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Lasst das Volk wählen!

Ich sehe mir „Hart aber fair“ an. Es geht um den Rücktritt Horst Köhlers, um die Frage der Nachfolge – und, gleichsam unweigerlich, kommt auch die Frage aufs Tapet, ob der Bundespräsident nicht direkt vom Volk gewählt werden sollte anstatt von der Bundesversammlung. Parteiübergreifendes Entsetzen bei der anwesenden politischen Klasse: NEIN! Damit würde ein Gegenkanzler installiert werden. Gemeinsame Kandidaten von Regierung und Opposition wären dann unmöglich. Zudem könne man ein solches Amt nicht dem Wahlkampf und somit der Parteitaktik unterwerfen. Abgesehen von (welch Ironie!) Jürgen Trittins Einwurf, was an Wahlkampf verwerflich sei, stellen sich doch andere Fragen: Ist das Amt nicht Beute der Parteitaktik? Warum sollte ein gemeinsamer Kandidat nicht mehr möglich sein? Woher soll ein direkt gewählter Präsident plötzlich die Kompetenzen eines Gegenkanzlers bekommen? Wird das Volk noch immer für dumm und undemokratisch genug gehalten, einen verfassungsfeindlichen Kandidaten zu wählen? Diese Scheinheiligkeit vieler Politiker regt mich auf.

Philipp Deeg, Stuttgart

 

Das regt mich auf: Griechenlandschelte

Die Griechenlandschelte regt mich nicht auf. Ja, Land und Leute haben jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt. Nun haben sie die Quittung und müssen büßen. Aber es regt mich auf, in welcher Art viele deutsche Medien nun über Griechenland berichten. Es regt mich auf, dass sie kein gutes Haar mehr an dem Land und seinen Menschen lassen. Es regt mich auf, dass einseitig und zum Teil falsch berichtet wird. Es regt mich auf, dass kaum darüber berichtet wird, dass die Griechen seit der Einführung des Euro durch Konsum fleißig der deutschen Wirtschaft genützt haben. Es regt mich auf, wenn völlig unerwähnt bleibt, dass die deutsche Rüstungsindustrie kräftig an Griechenland verdient hat. Es regt mich auf, dass es jetzt so aussieht, als könne man nicht mehr unbeschadet Urlaub in diesem schönen Land machen. Und überhaupt regt mich die Häme und Borniertheit auf, die nun allseits über Griechenland ausgeschüttet wird. Einst haben die Deutschen die Griechen wegen ihrer Großzügigkeit und Lebensfreude geliebt.
Heute scheint man in Deutschland nur noch Verachtung für die Hellenen übrigzuhaben. Das haben sie nicht verdient.

Chris Hoffmann, Athen, lebt seit 40 Jahren in Griechenland

 

Ein nicht mehr so stilles Örtchen

Ich bin beruflich und privat viel unterwegs. Ergo benutze ich viele WCs bzw. Badezimmer in Hotels, Flughäfen, Konferenzgebäuden usw. Was mich immer mehr nervt, sind die selbstverliebten Spielchen, die sich Designer und Innenarchitekten bei Sanitäranlagen einfallen lassen.

Man ist ja bescheiden. Ich will, wie wohl die meisten Menschen, schlicht meine Notdurft verrichten und mir danach die Hände waschen können. Was ich nicht brauche – und ich bin sicher nicht die einzige – sind fast schon perfide, aber sicher designpreiswürdig ausgeklügelte Toilettenanlagen, die längeres Rekognostizieren und logisches Nachdenken erforderlich machen, um eine simple Spülung zu starten. Schlichte Ketten oder aber Tasten auf dem Spülkasten würden für uns NormalverbracherInnen aber völlig reichen (Botschaft an die Branche!)

Genauso wenig wie diese offenbar von den Wasserspielen Ludwigs XIV. in Versailles inspirierten Komplikationen auf der Toilette braucht irgendjemand nachfolgende Handwaschbecken, bei denen man erst nach längerem Nachdenken fündig wird und nach etlichen nutzlos verstrichenen Minuten erforscht hat, ob sie nun diesmal auf Handbewegung vor einem Sensor oder auf Druck auf einen noch nicht georteten Knopf oder vielleicht sogar auf simples Drehen eines Wasserhahns reagieren.

