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Was mein Leben reicher macht

Stop and go auf der Autobahn bei Karlsruhe. Fenster runter. Ich höre Beethovens Dritte im Radio und drehe voll auf. Auf der Nebenfahrbahn fährt eine elegante, ältere Dame an mir vorbei. Sie lächelt, fällt zurück, holt wieder auf, fällt wieder zurück – und lächelt mich jedes Mal nett an.

Erhard Brüchert, Bad Zwischenahn, Niedersachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Liebeskummertage. Eine graue Zeit voller Unsicherheit und Wut. Um mich abzulenken, fange ich an, mein altes Kinderzimmer zu entrümpeln, und stoße dabei auf ein Buch aus meiner Schulzeit. Rot markiert, mit Randkritzeleien und schon so oft gelesen: Stufen von Hermann Hesse. »Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!« Wie tröstend!

Jasmin Hornung, Baden-Baden

 

Fleischmann guckt aus Wollmanns Laden: Mein Wort-Schatz

Als Erstes lese ich auf dieser Seite immer die Rubrik »Mein Wort-Schatz«. Einiges erinnert mich an meine Jugend. Dabei fällt mir folgender Spruch von uns Kindern ein, wenn am Abend ein Loch im Strumpf war: Fleischmann guckt aus Wollmanns Laden. Warteten dann genug Strümpfe auf das Stopfen, musste unsere Mutter mit Nadel, Faden und einem »Stopfpilz« an die ungeliebte Arbeit gehen. Erst wenn das Loch für den Stopfpilz zu groß war, schlug das letzte Stündlein für den Strumpf.

Juergen Niemann, Langenhagen

 

Bengeln: Mein Wort-Schatz

Als ich neulich an einem Kastanienbaum vorbeikam, erinnerte ich mich plötzlich daran, wie ich als Junge mit einem Holzstück nach Kastanien bengelte, also versuchte, sie mit einem gezielten Wurf vom Baum zu holen. Nach kurzer Recherche fand ich heraus, dass das Wort »Bengel« sowohl einen ungezogenen Jungen als auch ein kurzes Holzstück beschreibt.

Cyril Grether, Düsseldorf

 

Mein Wort-Schatz

Ein Wort aus meiner Kindheit im Siegerland ist bei mir bis heute in Erinnerung geblieben. Wenn ich etwa an der Marmelade genascht hatte, vom Spielen arg verdreckt von draußen ins Haus kam oder geflissentlich das Rufen meiner Mutter überhörte, so schalt sie mich »Du Unducht«, mit erhobenem Zeigefinger, aber nicht wirklich böse, sondern mit gewissem Verständnis für ihren kleinen Lausbub. Nun, im Pensionsalter, habe ich Unducht (»Taugenichts oder ungezogener Junge«) in einem alten westfälischen Wörterbuch wiederentdeckt.

Ralf Ortheil, Wald-Michelbach, Hessen

 

Der Flüchtlingsausweis

Ich werde älter, deshalb versuche ich, meine Unterlagen in Ordnung zu bringen. Wiedergefunden habe ich dabei meinen Flüchtlingsausweis. Im Oktober 1944 begann für meine Familie – ich war damals ein Kleinkind – die Flucht aus Ostpreußen, per Pferdewagen nach Pommern, per Schiff nach Lübeck, wo man die menschliche Fracht allerdings abwies. So gelangten wir auf die Insel Fehmarn. Die Einheimischen waren über die Einquartierung nicht gerade begeistert. Man begegnete dem »Pack« misstrauisch bis feindlich. Hat sich die Einstellung Flüchtlingen gegenüber heute geändert?

Irene Thoma, Otzberg, Hessen

 

Aus meinem Garten

s88-garten

In unregelmäßigen Abständen lief ein Eichhörnchen durch unseren Garten. Wir kamen auf die Idee, ihm eine Eichhörnchen-Futterstation zu bauen. Nun besucht uns der flinke Geselle zweimal täglich. Und hin und wieder bringt er Freund oder Freundin mit.

Siegbert & Ursula Kienast, Herten

 

Was mein Leben reicher macht

Ich stehe im Supermarkt an der Kasse. Meine ZEIT liegt auf dem Band. Die Kassiererin wiegt sie in der Hand. »Ist die aber dick. Ist das nur eine?« Sie fängt an zu blättern. Das Magazin rutscht heraus. Ächzend bückt sie sich. Ich drehe mich um: »Sorry«. Einer kommentiert: »Da haben Sie sich aber was vorgenommen!« – »So viel Lesestoff! Das würde ich nie schaffen«, meint eine Frau. »Dann sind Sie sicher eine von den Klugen«, bemerkt ein Mann. Ich spüre, dass ich rot werde. Die Kassiererin legt alles wieder zusammen. »Diesmal«, denke ich, »habe ich mir die Zeit zum Lesen wirklich verdient.«

Kerstin Weisenstein, Gera