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Problemfall?

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Starke Wurzeln geben Halt. Doch manchmal bleiben die Wurzeln nicht unsicht­bar in der Erde, sondern werden – wie im Bild – ziemlich dominant. Im realen Menschenleben ist dann der Psychotherapeut an der Reihe. Und weil einem Bruder und Schwester Baum so oft als symbolträchtige Lebewesen begegnen, gibt es auf meinem PC einen Bildordner »Denk­mal Baum«. Dieses Foto zum Beispiel ist am Ufer des Obernberger Sees in den Tiroler Alpen entstanden.

Franz Götsch, Innsbruck

 

Aller Alleen Anfang

Wolfgang Pauls, Solingens76-baum

Vor mehr als zwanzig Jahren begann ich mit regelmäßigem Joggen. Ich hatte das Glück, nahe meiner Wohnung direkt ins Feld laufen zu können, und bedauerte es, an heißen Tagen in der prallen Sonne laufen zu müssen. In meiner Fantasie malte ich mir dann eine schattige Kastanienallee aus. So legte ich in meinem Garten zwanzig Kastanien ins Erdreich und habe drei Jahre später die kräftigsten Setzlinge an meiner Laufstrecke ausgewildert. Leider haben nur zwei Bäumchen die Aufwuchsphase überstanden. Das schönere davon habe ich im vergangenen Herbst fotografiert. Dass ich einst in seinem Schatten laufen werde, halte ich bei meinem Alter – 71 Jahre – aber für unwahrscheinlich. Die Birke im Hintergrund war ein Wildsämling aus meinem Garten, den ich gleich mitverpflanzt hatte!

 

Der Mädchen-Ahorn

In der ZEIT Nr. 12/15 schrieb Winfried Born aus Soest über seine Jungsbande und deren Klettereiche.
Unsere Mädchenbande in Heilbronn hatte einen entsprechenden Ahornbaum. Jede von uns hatte ihren eigenen Liege-Ast, in den wir unseren Namen einritzten. Komischerweise haben die Jungs nie versucht, uns den Baum streitig zu machen. Da saßen beziehungsweise lagen wir, erzählten Geschichten, reimten Gedichte und klebten uns die aufgeklappten Ahornsamen auf die Nase.
Ich wollte ein Foto schicken, habe extra meinen Schwager beauftragt. Doch der Baum ist verschwunden. Schade!

Gerda Annacker, jetzt auch Soest

 

Nachbarschaftshilfe

Bei unseren Wanderungen ist dies immer ein Platz, um in Bewunderung der Natur zu verweilen: Die mittlere der drei Buchen ist unten abgefault. Seit mindestens 25 Jahren hängt sie in der Luft. Es klafft eine Lücke von fast einem Meter, und trotzdem lebt der Baum weiter, denn auf vier und sieben Meter Höhe wird die Buche durch eingewachsene Äste der Nachbarbäume mit so viel Nährstoffen versorgt, dass sie sich in der Blätterpracht von ihren Nothelfern nicht unterscheidet.
In der Chirurgie nennt man eine operativ hergestellte Verbindung von Blutgefäßen (etwa zur Behandlung verengter Gefäße) Anastomose. Den Anastomosenbaum findet man im Bayerischen Wald auf dem Wanderweg zum Lindberger Schachten (etwa einen Kilometer vom Parkplatz Buchenau in Richtung Hirschbachschwelle entfernt).

Rainer Schüll (Fotos), Eckart Rössler, Grainet, Bayern

 

Die Kletter-Eiche

Kinderzeit im Sauerland vor rund 50 Jahren. Man gehört zu einer Bande, die acht­- bis zehnjährigen Jungs treffen sich nahezu täglich zum Fußball und für Streifzüge durch den Wald.