Kein Mensch braucht diese Manierismen, die einzig und allein dem Ego eines Designers dienen. Diese flächendeckenden Verschlimmbesserungen (diesen Begriff hätte man alleine für die Designverliebtheit der Sanitärbranche erfinden können) an den Stillen Örtchen Europas nerven uns alle nur mehr!

Gebt uns klassische Spülketten/einen Spülknopf oder -hebel am WC und danach einen funktionierenden und manuell zu bedienenden Wasserhahn!

Brigitte Schön, Wien

 

Wie man trotz lausiger Rente überlebt

Kürzlich schneite meine Renteninformation ins Haus. 305,75 Euro erwarten mich demnach in zwölf Jahren. Zeit genug, mich ordentlich abzuhärten, damit ich mir dereinst irgendwo im Wald ein Zelt aufschlagen kann und die komplette Summe monatlich für meinen luxuriösen Lebenswandel (Zigarillos, Milchkaffee, ab und zu Hammelrippchen mit wildem Knoblauch) zur Verfügung habe. Mein jüngster Sohn, dem ich davon erzählte, fragte mich, wie „die“ sich das denn vorstellen. Ich klärte ihn auf, dass „die“ sich gar nichts vorstellen müssten, und mir bliebe ja immer noch der Greisenstrich. „Das will ich nie wieder von dir hören!“, protestierte er und versprach, reich zu werden und für mich zu sorgen.

Nett, aber Konflikte mit der Schwiegertochter will ich nicht. Ich habe drei Kinder großgezogen, wurde nach der Wende „abgewickelt“ und umgeschult, ließ mich scheiden, war wegen „Überqualifizierung“ nicht vermittelbar, gründete eine Ich-AG und habe es, obwohl aus der Zeit meiner bewegten Biografie 34 Jahre berücksichtigt werden, nur auf 11,9610 Rentenpunkte gebracht.

Aber mir wird schon was einfallen. Ich werde meinen gebrauchten Wagen schön pflegen – vielleicht geht’s dann auch ohne Zelt. Ich gewöhne ihn an altes Frittenöl und düse durch warme Länder und futtere wilde Kräuter. So wie die Kaninchen aus der Provence eine natürliche Würzung mit in die Pfanne bringen, wird mein Körper bei seiner Verbrennung ein aromatisches Odeur verbreiten. Es wird eine Freude sein, mir die letzte Ehre zu erweisen, jeder nimmt noch mal eine Nase voll und taumelt schon vorm Umtrunk high der Klippe entgegen, von der meine Asche in den Seewind gestreut wird. Das Leben ist wunderbar und mit der richtigen Einstellung sogar witzig – über eine lausige Rente hinaus.

Romea Hallfahrt, Holzwickede

 

Ich bin mehr indie als du!

© gregor.kiosk / photocase.com

Egal, ob bei der Musik, beim Schreiben, bei der Mode oder in der Kunst, überall muss man individuell sein. Wer möchte denn noch zum Mainstream gehören? Musik aus dem Radio ist jetzt „uncool“, weil das ja jeder hört.

Cool ist, sich Musik aus dem Netzt zu ziehen, irgendwas, was sonst keiner hört, von irgendeiner Band oder einem Künstler, den keiner kennt. Man rennt nicht mehr zu Justin-Timberlake-Konzerten, die nach einem Tag ausverkauft sind, nein, man kauft sich für fünf Euro Konzert Karten von irgendeinem unbekannten Newcomer, der in der letzten Bruchbude im Westend auftritt und bei dessen Konzert man mit fünf weiteren Fans, die ebenfalls den Unbekanntheitsgrad des Künstlers genutzt haben um individuell zu sein, vor der Bühne tanzt, und warum? Um sich vor der ganzen Masse da draußen, von denen, die Lady Gaga und die Black Eyed Peas hören, kurz gesagt, vom Mainstream abzusondern.

Vielleicht gefällt einem die Musik des Künstlers, vielleicht auch nicht. Falls sie einem gefällt, versucht man auf jeden Fall mit allen Mitteln vor allem eins zu erreichen: Ihn unbekannt bleiben zu lassen! Mainstream ist, was bekannt ist.

