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Wiedergefunden I: Der Weihnachtsbrief


Beinähe wäre er einer großen Aufräumaktion zum Opfer gefallen: dieser Weihnachtsbrief meiner damals 9-jährigen Tochter Mamkoué an ihre 5-jährige Schwester Amina. Bemerkenswert, wie viel Philosophie und Liebe in diesen wenigen Zeilen mitschwingt. Rührend, wie das schmucklose Papier durch das Herzchen am Ende des Briefes aufgewertet wird. Beeindruckend, wie gut ihre Deutschkenntnisse waren, denn meine Kinder sind im frankofonen Kamerun groß geworden.

Margit Schalk-Djiango, Jaunde/Kamerun

 

Kritzelei der Woche

Ich studiere Restaurierungs- und Konservierungswissenschaften an der Fachhochschule Köln. Nach abgeschlossenem Bachelorstudium durften wir frischen Masterstudenten kürzlich in einem großen Präsentations-Marathon unsere jeweiligen Masterprojekte vorstellen. Genug Zeit also, um sich der wissensaufnahmefördernden Kritzelei hinzugeben, der ich normalerweise bevorzugt an den Rändern der Vorlesungsskripte nachgehe. Diesmal durfte es eine ganze DIN-A4-Seite Karopapier sein, die ursprünglich für weiterführende Notizen gedacht war.
Hannah Flock, Köln

 

Was mein Leben reicher macht


Als Mutter eines Sohnes mit Down-Syndrom ist auch nach 12 Jahren Erziehung und alltäglichen Lebens längst nicht alles selbstverständlich. Bei unbehinderten Kindern entwickelt sich vieles von selbst oder braucht nur eine gewisse Anregung, um zu werden; Moritz muss sich für alles anstrengen und mühen. Besonders das Erarbeiten der Lese-Schreib-Kompetenz fällt ihm sehr schwer.
Am Freitag vor dem 4. Advent steigt mein Sohn strahlend aus dem Schulbus aus und streckt mir mit den Worten „Für Dich“ einen zugeklebten Briefumschlag entgegen. In seiner Gegenwart öffne ich ihn in neugieriger Erwartung und finde eine Weihnachtskarte; auf selbstgezogenen Bleistiftlinien steht: LiEbE MAMA ! LIEbE PAPA, MORiTZ – und ein Weihnachtsaufkleber. Ich bin in der Seele gerührt über soviel Liebe, die mir da in ungelenken Buchstaben begegnet. Lettern, die ein hohes Maß an Konzentration und Mühe zeigen. Mir kommen die Tränen und ich drücke Moritz vor Dankbarkeit und Anerkennung, weil ich weiß, welche Anstrengung diese Zeilen ihm abverlangt haben… Ein Weihnachtsgeschenk der besonderen Klasse, das ich gut hüten werde.

Regina Hönerlage, Ratingen

 

Was mein Leben reicher macht

Kurz vor Weihnachten: Nur im Schritttempo komme ich mit meinem VW-Bus durch die Hamburger Innenstadt. Am Alten Wall steht neben mir ein alter amerikanischer Straßenkreuzer mit geöffneter Motorhaube. »Haben Sie wohl ein Überbrückungskabel?«, fragt mich der Fahrer, ein alter, grauhaariger Mann. »Nee, tut mir leid!«, rufe ich und rolle langsam weiter. Doch dann meldet sich mein Gewissen: Ich habe ein Kabel, ich bin nicht in Eile, es ist Weihnachtszeit! Ich schere aus der Autoschlange aus. Als der Straßenkreuzer wieder anspringt, schenkt mir der alte Mann eine CD. Er ist Chef einer Oldie-Jazzband, sie hat wunderschön verjazzte Weihnachtslieder aufgenommen. Immer, wenn ich sie höre, erinnert sie mich an dieses anrührende Weihnachtserlebnis.

Wolfgang Kausch, Hamburg

 

Schlaftrunken: Mein Wort-Schatz

Mein Wort-Schatz: schlaftrunken. Wenn ich am frühen Morgen nicht wie sonst mit meinem Mann aufstehe, sondern liegen bleibe, weil ich am Abend zuvor spät von einer Probe kam. Wenn er  sich dann, bevor er das Haus verlässt, noch mal für ein paar Minuten zu mir legt. Dann schmiege ich mich an, nur zur Hälfte wach: schlaftrunken. Und glücklich.

Anke Schönle, Ebermergen

 

Zeitprung

Sommer

Advent

Als im vergangenen Jahr Weihnachten vorbei war, konnten mein Mann und ich uns gar nicht von dem Adventskranz trennen. Beim Frühstück die vier Kerzen zu entzünden, das gab so ein gemütliches Licht! Deshalb haben wir uns entschieden, den Kranz nicht wegzupacken, sondern immer nach Jahreszeit und Anlass neu zu gestalten. Die vier Bärchen begleiten uns dabei. So sehen Sie hier den Zeitsprung von Advent (mit Tanne und Weihnachtsschmuck) bis Sommer (mit Sand und Muscheln). Zu Ostern kommen selbstverständlich Eier und im Herbst Früchte,  Eicheln und Nüsse auf den Kranz. Zum Geburtstag wird er mit Herzen und Blumen dekoriert. Vielleicht ist das ja eine Anregung für andere Leser, eine solche Deko-Initiative zu ergreifen.

Gisela Höhns, Schieder-Schwalenberg

 

Was mein Leben reicher macht

Nahren, mein Deutsch-Nachhilfekind, ein stets vergnügtes neunjähriges Mädchen irakischer Herkunft, bringt ihre Hausaufgaben zu mir mit. Es geht um den Münchner Oberbürgermeister und unter anderem um die Frage, wie lang er schon im Amt sei. Ich weiß es auch nicht. Nahren schaut mich leicht verwundert an: »Frau B., wie haben Sie das mit der Einbürgerung geschafft?«

Gerda Bödefeld, München

 

Wiedergefunden: Der Weihnachtsgruß


In den Tagebüchern meines Großvaters, der 1956 gestorben ist, habe ich ein Dokument gefunden, das mich schlagartig in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg versetzt hat: die Nachricht über ein Care-Paket aus Amerika zu Weihnachten 1946, vor genau 65 Jahren also. Absender war der Bruder meines Großvaters, der viele Jahre zuvor nach Amerika ausgewandert war. Der Inhalt dieses ersten Pakets war für unsere Familie (meinen Großvater, meine Mutter und meine beiden Brüder) in der Zeit der Mangelernährung überlebenswichtig. Mein Vater kam erst Mitte 1947 aus russischer Kriegsgefangenschaft nach Hause. In den Jahren 1946 und 1947 erhielten wir insgesamt 150 Pakete, wie sich aus den Tagebuchaufzeichnungen ergibt. Noch heute denke ich mit großer Dankbarkeit an diese großzügige Überlebenshilfe. Heute habe ich übers Internet wieder Kontakt mit den Nachfahren unserer Verwandten in Amerika.

Heino Bosse, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Endlich wieder Klavier zu spielen! Nach zwei Monaten »Entzug« – ich bin im Auslandssemester in Spanien – frage ich in einem heruntergekommenen Antiquitätengeschäft in Sevilla den Verkäufer, ob ich auf dem Flügel spielen dürfe. »Ja!« Zum Glück bemerke ich erst zum Schluss, dass sich vor dem Schaufenster eine Traube von Menschen gesammelt hat, die mir zuhören.

Merle Hömberg, Cádiz, Spanien