt aufs Klo. Das muss auch sein!“ Als ich endlich an der Reihe bin, ist der Klo-Gänger wieder zurück. Ich weise ihn höflich, aber deutlich darauf hin, dass sein Verhalten so gar nichts mit Kundenfreundlichkeit zu tun habe. Er sieht durch mich hindurch und wendet sich meinem Hintermann zu: „Der Nächste, bitte!“ Die Szene wirkte wie in einem schlechten Film. Oder wie aus der Zeit, als Kunden noch mit „Postbeamten“ konfrontiert waren, die gnädig und vom hohen Ross herab den Briefmarkenverkauf oder die Annahme von Paketen zelebrierten. In den letzten Jahren war der Service größtenteils besser geworden. Und nun dieser Rückfall! Wir leben im 21. Jahrhundert und nicht mehr in einem Beamtenstaat. Das aber haben (hoffentlich nur) einige Post-„Beamte“ ganz offenbar noch nicht kapiert. Und das ärgert mich!

Horst Rochlitzer, Kaiserslautern

 

Nichts kapiert

Altenheime streichen Stellen. Altenpflege steht vor dem Kollaps . Notstand in der Altenpflege. Seit längerer Zeit lese ich solche Überschriften in verschiedenen Tages- und Wochenzeitungen. Da ich (69) mittlerweile selbst zu den Alten zähle, regt mich dieser Mangel und seine mangelnde Bekämpfung ziemlich auf. Wer immer pflegebedürftige alte Menschen über lange Zeit im Altenheim aufgesucht hat, weiß,was Pflegekräften bei mäßiger Entlohnung an Zuwendung abverlangt wird und wie schwer es ist, solchen Anforderungen physisch und psychisch gerecht zu
werden. In der Arbeitswelt mag man mit Recht über Rationalisierungsmaßnahmen nachdenken,wo es um die Herstellung und den Vertrieb von Waren geht; dort wird sich eine Rationalisierung, solange sie nicht zahllose Arbeitsplätze vernichtet, nicht in erster Linie inhuman auswirken. Immer wird diese Gefahr dort bestehen, wo es um die Betreuung alter, kranker oder hilfsbedürftiger Menschen geht. Lässt sich notwendige menschliche Fürsorge ohne „Qualitätsverlust“ (ein dummes Wort an dieser Stelle) rationalisieren? Oder ist es etwa angemessen, wenn man Altenheime – wie vielerorts geschehen – zu Seniorenresidenzen befördert und solchermaßen Mangelerscheinungen verschleiert? In diesem Zusammenhang bedenke man, dass die Altenbetreuung bei der wachsenden Zahl alter Menschen und den immer eingeschränkteren Möglichkeiten der häuslichen Pflege eine der wichtigsten und umfangreichsten Aufgabenbereiche der Zukunft sein wird. Wer heute überall nur rationalisiert, hat für die Zukunft nichts kapiert.

Hans Gerbig, Gersthofen

 

Wer verweigert hier die Integration?

Der Anteil der Integrationsverweigerer unter den Einwanderern wird auf zehn bis fünfzehn Prozent geschätzt. Nach meiner Beobachtung aber ist der Anteil der Integrationsverweigerer in der alteingesessenen Bevölkerung etwa dreimal höher. Aber darüber spricht niemand! Mein Sohn ist deutscher Staatsbürger, spricht fließend Deutsch, hat durch die Adoption sogar einen deutsch klingenden Familiennamen – aber seine Haut ist schwarz. Wird er gefragt, woher er komme, antwortet er: „Aus Frankfurt.“ Aber vier von zehn Deutschen fragen dann nach: „Und woher kommst du eigentlich?“ Das ist Integrationsverweigerung! Er arbeitete mehrere Jahre als Check-in-Agent am Flughafen, und immer wieder sprachen ihn Menschen mit deutscher Muttersprache auf Englisch an – und sprachen sogar dann weiter Englisch mit ihm, wenn er ihnen in fließendem Deutsch antwortete. Das ist Integrationsverweigerung! Weit verbreitet ist die Haltung, man müsse auf immer und ewig dem Ort seiner Geburt verbunden bleiben. Gerade Vertriebene, die auch mehr als sechzig Jahre nach Kriegsende darauf bestehen, weiter Ostpreußen, Donauschwaben oder welcher Herkunft auch immer zu sein, zwingen Einwanderern oft ihre eigene integrationsverweigernde Einstellung auf. Es gibt ein Menschenrecht auf Heimat. Heimat aber ist nicht immer der Ort, aus dem man stammt. Heimat ist der Ort, in dem man lebt und wo man begraben sein will – und damit auch im Laufe eines Lebens veränderbar. Wenn wir das nicht begreifen, werden wir niemals integrationsfähig! Die Hand, die wir den Einwanderern in unserem Land entgegenstrecken, ist viel zu oft zur Faust geballt.

Holger App, Frankfurt am Main