Vor 10 Jahren war das noch ganz anders. In der Grundschule sprachen wir über Britney Spears und Shakira und über die Backstreet Boys. Wer den Refrain von Britneys neustem Hit auswendig konnte, ohne auch nur ein Wort davon zu verstehen, war cool. So einfach war das. Internet kannte man damals noch fast gar nicht und wäre man mit irgendeinem unbekannten Sänger angekommen, wäre man bei den Freundinnen bestimmt nicht auf Bewunderung gestoßen. Es hätte sich schlicht keiner für den armen Gitarrenspieler mit der einzigartigen Stimme aus Londons hintersten Gasse, der rein zufällig von irgendeinem Musikmanager entdeckt wurde, interessiert.

Selbst beim Weggehen achtet man darauf, so alternativ wie möglich zu sein. Alternative Jugendliche gehen in München nicht zur Partymeile am Ostbahnhof, man geht nicht in die Nachtgalerie oder in die Kultfabrik, denn dort sind nur Proleten und es läuft scheiß Radiogesäusel. Man geht in die Szeneviertel. Viertel wie Schwabing sind out, denn man möchte nicht zu dem neureichen Partyvolk gehören, das Samstagabends das P1 oder das 8 Seasons mit ihren Zehn-Zentimenter-Heels und ihren Gucci-Täschchen unsicher macht und, sollte man zum männlichen Geschlecht gehören, sich mit 20-Liter-Vodka-Flaschen ablichten lässt und schmierige Frisuren mit Seitenscheitel trägt.

Nein, man geht lieber mit Gleichgesinnten in Haidhausen weg, oder im Glockenbachviertel. Dabei versucht man so unaufgestylt wie möglich auszusehen. Man trägt Chucks oder Sneaker, Karohemden und löchrige Jeans und Frisuren, die so aussehen, als sei man gerade aufgestanden.

Und nun? Gefällt es einem jetzt oder nicht? Liegt es an der Generation oder einfach nur an dem erwachsener werden, dass sich Kult plötzlich von Mainstream in Independent gewandelt hat?

Tabea Kernert , München

 

Gute Noten statt Empathie

Ich bin Schülerin eines Gymnasiums, Abiturjahrgang. Es ist keine schlechte Schule, in den letzten Jahren konnten erstaunlich viele Schüler mit passablen Ergebnissen die Schullaufbahn hinter sich bringen. In wenigen Wochen gibt es Abiturzeugnisse. Ausgabe im Juni.

Es kostet einige Überwindungskraft, in den ersten beiden Stunden Reli seiner Anwesenheitspflicht nachzukommen, aber schließlich setzen sich an einem Freitagmorgen dreißig Oberstufenschüler zusammen, um über die Frage nach dem Leid in der Welt zu diskutieren. Das Leid anderer Menschen gehe uns überhaupt nichts an. Man müsse es halt akzeptieren. Den Betroffenen von Haiti gehe es überhaupt nicht so schlecht, sie seien Leid doch gewohnt. In Burma habe die Regierung vor zwei Jahren Hilfeleistungen untersagt, weil die Menschen darum gebeten hätten, mit ihrem Leid selbst klarkommen zu dürfen. Hilfe sei okay, aber dafür seien wir ja nun wirklich nicht verantwortlich. Zustimmendes Nicken. Ein, zwei Versuche, sich zu empören.

Etwas später erhalten die Ersten von uns ihre Noten der schriftlichen Abiturprüfungen. Alle ziemlich gut, da kann man nichts sagen. Bestens ausgebildete Schüler werden im Juni die Schule verlassen und Deutschlands Zukunft sein. Aber irgendwas fehlt.

Esther Then, Langen

 

Stinkende Pfandroboter

© Peter Endig /dpa

„Pfandflaschenrücknahmeautomat“. Wahrscheinlich brauche ich gar nicht mehr zu sagen und alle wissen Bescheid. Der Getränkemarktmitarbeiter ist wegrationalisiert, jetzt steht da ein flaschenschluckender Roboter.

Es ist jedes Mal wieder ein mittelschweres Drama, wenn man vor diesem stinkenden Ungetüm (gärende Flüssigkeiten aller Art) steht und Befehle entgegennehmen muss, die einen an sich selbst zweifeln lassen. „Flasche zu schnell eingeschoben!“ – „Automat akzeptiert Flasche nicht!“ – „Flasche nicht erkannt!“ Der Wutausbruch kommt, wenn der Automat selbst beim dritten Versuch noch sagt: „Flaschenboden zuerst!“ Obwohl man es natürlich schon dreimal korrekt versucht hat.

