Unsere beiden Kinder (zwei und fünf Jahre) sind krank und – bedingt durch das hohe Fieber – ungewöhnlich ruhig. Ich bewege mich zwischen Wadenwickel, Hustensaft, Inhalieren, Trösten, Kümmern, Wohnungschaos…
Erschöpft sage ich in einer entsprechenden Situation streng zu meiner Tochter: »Du willst mich wohl verkackeiern?« Da leuchten die trüben Augen, und die Stimmung hellt sich bei allen sofort auf. »Verkackeiern« höre ich an diesem und den folgenden Tagen noch sehr oft von den Kindern, und ich freue mich, dass das dieses Wort sie so belustigt.
Das hat unseren Arabisch-Lehrer doch sehr überrascht. Als er einen von seinen Schülern aufforderte, selbst einen Satz entsprechend der eben gewonnenen Erkenntnis zu formulieren, meinte der, »Das muss ich mir jetzt erst mal verkasematuckeln.« Nun wollte unser Lehrer dieses ungewöhnliche Wort erst mal »erklärt« bekommen, um umgekehrt seinen deutschen Wortschatz zu erweitern.
An einer Kreuzung mitten in Rheinland-Pfalz, springt die Ampel auf Rot. Vor mir hält ein dunkler VW. Auf der Heckscheibe entdecke ich das Wort Flitzpiepe. Wie kommt dieser Ausdruck für Dummkopf, Denkzwerg, Depp hierher, in den deutschen Südwesten? Ich wurde in meiner Kindheit im Erzgebirge so gerufen, wenn ich Unsinn gemacht hatte. Die Ampel schaltet auf Grün. Mein Vordermann fährt los. Sein Auto hat das polizeiliche Kennzeichen »KH« für Bad Kreuznach. Offenbar ein Landsmann, den es auch an Rhein und Nahe verschlagen hat.
Das Wort Springinkerl war in meiner Kinderzeit in Wien recht verbreitet. Nun habe ich es schon sehr, sehr lange nicht mehr gehört. Ein Springinkerl ist ein gelenkiges, schlankes Geschöpf, sei es männlich oder weiblich, das kein Sitzfleisch hat, das herumhüpft, herumtollt, immer in Bewegung ist, keine Ruhe gibt, dabei aber liebenswert ist.
Auch wenn die Springinkerln erwachsen geworden sind, sind sie noch immer beweglich, ob im Geiste oder körperlich, und setzen so kein Fett an.
Vor einiger Zeit fand ich auf dieser Seite den Beitrag aus Österreich, wo die Fußballfans (und wohl auch der Einsender selbst) hofften, dass die Stars ihre »Schussstiefel« anhaben würden. Ich erinnere mich, dass wir in Hamburg früher, wenn wir uns zum Bolzen trafen, fragten: »Hast du deine Buffer auch mit dabei?« Das waren noch Stiefel mit harten Kappen, wie sie heute die Sicherheitsschuhe haben.
Neulich in der Straßenbahn: Eine junge Frau telefoniert mit ihrer Mutter, sie wollen offenbar ein Geschenk kaufen. Die junge Frau: »Ja, ein Buch – okay, ich überleg mal – gut, ich besorge eins – du meinst Hardcover, Mutter, Hardcore ist was anderes!« Ich musste schmunzeln.
Kürzlich las ich in der ZEIT einen Artikel über das Leben im Internat, und so lautet das Wort, das ich gerne teilen möchte, Internatsschwestern. Ich selber war vier Jahre lang Schülerin auf Schloss Torgelow, und der Text stimmte ziemlich mit meinen Erfahrungen überein, insbesondere der Aspekt, dass die Schülerinnen und Schüler zusammenhalten. Noch heute bin ich eng mit meinen Freundinnen von damals in Kontakt, wir besuchen uns gegenseitig und fahren gemeinsam in den Urlaub. Die gemeinsame Zeit hat uns wie Schwestern zusammengeschweißt.
Zu meinem Wortschatz gehört seit unbestimmter Zeit der schöne Ausdruck Mieselprim. Er bezeichnet einen chronisch schlecht gelaunten, unangenehmen Menschen. Kürzlich habe ich ihn in einer Mail an eine Ex-Kollegin verwendet, die in Kiew arbeitet. Ein inzwischen hochbetagter ehemaliger deutscher Außenpolitiker hatte sich darüber beschwert, ihre Ukraine-Berichterstattung sei »russlandfeindlich«. Ich schrieb ihr: »Diesen Mieselpriem würde ich noch nicht einmal ignorieren.« Sie schrieb zurück: »Das Wort ›Mieselpriem‹ werde ich mir merken.«
Bei Fontane las ich vom Herzpuppern. Ein Begriff aus meiner Kindheit. Damals pupperte das Herz vor Prüfungen, heute höchstens noch, wenn die Steuererklärung vom Finanzamt kommt. Dass meine Patienten den Begriff je benutzt hätten, daran kann ich mich nicht erinnern. Ihre Herzen jagten, stolperten, schlugen bis zum Hals, setzten aus, aber sie pupperten nicht. Bei den Sachsen übrigens bubbern die Herzen.
Kürzlich wurde im Radio von einer Schauspielerin berichtet, dass sie in den fünfziger Jahren verblichen sei. Schön, dass man eines Tages nicht einfach gestorben oder gar tot ist, sondern bloß in den Gedanken der Menschen verblichen.