Pausen finden nicht unter, sondern in einer Eiche hinten im elterlichen Garten statt. Der Kletterbaum ist dicht belaubt, an die zehn Meter hoch und hat eine feste Platzverteilung. Da gibt es den »Gemütlich­-Ast«, auf dem man besonders gut ausruhen kann. Für den Anführer reserviert ist »Päules Ast«. Die Jüngsten – da besonders leicht – dürfen ganz nach oben, wo die Äste am dünnsten sind. Gelegentlich vorkommende Abstürze werden zu Hause natürlich verschwiegen. Kleinere Blessuren kann man sich schließlich auch anderswo geholt haben… Die Zeit vergeht, der Kletterbaum bleibt. Irgendwann baut der Bruder hinten im Garten. Der Baum muss weg. Da weiß man: Die Kindheit ist endgültig vorbei.

Winfried Born, Soest

 

Neubeginn

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Auf der Suche nach »unserem« Familienbaum im Friedwald habe ich diese Entdeckung ge­macht, die mich sehr berührt hat: Eine Vogelbeere hat ihren Weg in den Spalt eines Baum­stumpfes gefunden, ist gekeimt und gewachsen. Das Leben sucht sich seinen Weg…

Brigitte Orth, Lindenberg, Pfalz

 

Er schläft weiter

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Schon oft war ich auf Fototour im Ilsetal, Ostharz. Doch erst kürzlich fiel mir dieser schlafende Riese auf, der hier über die Natur zu wachen scheint. Vom Ufer der wilden Ilse her kommend, sah ich ihm plötzlich direkt ins Gesicht. Ich muss aber wohl sehr leise gewesen sein, denn der Riese schlief einfach weiter. Es war allerdings auch noch früh am Morgen…

Matthias Kistmacher, Hannover

 

Des Winters Palme

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Grünkohl macht den niederrheinischen Garten im Winter praktisch zu einer Südseeinsel. Das sind richtige Palmen. Einfach idyllisch. Man könnte sich glatt drunter langlegen, wenn es nicht so nasskalt-usselig wäre.
Schade, wenn die ganze Pracht dann irgendwann in den Kochtopf wandert… Aber lecker! »Grünkohl muss fett sein, der muss vor Fett glänzen«, sagen die Niederrheiner, und wenn sie das sagen, dann glänzen ihre Augen ganz genauso. »Fett muss er sein. Sonst kannze den vergessen.«

Heinz van de Linde, Goch

 

Die Kastanie

Ich bin 1932 geboren. Als ich in den fünfziger Jahren einen jungen Mann kennenlernte, stand vor seinem Elternhaus eine wunderschöne Kastanie. Abends saßen wir mit Freunden auf einer Bank darunter, und die Zeit unserer Liebe begann. Zur Kastanie gehörte das Lokal meiner Schwiegereltern. Dort feierten wir unsere Hochzeit, und später übernahmen wir das Lokal. Nach dem Tod meines Mannes musste ich es verkaufen.
Ich wohne aber immer noch so, dass ich aus meinem Fenster die Kastanie sehen kann, im Frühjahr, wenn sie ihre Kerzen aufsteckt, und im Herbst, wenn die Kinder ihre Früchte aufsammeln.
Dieser Baum hat mein ganzes Leben begleitet: die Zeit unserer jungen Liebe, Arbeitsjahre, Küchenjahre, den Abschied von meinem Mann, vom Restaurant, von vielen lieben Gästen. Meine Kinder und später noch die Enkel haben unter der Kastanie gespielt. Viele Feste haben wir unter dem Baum gefeiert.
Nun habe ich im Alter noch jemanden liebgewonnen, und wir genießen jetzt zu zweit beim Frühstück den Blick auf die Kastanie. Hoffentlich noch recht lange!

Gertrud Holthaus, Wuppertal

 

Überstanden

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In Zypern begegne ich auf einer Wanderung durch einen Olivenhain diesem knorrigen Baum. Kaum zu glauben: Auf einem Schild lese ich, dass er mehr als 800 Jahre alt ist. Ich rechne nach: Seit etwa 1200, also seit dem Hochmittelalter, steht dieser Ölbaum da. Was ist seitdem alles geschehen? Der Olivenbaum hat es überstanden.

Peter Janßen, Braunschweig