Jetzt hat der Getränkemarkt in meiner Nachbarschaft auch noch den zweiten Automaten wegrationalisiert. Vielleicht spart das ja Strom. Ärger auf jeden Fall nicht. Die Schlange am verbliebenen Gerät flucht sich in Rage. Nur der Automat bleibt noch ruhig. Leider zu ruhig …

Daniel Doerk, Osnabrück

 

„Hallo!“ – eine Erwiderung

Der Etikette-Trainer Hanisch findet es unhöflich, Anrufer von Firmen nur mit einem „Hallo?“ zu begrüßen. Die Deutsche Knigge Gesellschaft hält es für unkorrekt, eine Kellnerin mit „Hallo Fräulein“ anzusprechen. Auch die Varianten Großes Hallo, Halli Hallo und erst recht Hallodri zeigen wenig Seriosität. Doch sind die Knigge-Leute immerhin so unsicher, dass sie bundes(deutschland)weit nach der passenden Anrede suchen.

Soll „passend“ bedeuten, dass „Hallo“ in bestimmten Situationen auch passt? Hinweise gibt die Etymologie mit dem althochdeutschen „halon“ (holen, rufen), dem französischen „allons“ und dem englischen Gruß „hallo“. Ferner die Unterscheidung der Ornithologen nach Ruf (Orientierung, Warnung) und Gesang (Partner beeindrucken, locken).

Im Europa-Parlament in Brüssel, dessen Sprachendienst 23 Amtssprachen beherrscht, findet man „Hallo“ in entsprechenden Fällen zulässig. Und die Gesellschaft für Deutsche Sprache weiß: Fehler von heute können Standards von morgen sein.

Hi und salut!

Eine Erwiderung von Thilo Tilemann, Wiesbaden auf Das regt mich auf: “Hallo!”

 

Das regt mich auf: Wie Behörden mit behinderten Kindern umgehen

Die deutsche Bürokratie und ihr Umgang mit behinderten Kindern regen mich auf! Seit gut sechs Monaten wandert die Akte unseres vierjährigen behinderten Sohnes nun schon von Behörde zu Behörde, von Schreibtisch zu Schreibtisch. Sie wird aufgemacht und wieder zugemacht und weitergereicht. Ob sïe überhaupt gelesen wird?

Ich glaube es nicht. Denn dann hätten die zuständigen Sachbearbeiter längst erkannt, wie dringend unser Sohn einen Kindergartenwechsel sowie einen Integrationshelfer benötigt, der ihn nach einer anerkannten Therapiemethode fördert. Drei lange Monate lag die Akte bei der ersten Behörde, die dann befand, dass sie gar nicht zuständig sei. Danach ging die Akte auf Wanderschaft. Man lässt sich Zeit, wertvolle Zeit. Wir haken nach und hören uns Plattitüden von Bürokraten an, für die die Behinderungen unseres Kindes Fremdwörter sind.

Es beunruhigt uns sehr, dass diese Menschen vom Schreibtisch aus über das Schicksal unseres Sohnes entscheiden. Für sie ist er ein Aktenzeichen, das dem Staat bedrohlich teuer zu werden scheint. Diese Botschaft schockiert mich und macht mich traurig. Wir als Eltern geben nicht auf. Doch was ist mit all den behinderten Kindern, die auf der Strecke bleiben, weil ihre Eltern nicht so beharrlich sind und die Anträge in den Amtsstuben einfach ausgesessen werden?

Katja Tappesser, Soest

 

Das regt mich auf: „Hallo!“

Als Doppelbürgerin, nämlich als Deutsche (gebürtig) und Schweizerin (angeheiratet), fällt es mir immer wieder auf, und es macht mich inzwischen geradezu wütend: Von allen Seiten höre ich in Deutschland das fürchterliche, nichtssagende Wort „Hallo“.

Es gibt keine freundlichen Begrüßungen mehr, jeder sagt nur „Hallo!“. Unlängst erhielt ich sogar zum Geburtstag Briefe und Karten, die mit den Worten „Hallo Ingrid“ begannen. Von überall her schallt mir dieses unsägliche „Hallo“ entgegen!

Dieses Wort ist für mich nicht nur das (Un-)Wort der Woche, sondern offenbar das wichtigste Wort meiner deutschen Mitmenschen.

Ingrid Gutzwiller, Arlesheim bei Basel

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